Ramadan

Warum Muslime fasten

Der Ramadan, der Fastenmonat der Muslime, dauert an. Sebahat Özcan schreibt für IslamiQ, warum Muslime fasten und warum dies für Nichtmuslime oftmals unverständlich ist.

18
06
2016
Symbolbild: Fastenbrechen. © by raasiel auf Flickr (CC BY 2.0), bearbeitet islamiQ

„O ihr, die ihr glaubt! Euch ist das Fasten vorgeschrieben, wie es den Menschen vor euch vorgeschrieben war; vielleicht werdet ihr gottesfürchtig.“ (Sure Bakara, 2:183)

Einmal im Jahr fasten Muslime einen Monat lang während des Ramadans. Währenddessen essen und trinken sie von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang nichts. Dass ein Mensch gerade im Sommer tagsüber nichts trinkt, ist für viele kaum nachvollziehbar. Umso deutlicher wird der Grund, warum Muslime fasten, erkennbar.

Es gibt verschiedene Gründe, weshalb man gerne versucht, Erklärungen für Dinge zu finden, die man tut. Ein Grund besteht beispeilsweise darin, dass Menschen eine Bestätigung für sich selbst wünschen, um sicherer in ihrer persönlichen Überzeugung zu werden. Wenn jemand aus Überzeugung einem Gebot nachkommt oder sich einer Sache sicher ist, dann ist er oftmals versucht sich zu rechtfertigen und verfällt in eine Erklärungsnot.

Der Prophet Abraham (a) bat Allah mit den Worten „Mein Herr, zeige mir, wie du die Toten lebendig machst.“ Und Allah antwortete ihm: „Glaubst du etwa noch nicht?“, und er sagte: „Doch! Aber ich möchte in meinem Herzen ganz sicher sein.“ (Sure Bakara, 2:260). Dennoch bat er um eine Bestätigung für das, woran er glaubte. Er wollte es mit seinen eigenen Augen sehen. Die Bestätigung, die er daraufhin bekam, festigte ihn noch tiefer in seiner Überzeugung.

Erklärungsnot und Unwissen

Ein weiterer Grund ist der Versuch, vor Menschen, die einen in Erklärungsnot bringen, nicht irrational erscheinen zu wollen. Wie soll ich einem Nichtmuslim erklären, warum ich faste? „Weil mein Schöpfer es so will.“, lautet eigentlich die einzige Antwort. Aber vielen fällt es schwer, es dabei zu belassen. Man nennt einige der Gründe, die einem bekannt sind. „Fasten ist gut für die Gesundheit.“, „Es erinnert mich daran, wie gut wir es eigentlich haben.“, „Es fördert die Empathie gegenüber Bedürftigen.“, „Es ist schön, sich mal stundenlang nicht mit Essen zu beschäftigen.“, „So lerne ich Disziplin und Selbstbeherrschung.“, „Es stärkt meine Willenskraft.“, und was man noch alles sagen kann. Diese Erklärungen treffen sicherlich zu, doch sie reduzieren das Fasten auf einzelne Effekte unter den endlosen Weisheiten, die in ihm stecken. Einem Muslim sind tatsächlich viele positive Aspekte des Fastens bekannt. Und er weiß, wenn Allah etwas von ihm erwartet, dann hat es immer einen Sinn – wenn auch nicht direkt erkennbar. Aber der Sinn dessen ist nicht der Grund, weshalb er fastet.

Der Grund, weshalb er fastet, ist der modernen Welt fremd. „O ihr, die ihr glaubt! Euch ist das Fasten vorgeschrieben, wie es den Menschen vor euch vorgeschrieben war; vielleicht werdet ihr gottesfürchtig.“ (Sure Bakara, 2:183) Es gibt für den Muslim in seinem gesamten Dasein kein höheres Ziel als das Wohlgefallen seines Schöpfers zu erlagnen. „Wir hören und gehorchen. Schenke uns deine Vergebung, unser Herr! Und zu dir ist die Heimkehr!“ (Sure Bakara, 2:285)

Zu gehorchen, Demut zu zeigen, Ehrfurcht zu empfinden, sind in der heutigen Welt negativ besetzte Begriffe. Man kann sie kaum aussprechen, ohne dass man belächelt oder verurteilt wird, weil einem Unmündigkeit vorgeworfen wird. Für die meisten Menschen ist es kaum vorstellbar, dass man in Gottergebenheit Erfüllung finden kann. Es gibt anerkannte Normen innerhalb der Gesellschaft. Alles, was der Norm entspricht, braucht sich nicht zu rechtfertigen. Alles, was davon abweicht, muss sein Handeln und Denken immer wieder rechtfertigen. Dabei darf die Norm entscheiden, ob die Rechtfertigung vertretbar ist oder auch nicht. Mündigkeit wird dem abgesprochen, der sich entscheidet, Gott ergeben zu leben. Aber mündig ist scheinbar der, der Kant zitiert. Es bleibt außer Acht, wie dogmatisch und gewaltsam der Rationalismus zwischenmenschliche Beziehungen prägt, wo er ja heutzutage dominiert.

