Islamfeindlichkeit

Angriffe gegen muslimische Frauen – Zeichen eines gesellschaftlichen Missmanagements

Muslimische Frauen erfahren nicht nur Diskriminierungen und Pöbeleien, sondern werden auch massiv angegriffen. Welche folgen islamfeindliche Straftaten für die Gesellschaft haben und warum sie als solche erfasst werden müssen, erklärt Zarqa Butt.

20
05
2017
Muslimische Frauen
Symbolbild: das Tuch der muslimischen Frau. © Perspektif.eu, bearbeitet by iQ.

„Mann beschimpft Frau und zieht am Kopftuch“ fnp.de
„Faust in Kinderwagen geboxt Brutalo-Nazi will Frau mit Baby (1) töten“ berliner-kurier.de
„Neunjährige rassistisch beleidigt und bespuckt“ tagesspiegel.de
„Kaffee – einmal ohne Kopftuch, bitte!“ taz.de
„Hetze an der Haltestelle“ tagesspiegel.de
„Angriff auf Muslimin: Tatverdächtiger eingewiesen“ ndr.de
Mädchen angegriffen, Tuch runter gezerrt, beleidigt… focus.de / noz.de

Eine Anfang April durchgeführte einfache Google-Recherche über den Zeitraum 2015 bis 2017 in Deutschland mit den Stichworten „Angriff“, „Muslim“ und „frau“ ergibt um die 50 in den Medien aufgegriffene Fälle, in denen vermittelt bzw. polizeilich ermittelt werden musste –neben den juristisch begleiteten Fällen.

Es sind Angriffe gegen Frauen, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland sehen, ihrer Arbeit nachgehen, studieren oder noch zur Schule gehen, Kindergarten- und Schulfeste zusammen mit ihren muslimischen und nichtmuslimischen Bekannten und Freunden gestalten und so kulturelle Vielfalt bereichern, – nicht nur mit exotischen Delikatessen – bemüht sind, mit Freunden und Kindern eine Balance zwischen verschiedenen Kulturen zu leben. Gerade diejenigen, die die Pluralität der Gesellschaft engagiert repräsentieren, erfahren nicht nur Zurückweisungen, Diskriminierungen, Pöbeleien; sie werden zum Teil massiv attackiert.

„Scheiß Muslime“

Die feigen Angriffe, insbesondere gegen Kinder, offenbaren nicht nur Indizien einer gesellschaftlich zerstörerischen Geisteshaltung der Täter, sondern sind, wenn sie sich wiederholt äußern, Potentiale eines grundsätzlichen Konflikts in der Gesellschaft, der bei strafwürdigen Fakten nicht nur strafrechtlich verfolgt werden muss, sondern darüber hinaus einer gründlichen Analyse bedarf, die eine entsprechende gesellschaftspolitische Veränderung anvisiert. In Verantwortung stehen hier neben gesellschaftspolitischen Akteuren ebenso die Medien, die einen erheblichen Anteil an der negativen Haltung gegenüber Muslimen haben und für die Verfestigung dieser Negativeinstellung Mitverantwortung tragen.

Presseberichte stützen sich auf Meldungen der Opfer oder Daten der Polizei oder des Verfassungsschutzes. Wenn aber die Presse offensichtliche rassistische Slogans – wie zum Beispiel „Scheiß Muslima“ – in ihrem Bericht zu beschwichtigen versucht, indem sie die eindeutig rassistische Motivation einer solchen Äußerung in Frage stellt, fördert sie die Ermutigung zur Reproduktion solchen Verhaltens oder mindestens die allgemeine Gleichgültigkeit und Ignoranz gegenüber den Empfindungen der so gedemütigten „Anderen“, und ignoriert so das Unrecht gegenüber den Geschädigten. Dies fördert auf der Seite der so Diskriminierten Angst, Hilflosigkeit, Rückzug aus der Gesellschaft oder Aggression. Letzteres mündet dann wieder in erneuten Vorwürfen und Diskriminierungen gegenüber den bereits Geschädigten.

