Kaum ist die Diskussion um die Frage „Gehört der Islam zu Deutschland?“ abgeklungen, kommt schon die nächste Islam-Debatte: „religiöses Mobbing“. Ali Mete erklärt, warum es niemandem hilft, wenn Probleme religionisiert werden.
Die Mobbing-Debatte hat einen schlechten Beigeschmack. Während sich die Republik über diesen Fall aufregt, sind im gesamten Bundesgebiet dutzende Moscheen beschmiert, beschädigt und sogar angezündet worden – die Politik äußert sich kaum. Schlimmer noch: Politiker wie Innenminister Horst Seehofer (CSU) setzen keine klaren Zeichen gegenüber den Tätern, sondern betreiben verbale Ausgrenzung. Politiker, die zu diesen Moscheeanschlägen schweigen, melden sich in der „Mobbing-Affäre“ sofort zu Wort. Hier stimmt etwas nicht.
Mobbing ist in jedem Fall inakzeptabel, egal ob „antisemitisch“ oder „antimuslimisch“ motiviert. Eine solche Etikettierung ist für die Diskussion kontraproduktiv, denn sie führt das Problem auf eine einzige Ursache zurück: die Religion. Dabei ist Mobbing leider weit verbreitet unter Schülerinnen und Schülern, unabhängig von Alter, Schulform, Religion oder Herkunft. Deshalb wird die Problematik schon in der Grundschule behandelt, ob nun direkt als Thematisierung von Mobbing oder indirekt im Sinne der Förderung von Respekt und Toleranz. Das ist der einzig vernünftige Weg.
Viele Politiker scheinen das anders zu sehen. Für sie ist der Vorfall an einer Berliner Grundschule offenbar eine willkommene Gelegenheit, um das Narrativ vom religiös begründeten Antisemitismus unter Muslimen aufzugreifen. Außenminister Heiko Maaß (SPD) findet den Vorfall „beschämend und unerträglich“. Das scheint für die Moscheeanschläge nicht zu gelten, denn dazu hat er sich bisher nicht geäußert. Cem Özdemir (Grüne) fordert eine „Elternabend-Pflicht“ und eine Vereinbarung zwischen Lehrern und Eltern, die bis zum Schulverweis führen könne. Alexander Dobrindt (CSU) spricht sogar von „Schulhof-Islamismus“. Dieselben Politiker heben aber nicht den Zeigefinger angesichts von Dutzenden rechtsradikalen Provokationen, wie z. B. an Hessener Schulen. Auf diese Vorfälle sei dem hessischen Kultusministerium zufolge reagiert worden, indem sie im Unterricht thematisiert wurden. Wieso ist ein solcher, „normaler“ Umgang im aktuellen Mobbingfall nicht möglich?
Keine Frage, rassistische und judenfeindliche Ansichten gibt es leider auch unter Muslimen. Das Phänomen ist Studien zufolge latent in der Mitte unserer Gesellschaft. Anzunehmen, dass Antisemitismus eine im Islam angelegte Einstellung sei, das Problem also zu islamisieren, ist genauso rassistisch wie Antisemitismus selbst. Denn hinter einem solchen Verständnis verbirgt sich folgende Annahme: Sie sind so, weil ihre Religion so ist. Sie können nicht anders, denn sie sind Muslime. Das aber stimmt weder historisch noch theologisch.
Wie die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Anette Widmann-Mauz (CDU) richtig sagt: „Religion ist keine Frage von Toleranz, das ist ein Grundrecht.“ Religionsfreiheit gibt keinem das Recht, andere zu drangsalieren oder sogar zu bedrohen. Religionsfreiheit ist auch kein Entschuldigungsgrund für pubertierende Jugendliche. Aber genauso hilft die Religionisierung des Problems niemandem, sondern polarisiert nur noch weiter. So ist z. B. die Forderung nach einem Lagebild zur Gewalt an Schulen durchaus sinnvoll, aber nur wenn hier nicht Religion im Allgemeinen und der Islam im Besonderen als Problemursache gesehen wird. Rassismus ist Rassismus, egal wie er begründet wird. Dagegen hilft nur Aufklärung und die Förderung von gegenseitigem Respekt.