Moscheeanschlagsserie

„Brennende Moscheen werden den Himmel erhellen“

Eine Moscheeanschlagsserie erschüttert die Muslime in Deutschland. Doch wie kam es überhaupt dazu? Jurist Burak Altaş schreibt welche Symbolik Moscheeanschläge haben und wie Gefahren in der Achtlosigkeit gedeihen konnten.

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09
2016
Symbolfoto: Moscheeangriffe - Moscheen werden immer häufiger Schauplätze hasserfüllter Übergriffe. © Nabi Yücel auf flickr, bearbeitet by IslamiQ.

Der Angriff auf eine Moschee ist das anschaulichste Beispiel für Islamfeindlichkeit. Deshalb ist der Bombenanschlag vor der Moschee in Dresden so beängstigend. Denn werden Moscheen als Einrichtungen zur Zielscheibe gewaltsamer Übergriffe gewählt, besteht über das Feindbild Gewissheit. Der innere Hass richtet sich gegen den Islam als Ganzes, die äußeren Taten legen dafür Zeugenschaft ab. Während bei einer muslimischen Person als Angriffsopfer außer seinem religiösen, ethnischen oder politischen Charakter auch persönliche Beweggründe zur Tathandlung motiviert haben könnten ist eine derartige Erwägung in Bezug auf Gotteshäuser nicht plausibel.

Der einzelne Angriff symbolisiert hierbei die Vorstellung, das Unerwünschte, durch aufreibende und bedrohliche Akte der Gewalt verdrängen zu können. Die Vertreibung des Hassobjektes aus einem für sich beanspruchten Hoheitsbereich[1] markiert das endgültige Ziel.

„In diesem Sinne beinhalten Angriffe auf Moscheen eine sehr deutliche Botschaft an die muslimische Bevölkerung. Die Botschaft, dass sie unerwünscht und deplatziert sind.“

Die gewaltsame Artikulierung dieses Gesuchs verwandelt es in eine übergriffige und aggressive Straftat; die bloß verbale Aufforderung wäre dazu verdammt, in der Schmollecke für ideologische Abartigkeiten zu verharren. Dabei ist jedoch auch in Erinnerung zu rufen, dass die bloße Existez dieses Hasses aufgrund ihrer Zuneigung zur Gewalt gefährlich ist.

Dieses komplexe Verhältnis zwischen der gedanklichen Intoleranz und dem ihr innewohnenden Hang zur gewaltsamen Umsetzung erfordert ein entsprechend zweigleisiges Präventionskozept: Einerseits gilt es, bereits angerichtete Schäden auszugleichen und neue Übergriffe zu verhindern, andererseits aber den Hass als Diskussionsgegenstand zu begreifen, um in der intellektuellen Auseinandersetzung mit der Ideologie des Rassismus Argumente zu entwickeln.

Extremismusprävention im rechtsextremen Spektrum

Letztere Methode der Extremismusprävention setzt inhaltliche Vertiefung und intensive Beschäftigung mit den Weltbildern rassistischer Ideologen voraus und verspricht dabei, den weltanschaulichen Boden unter den Füßen der Rassisten zu entziehen. So ergänzen sich Aktionismus und geistiger Widerstand zu einem einheitlichen Konzept. Auf diesem Fundament baut auch die Bekämpfung von Phänomenen wie Islamophobie oder Antisemitismus auf: Versorgung akuter Wunden bei gleichzeitiger Bekämpfung ihrer Kausalgrundlage.

Der Erfolg dieses Konzepts hängt entscheidend vom Sensibilisierungsgrad der Gesellschaft ab. Wo die eigenen Sensibilitäten nicht mit Nachdruck vertreten und gepflegt werden, ist es wahrscheinlich, dass entgegenstehende Weltbilder gedeihen. Wird beispielsweise das Existenzrecht von islamischen Gotteshäusern nicht verteidigt, kommt es vor, dass sich Bürger zu Initiativen zusammenschließen, die einen Moscheebau mit Hinweis auf die Authenzitität und die vermeintlich sinkenden Immobilienpreise zu verhindern versuchen – so wie in Wertheim in Baden-Württemberg.[2] In einem Umfeld, das von Angst, Besorgnis und Hass geprägt ist, entspricht nicht Rationalität, sondern Populismus dem Geist der Stunde.