Opfer werden gezielt angegriffen

Wenn einer Frau – noch dazu in Begleitung ihres Kindes – ein Tuch vom Kopf gerissen wird begleitet mit entwürdigenden Äußerungen über ihre Person als Muslima oder wegen ihres Habitus das Persönlichkeitsrecht freier Berufswahl verunmöglicht wird, einer kopftuchtragenden Schülerin ein Praktikumsplatz versagt wird, sind das rassistische oder diskriminierende Motivationen, die auch als solche bewertet werden müssen, auch wenn sie im Strafgesetzbuch so explizit nicht normiert sind. Wir haben zwar ein Antidiskriminierungsgesetz, jedoch können in den seltensten Fällen die Diskriminierten ihre Rechte durchsetzen. Die Täter auf jeden Fall nehmen nicht wahllos irgendwelche Frauen und Kinder ins Visier, sondern greifen ihre Opfer gezielt an, weil sie offenbar der Meinung sind, Dinge, die ihnen als Problem erscheinen oder eine bestimmte ungelöste Frage ihre Umfeldes auf diese Weise in ihrem Sinne lösen zu können oder zu müssen. Die Opfer aber erleben diese Angriffe als vorurteilsbehaftete gewaltsame Konfliktaustragung. Hier von „nicht islamfeindlich“ zu sprechen oder als Tat eines psychisch Kranken, fast entschuldigend, zu entpolitisieren, ist eine Verkennung des grundlegenden Konflikts und demoralisiert die Opfer.

„Mama, wo komme ich eigentliche her?“

Es stehen nicht nur die Medien in der Verantwortung, sondern insbesondere die Politik: Vor dem Hintergrund der aus den Schlagzeilen ableitbaren gesellschaftlichen Herausforderungen darf von selbstbewussten Parteikonzepten explizit erwartet werden können, – gerade aktuell in Wahlkampfzeiten Gesellschaft stabilisierende Faktoren hervorzuheben, die Minderheiten gleichwertig anzusprechen, mit ins Boot zunehmen, statt wieder einmal marginalisierten Divergenzen und Differenzen diskursiv auf deren Rücken undifferenziert auszutragen und sie auszulagern.
Statt sich auf selbst definierte Ismen festzubeißen und damit populistische Ambitionen einzelner Gruppen zu bedienen, wünschen sich die betroffenen Kinder und Frauen in ihrer Würde als Menschen wahrgenommen und ernstgenommen zu werden auf der Grundlage der Werte und Gesetze ihres Landes, in dem sie leben, wirken, arbeiten und mit dem sie sich identifizieren.

„Mama, wo komme ich eigentlich her“, wurde ich heute in der Klasse gefragt. Ich habe gesagt, ich bin in Köln geboren, also bin ich Kölnerin. Das wollten weder die Lehrer glauben noch die Kinder. Sie haben gesagt, ich bin keine Deutsche. Woher bin ich nun?“ Das Kind (Grundschule) war sehr enttäuscht, dass es nicht dazu gehört, obwohl es sich seinem Klassenverband mit internationalem Kontext zugehörig fühlt.

In einer anderen Diskussion, in der Mittelstufe, in der es um den positiven Aspekt von Migration ging, fragt ein Kind: Mama, bin ich auch eine Migrantin? Nein, erwidert die Mutter, ich bin Migrantin, weil ich aus einem anderen Land nach Deutschland eingewandert bin, aber du bist hier geboren und lebst auch hier, deshalb bist du keine Migrantin. Das Kind war auch hier enttäuscht, aber weil es im Migrantsein einen Vorteil sah, eine Kompetenz, die es einbringen kann in seiner Klassen-Gemeinschaft. Es war dann aber intrinsisch motiviert, weil es einen Migrationshintergrund über seine Eltern hat, und dadurch über zusätzliche Erfahrungswerte verfügt, die in seiner Gemeinschaft willkommen sind. (Erfahrungen eigener Kinder)

Diese beiden Selbst- und Fremdbilder von muslimischen Kindern lassen in etwa erahnen, dass es auf den Ton und die Haltung der Gesellschaft ankommt, will man gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern.

Rassistische Erfahrungen haben Einfluss auf Gesundheit

Mehrere Studien, darunter die Studie „Migration und Gesundheit“ (2015) im Auftrag der Arbeiterkammer Wien und des Bundesministeriums für Gesundheit, sowie die Langzeitstudie „A longitudinal examination of maternal, family, and area-level experiences of racism on children’s socioemotional development: Patterns and possible explanations“ (2015) stellen einen deutlichen Zusammenhang zwischen erlebter rassistischer Diskriminierung und der mentalen Gesundheit der Betroffenen fest: Eigene und indirekt erlebte Diskriminierung beeinträchtige die mentale Gesundheit der Mutter, rassistische Erfahrungen der Familienmitglieder hätten indirekten Einfluss auf die Gesundheit des Kindes. Bei Beeinträchtigung der Gesundheit der Mutter aufgrund rassistischer Erfahrungen und die der Familie insgesamt, hätten einen direkten Einfluss auf die Entwicklung der Kinder.

Nicht nur angesichts dieser wissenschaftlichen Ergebnisse stehen Politik und Medien in der Verantwortung zukunftsorientierte Konzepte in Zusammenarbeit mit allen relevanten Gesellschaftsakteuren zu erarbeiten.

„Musliminnen haben Angst im öffentlichen Nahverkehr“ welt.de
„Wut-Arzt rastet wegen Kopftuch aus“ oe24.at
„Kopftuchverbot im Job möglich“ tagesschau.de (EuGH-Urteil)
„Brutaler Angriff auf Muslimin in Kiel“ kn-online.de

Wie wirken sich wohl diese Erfahrungen auf den Zustand der betroffenen Frauen und Kinder aus? Welche Folgen muss man auf die gesellschaftlichen Beziehungen befürchten, z.B. auf Lehrer-Schüler, Arbeitnehmer-Arbeitgeber Verhältnisse?

Kinder und Heranwachsende können und müssen diese Marginalisierungen nicht problematisieren, noch müssen sich die Opfer solchen Ausgrenzungen und solcher Gewalt stellen. Stellen und sich eindeutig positionieren müssen sich politische Akteure, und zwar nicht hinter ihre Parteipositionen, Arbeitsthesen, sondern für neue Positionen, die die Identität der betroffenen aus ihrem Verständnis heraus mit gleichwertig aufnehmen, verteidigen und sichern und so für die Entfaltung der Persönlichkeit in Sicherheit gewährleisten.
Statt die individuelle Persönlichkeit zu problematisieren oder zu relativieren, sind klare Botschaften notwendig verbunden mit Sicherheit gewährenden Konzepten, nicht präventiven Maßnahmen, die die Betroffenen von vornherein als die Verantwortlichen sehen.

Verletzung der rechtstaatlichen Gesellschaftsordnung

Die Stigmatisierungen, denen muslimische Frauen und Schülerinnen und Schüler zunehmend ausgesetzt werden, dokumentieren deutliche Verletzungen mehrerer Standards einer rechtstaatlichen Gesellschaftsordnung. Die Betroffenen sind Teil der deutschen Gesellschaft, Teil Deutschlands, ein Großteil ohne eigene Migrationserfahrung. Sie sind Deutsche muslimischen Glaubens.

Zeitgemäßes und realistisches Konfliktmanagement empfiehlt Rahmenbedingungen zu schaffen, in der Gerechtigkeitskultur mit klaren Regeln, die einen fairen Umgang der Konfliktparteien gewährleistet. Sie sieht Konflikte als Chance für notwendige Veränderungen. Es stellt sich die Frage, inwieweit die Beteiligten ihre Bedürfnisse fair und konstruktiv einbringen können. Explizit: Was für eine Gesellschaft wir wollen. Eine heterogene, gleichwertige Gesellschaft, die vielfältige Lebensmodelle und Religionen zulassen kann, in der unterschiedlicher Habitus und Lebensgewohnheiten Normalität und Teil der pluralen Gesellschaftsstruktur ist.

Oder wollen wir eine homogene Gesellschaft, in der das Pluralistische allenfalls geduldet wird? Das würde nicht der Realität entsprechen, die Gesellschaft spalten und zu vielfältigen Entgleisungen führen und nicht nur der Fremdenfeindlichkeit Vorschub leisten.