Erfassung islamfeindlicher Straftaten

In Bezug auf Moscheeangriffe haben wir es in Deutschland mit einem ernsthaften Bewusstseinsproblem zu tun. Einige lückenhaft geführte Statistiken sind weit davon entfernt, auch nur den sichtbaren Teil des Eisbergs darzustellen, da islamfeindliche Straftaten in den Polizeistatistiken nicht in einer eigens geschaffenen Kategorie erfasst werden. Dies führt dazu, dass über die Anzahl der jährlich verübten Übergriffe Ungewissheit herrscht. Es ist beispielsweise denkbar, dass Moscheeangriffe in den Statistiken etwa in der Kategorie “Sachbeschädigung” erfasst werden, nicht aber als Hassdelikt. Der Mangel an statistischem Material verhindert es außerdem, den Anstieg der Moscheeangriffe empirisch zu fundieren.

In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Ulla Jelpke hieß es 2012: „Anschläge auf Moscheen, Moscheevereine oder sonstige islamische Einrichtungen‘ stellen ebenso wie die ‚Schändung von Moscheen‘ kein eigenständiges Delikt dar; vielmehr werden durch einen Anschlag bzw. eine Schändung – je nach den Umständen des konkreten Einzelfalles – unterschiedliche Straftatbestände verwirklicht“[3] (zum Beispiel Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch, Beleidigung). Jelpke vergleicht diesen misslichen Umstand mit dem „Ermittlungsversagen im Falle der NSU“ und beschuldigt die Bundesregierung, „die Dimension der Islamfeindlichkeit zu verschleiern.“[4] Umso erfreulicher sind diesbezüglich die neuesten Entwicklungen, wonach die Bundesregierung angekündigt hat, ab 2017 islamfeindlich motivierte Straftaten separat zu erfassen.[5]

Wird Islamfeindlichkeit ernstgenommen?

Bei den polizeilich und staatsanwaltlich registrierten Fällen von Moscheeangriffen gibt es außerdem einen weiteren Missstand, der nur bei gutmütiger Interpretation als nachlässig bezeichnet werden könnte.

„Polizeierklärungen, die bei Hakenkreuzschmierereien oder dem Ablegen von Schweinsköpfen vor Moscheetüren weismachen möchten, dass ein islamfeindlicher Hintergrund nicht klar erkennbar sei, lassen die Frage aufkommen, was für eine Symbolik denn noch notwendig ist, um die islamfeindlichen Motive der Täter zu indizieren.“

Der Fall eines Bielefelder Mannes, der seinen Moscheeangriff mit zu hohem Alkoholpegel rechtfertigte und die Polizei daraufhin einen islamfeindlichen Hintergrund ausschloss, genügt an dieser Stelle als Beispiel.[6] Hinzu kommt, dass die Behörden in einer nicht mehr als Ausnahme qualifizierbaren Häufigkeit betroffenen Moscheegemeinden Schweigsamkeit anraten.[7] Vor diesem Hintergrund darf es nicht befremdlich sein, wenn das Vertrauen der Muslime in die Behörden schwindet. Maßnahmen, die dieses zerrüttete Vertrauensverhältnis wieder kurieren könnten, lassen sich vergeblich suchen. Die Anzahl der Bürgermeister, die die von Angriffen betroffenen Moscheegemeinden besuchen und ihren Beistand demonstrieren, ist leider verschwindend gering. Die derart in die Einsamkeit entlassenen Gemeinden gewinnen erst wieder im Zuge von Wahlkämpfen Bedeutung.

Auch wenn zu erwarten wäre, dass eine wirksame Bekämpfung von Moscheeangriffen insbesondere von wissenschaftlichen Kreisen und Intellektuellen ausgeht, weicht der Ist-Zustand von dieser Erwartung erheblich ab.

„Es gibt kaum Akademiker, die diese immer weiter ansteigende Gefahr einer wissenschaftlichen Untersuchung unterziehen.“

Wissenschaftler, die sich mit Begriffen wie Islamfeindlichkeit, antimuslimischer Rassismus oder Islamophobie genauer auseinandersetzen, befassen sich in der Regel nicht explizit mit Angriffen auf Moscheen. Die grundlegende Forschung des Abstrakten verdeckt auf diese Weise den konkreten Niederschlag dieser ideologischen Extremitäten. Dabei wäre es gewiss aufschlussreich, vom Konkreten hin zum Abstrakten zu forschen, um Erkenntnisse über die Motivationslage der Täter zu gewinnen, die im Rahmen einer abstrakten Ideologieforschung schwerer zugänglich sind. Allein in der Art und Weise der Tatverwirklichung liegen zumeist wertvolle Indizien über die Psyche, die Vorurteile und Gedankengänge des Täters. Es ist nämlich gewiss, dass das Hinterlegen von abgetrennten Körperteilen eines Schweins, das Beschmieren der Moscheewände mit Schweineblut oder die Versendung einer mit einer Pistolenpatrone versehenen Koranausgabe keine gewöhnlichen Angriffsformen sind.

„Brennende Moscheen werden den Himmel erhellen“

Die Häufigkeit, mit der diese skurrilen Methoden für Angriffe auf Moscheen verwendet werden, sowie ein generell vorherrschendes Desinteresse sorgen dafür, dass die Berichterstattung zumeist nur auf die lokale Medienlandschaft des jeweiligen Ortes beschränkt wird. Schafft es eine Gemeinde doch in überregionale Medien, ist der Moscheeangriff in der Regel nur eine kurze Agenturmeldung wert. Dabei sollte der signifikante Anstieg der Übergriffe auf islamische Gotteshäuser nicht dazu führen, diese als üblich zu empfinden und entsprechend nachlässig zu sein, sondern im Gegenteil die besorgte Frage aufkommen lassen, in welche Richtung sich die Gesellschaft entwickelt. Diese Entwicklung bedroht nämlich die Integrität des Lebens. In einem vor Jahren an eine Moscheegemeinde adressierten Drohbrief hieß es, dass die Nacht kommen werde, an dem „brennende Moscheen den Himmel erhellen.“ Der ehemalige Chef der Düsseldorfer NPD Manfred Breibach nutzte 2011 eine ähnliche Wortwahl: Deutschland werde eines Tages „im Glanze brennender Moscheen erstrahlen.“[8] 2014 verwirklichte sich diese drohende Prophezeiung, als die Berliner Mevlana-Moschee nahezu vollständig ausbrannte.

Diese nahezu lyrisch anmutende Vorstellung brennender Moscheen deutet auf eine erschreckende Hingabe und Entschlossenheit hin. Der Hass, dem sie entspringt, ist kein vergängliches Strohfeuer, sondern sorgfältig durchdacht und ideell tief verwurzelt.

„Er verfestigt und verbreitet sich so lange bis er aus dem Schatten der Ignoranz herausgezerrt, öffentlich thematisiert und bekämpft wird.“

Nur dann kann von einem effektiven Bekämpfen der Islamfeindlichkeit die Rede sein. Grundvoraussetzung dieses Dreiecks bleibt dabei die Erzeugung eines Gespürs und Bewusstseins, die Sensibilisierung für das Thema.

Muslimische Verantwortung

Zusätzlich zu der hier geschilderten Problemlage kommt hinzu, dass auch die muslimische Seite die ihr entgegenschlagende Gefahr teilweise nicht ernst genug zu nehmen scheint.

„Die Abhängigkeit der Reaktionen vom Härtegrad und der Schadenshöhe der jeweiligen Moscheeangriffe indiziert eine Haltung der Unterschätzung weniger intensiver Rechtsverletzungen.“

Geboten ist hingegen das Bewusstsein, dass zwischen einer Wandschmiererei und der Brandstiftung nur ein gradueller Unterschied besteht, der jederzeit überschritten werden kann. Ein Täter, der heute „nur“ das Fenster einer Moschee einschlägt, tut kund, dass er eine hohe psychologische Hürde überschritten hat und ihm das Potenzial gefährlicherer Angriffe innewohnt. Eine etwaige Verharmlosung oder Nichtbeachtung dieses ersten Schrittes trägt zur Konsolidierung des Gefahrpotenzials und damit einhergehend zu einem erhöhten Schadensrisiko bei. Solche Angriffe ernst zu nehmen, bedeutet noch lange nicht die Einnahme einer Opferrolle, sondern ist allenfalls Ausdruck der Behutsamkeit und gleichzeitig eine Schutzmaßnahme.

Die muslimische Gemeinschaft ist dazu angehalten, entsprechend ihrer Forderung nach mehr Sensibilisierung auch selbst diesem Maßstab gerecht zu werden. Dies ist für alle Ebenen der Hierarchie islamischer Organisationen gültig und beginnt auf lokaler Ebene mit der Meldung erlittener Angriffe bei der zuständigen Polizeibehörde. Dass bereits diese Banalität vernachlässigt wird, ist unverständlich. Überhaupt ist die Existenz einer „Dunkelziffer“ Beweis genug für diesen Missstand.