Leserkommentare

Kritika sagt:
Hr. Disch an Kritika: "- - - ein Kopftuch tragen. Unsere Verfassung erlaubt Ihnen das." --------- Kritika: "mir? Kopftuch tragen? Tolle Verfassung! Muss ich dann auch 6 x beten? Lieber doch nicht; trozdem vielen Dank ☺."
07.06.17
22:35
Charley sagt:
Kritiker rechtfertigt Verbrechen mit Verbrechen. Fehlt nur noch, dass er den faschstischen "Volkszorn" anführt.... denn in vielerlei Hinsicht benutzt er faschistische Gedankenformeln.
12.06.17
8:44
Charley sagt:
Kritika......
12.06.17
8:45
Andreas sagt:
@Kritika: Wie kommen Sie zu der Erkenntnis, dass Frauen, die kein Kopftuch tragen sich eine eigene Meinung gebildet haben, Frauen, die ein Kopftuchtragen hingegen sich keine eigene Meinung gebildet haben?
12.06.17
17:11
Kritika sagt:
An "Andreas" Wie kommen Sie denn bloss zu der unrichtigen "Erkenntnis", die Sie mir am 12.06.17 angedichtet haben? Menschen Christlichen Glaubens hatten zu 90% Christliche Eltern und Menschen Muslemischen Glaubens hatten zu 90% Muslemische Eltern. Das zeigt, wie stark fremd-gesteuert die 'eigene Meinung' ist. Als erfreuliche Entwicklung sieht man stets häufiger im Strassenbild bekopftuchte Mütter in strassenfegende Mittelalterliche Säcke gekleidet, mit moderne kopftuchlose Töchter an ihrer Seite. Gruss, Kritika
15.06.17
10:40
Kritika sagt:
Charley schreibt: "Kritiker rechtfertigt Verbrechen mit Verbrechen. Fehlt nur noch, dass er den faschstischen "Volkszorn" anführt.... denn in vielerlei Hinsicht benutzt er faschistische Gedankenformeln." --------- Kritika antwortet: In vielen Reaktionen hat Kritika die Islamischen KapitalVerbrechen scharf verurteilt und KopftuchAbziehen stets "verwerflich" genannt. Lesen Sie meine Beiträge vom 30.05 02.06 usw. Ihre Äusserungen sind teilweise recht gehässig: "Fehlt nur noch, dass er den faschstischen "Volkszorn" anführt..." Wenn Ihnen der "faschstischen Volkszorn" fehlt, müssen Sie damit leider leben lernen. Sie ignorieren den von Kritika angenommenen kausalen Zusammenhang zwischen Islamische schwerstVerbrechen und verwerfliche [aber gegenüber Mord] harmlose Übertretungen derer, die möglicherweise KopftuchTrägerinnen als Sympatisanten ansehen. Einen Kausalen Verband sehen [Kritika] ist etwas ganz anderes als Rechtfertigen [Charley]. Die Demonstrantinnen können sich einfach gegen Kopftuch-Abzieher schützen: wie normale Frauen herumlaufen. Den Islamischen Mördern zu entgehen ist leider unmöglich. Kritia meint: ohne Islam wäre die Welt wesentlich friedlicher. Finden Sie nicht auch, Charley?
15.06.17
11:53
Charley sagt:
Kritika liest nicht vollständig. Er hat einen Verband um die Augen, der ist nicht kausal. Die Kopftuchabreißer waren nie Opfer islamischer Gewalt. Die Opfer der Kopftuchabreißer waren nie Täter. Es gibt keinen Zusammenhang, wenn man Individualität achtet. Wer Menschen durch Gruppenzugehörigkeit definiert und dann vor allem bewertet, ist Rassist. Kritika ist Rassist.
15.06.17
15:01
Johannes Disch sagt:
@Charley -- "Wer Menschen durch Gruppenzugehörigkeit definiert und dann vor allem bewertet, ist Rassist." (Charley) Kurz, bündig und treffend auf den Punkt gebracht.
19.06.17
20:17
Kritika sagt:
L.S. auch Charley Woher wissen Sie, verehrter Herr Charley, wie und was Kritika liest? Früher wussten das die Götter. Aber unter den intelligenzmässig entwickelten Völkern und Ländern, haben die Menschen beschlossen, dass Götter sich mit der FolkloreRolle am Sonntag abzufinden haben - und das hat Fortschritt gebracht. Dieser Beschluss gilt auch für von Flüchtlinge "importierte" Götter. Das hat alles zu tun mit dem korrekten erkennen einer kausalen Beziehung. Beispiel: Die Christen haben in WW2 ständig und überall für Frieden gebetet aber nur als die US genug aufgerüstet hatte, den Frieden mit "unconditional surrender" erzwingen zu können, da wurde es friedlich. , konnte sie den Frieden erzwingen . ngen, aStreitmacht starerzwungen wurde, gebietet die kausalen Überlegung, dass Beten wirkungslos ist. Geflügeltes Wort: die Pest wurde nicht durch Beten sondern durch Forschung besiegt.
20.06.17
23:33
Kritika sagt:
L.S. auch Charley Woher wissen Sie, verehrter Herr Charley, wie und was Kritika liest? Früher wussten das die Götter. Aber unter den intelligenzmässig entwickelten Völkern und Ländern, haben die Menschen beschlossen, dass Götter sich mit der FolkloreRolle am Sonntag abzufinden haben, das tun die nun auch - und das hat richtig Fortschritt gebracht. Dieser Beschluss gilt auch für von Flüchtlinge "importierte" Götter. Das hat alles zu tun mit dem korrekten erkennen einer kausalen Beziehung. Beispiel: Die Deutsche Christen haben in WW2 ständig für Frieden gebetet aber erst als die US genug aufgerüstet hatten, den Frieden als "unconditional surrender" erzwingen zu können, da wurde es friedlich. Deutsche hatten sicher nicht für ein "unconditional surrender" gebetet. Die kausale Überlegung gebietet, dass Beten für Frieden wirkungslos ist; viele BombenwerfendeFleugzeuge dagegen für Frieden sorgen. Geflügeltes Wort: die Pest wurde nicht durch Beten sondern durch Forschung besiegt. Soweit zu Charleys Sorge um Kritikas Kausales Denken. Ein selbstständiges ComputerUNwesen corrumpiert Kritikas Post. Weiteren Issues von Charley kommen d'ran, wenn Posten wieder fehlerfrei läuft. Gruss, Kritika
21.06.17
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