Die Herausforderung für die Verbände und insbesondere für den Koordinationsrat der Muslime in Deutschland (KRM) ist noch sehr viel existenzieller.

„Die kooperative Einrichtung einer gemeinsamen Datenbank zur Erfassung aller Moscheeangriffe stellt eine dringend zu meisternde Aufgabe dar.“

Dieses Erfordernis begründet sich nicht mit den oben geschilderten Defiziten in der polizeilichen Erfassung von Moscheeangriffen, sondern muss langfristig etabliert werden. Gerade nach Einrichtung einer separaten Registrierung islamfeindlich motivierter Straftaten in Polizeistatistiken dient diese Datenbank als Korrektiv zu den staatlichen Zahlen. Außerdem wird hiermit auch ein internationaler Vergleich zur Lage in anderen europäischen Ländern ermöglicht. Es fehlt leider weiterhin an europaweit geltenden Standards für die Erfassung islamfeindlich motivierter Straftaten, sodass an dieser Stelle zumindest die Basis für eine Datenvergleichbarkeit gelegt werden könnte.

Die Erhebung von Forderungen an den Staat ist zweifelsohne gerechtfertigt. Um den Vorwurf der Passivität jedoch von sich weisen zu können, sind auch eigene Initiativen notwendig. Hier ist das Engagement der Zivilgesellschaft gefragt.

[1] In diesem Zusammenhang ist der Begriff der „national befreiten Zone“ im rechtsextremen Milieu interessant.

[2] S. Dokumentationsfilm “Heimvorteil” von Jan Gabriel.

[3] BT-Drs. 17/9523.

[4] Heise-Telepolis, “Ausländerfeindliche und antisemtisische Straftaten werden erfasst, islamfeindliche nicht”, Florian Rötzer, 18.07.2012. In einem Interview von 2015, also drei Jahre nach diesen Aussagen, beklagt Jelpke denselben Umstand: Netz gegen Nazis, “2014 gab es 45 Angriffe auf Moscheen – doch das Ausmaß islamfeindlicher Straftaten bleibt im Dunkeln.”

[5] IslamiQ, „Ab 2017 soll Islamfeindlichkeit erfasst werden“, 30.04.2016.

[6] IslamiQ, “Brandstiftung in Moschee geklärt”, 02.09.2015.

[7] IslamiQ, “Anschläge auf Moscheen – Polizei rät Opfern immer wieder zum Schweigen”, 04.09.2014

[8] Lotta – Antifaschistische Zeitung aus NRW, Ausgabe #46: “Der Hassprediger – Neonazis unter der Lupe: Manfred Breidbach.”

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
Anschläge auf Moscheen sind schlimm. Allerdings gab es in der letzten Zeit auch zahlreiche Anschläge auf Christen (Ermordung eine kathlolischen Priesters durch Islamisten) und Atheisten (Anschlag auf die Reaktion von Charlie Hebdo durch islamische Terroristen) oder in Nizza und Paris wahllose Attentate durch Täter, die sich auf den Islam beriefen. Das soll jetzt nicht heißen, dass alle oder auch nur die Mehrheit der Moslems gewalttätig sind. Unangebracht und wenig hilfreich für den Dialog halte ich allerdings den Tonfall des Artikels, wonach "die Moslems" immer nur die Opfer seien und "die anderen" immer die potentiellen Täter.
29.09.16
8:36
Chris sagt:
@Ute Fabel danke für den Teufelskreis ich liebe diese Relativierungen PROBLEM X ist da und wird relativiert durch PROBLEM Y was haben friedliche Muslime hierzulande mit denen in anderen Ländern zu tun ?
06.10.16
23:46
Ute Fabel sagt:
Es gibt Rechtradikale, die eine Nährboden für Straftaten gegen Muslime schaffen oder selbst Straftaten begehen. Es gibt Muslime, die Opfer von Straftaten sind.Es gibt Muslime, die selbst Straftäter oder einen Nährboden für Straftaten gegen "Ungläubige" sind. Das ist keine Relativierung, sondern einfach eine Darstellung der kompletten Realität.
10.10.16
10:56