Leserkommentare

Wolf D. Ahmed Aries, Hannover sagt:
In einer Gesellschaft, in der die transzendentale Offenheit des Menschen für obsolet gehalten wird, ist die bewußte Hinwendung zu ihr und die daraus folgende Bewältigung seit der europäischen Aufklärung eine gesellschaftliche Art "Dummheit", die die Aufgeklärten nur belächeln können.Muslime jedoch bekennen sich zu jener Offenheit, indem sie bezeugen, daß es einen Schöpfere des Seins gibt, also auch des humanen Seienden. Wer dies bekennend leben will, der muß in seinem Alltag das stille und manches Mal aggressive Lächeln der Anderen ertragen lernen. Dies ist schon bei den täglichen Gebeten hin und wieder unangenehm, so daß Muslime die wundervolle Geste der Hingabe, des Gebetes christlich formuliert, zurückgezogen vollziehen. Im Ramadan ist die liebevolle Hinghabe an den Einen jedoch stärker als aller saecularer mépris, so daß sich zahlreiche Muslime regelrecht nach dem Fasten und dem Klang des Tadjwid sehnen, dem Klang des vorgetragenen Qur´an.
12.06.15
18:42
Mehmet G. sagt:
Sowohl Muslime als auch Nicht-Muslime wissen leider viel zu wenig über die "Hikma" (Weisheit) des Fastens. Daher reicht es nicht aus, dass Muslime sich mit der einfachen und (relativ oberflächlichen) Antwort „Weil mein Schöpfer es so will.“ begnügen. Gerade wenn Muslime nicht nach der Weisheit der Gottesdienste und anderen Handlungen fragen, besteht die Gefahr, dass diese Handlungen/Gottesdienste ohne spirituellen Geist und Effekt geleistet werden. Letztendlich ist das "Unverständnis" gegenüber dem Fasten nur natürlich. Ohne diese Haltung derjenigen zu kritisieren/vorzuwerfen muss das Fasten dargelegt werden. Der oben oft zitierte Vers "...vielleicht werdet ihr gottesfürchtig" 2:285 zeigt auf das Ziel. Leider wird der Vers weder eingehend gedeutet noch in einen größeren Kontext eingeordnet....
14.06.15
10:31
Leonie G. sagt:
Die spezielle Art "Fasten", die Muslime im Ramadan praktizieren, ist ja auch besonders seltsam. Schließlich gibt es kaum etwas Ungesünderes als tags zu fasten, sich dann aber nachts auf Essen zu stürzen. Trinken weglassen ist sowieso ungemein schädlich. Was uns "Ungläubige" so unverständlich ist, ist die mangelnde historische Interpretation dieser Vorschriften. Es mag gute Gründe gegeben haben in einem mittelalterlichen Wüstenvolk, tagsüber zu fasten und nachts zu essen - aber hier und heute in den Städten ist das doch ziemlich unsinnig. Warum also interpretiert man das Fastengebot nicht "aus seiner Zeit" und passt es heutigen Bedingungen an?
16.06.15
10:21
Manfred sagt:
"Debatte" steht über diesem Blog. Leider scheint das nicht besonders ernst gemeint zu sein, sonst würde jemand auf die Frage von Leonie G. eingehen, die auch ich mir immer wieder stelle angesichts der seltsamen und extrem ungesunden/belastenden Fasten-Form der Muslime. Schon allein "von Sonnenaufgang bis Untergang" - und dann übers Jahr zu immer wieder unterschiedlichen Zeiten. Der Prophet hatte doch gewiss nicht Europa im Blick mit seinen im Sommer ungemein langen Tagen und im Juni nur max, 3,5 Std. langer Nacht!
17.06.15
10:13
HC sagt:
Wir Muslime glauben daran, dass das Festangebot nicht auf eine bestimmte Zeit beschränkt ist. Das Festangebot gibt es seit es Religionen gibt, also seit es die Menschheit gibt, und sie wird wahrscheinlich andauern, bis die Menschheit nicht mehr existiert. Dass sie an bestimmten Kontinenten ausfallen kann/muss, oder an heißen Sommertagen das Fasten aufgehoben werden kann, stimmt mit der Absicht des Fastens nicht überein und hat so auch keine Relevanz für einen Muslim. Die Absichten des Fastens sind reichlich viel: Körperreinigung, Magenschonung, vermehrte Seelenversorgung mit Enthaltung aller schlechten Dinge wie schlechte Aussagen, schlechte Taten etc., viel Koranlektüre, eine sonderbare und beabsichtigte Erinnerung an die Taten des Propheten usw. Ob das alle Muslime so machen, das ist eine andere Sache, aber diese und andere Sachen gehören zu den allgemein akzeptierten Absichten des Ramadanfastens. Da kann dann die Temperatur, die Dauer eigentlich egal sein. Wenn man am Ende des Fastenmonats sich seelisch und körperlich fitter fühlt, dann hat man das Ziel erreicht, denke ich. Zum Wassertrinken kann ich sagen; es ist zwar schwierig 19 Stunden auf Wasser zu verzichten, aber zum Fastenbrechen, währenddessen und danach wird das wieder aufgeholt. Und ich denke, dass die meisten Muslime auch wissen, dass Wasser trinken wichtig ist. Ich persönlich achte zum Beispiel sehr darauf, auch auf eine gesunde Ernährung. Es gibt wahrscheinlich Leute/Muslime, die sich auf das Essen stürzen, weil sie auch genau wie andere Menschen unter den vielen vielen Menschen auf der Erde auf ihren Körper nicht achten, oder eine gesunde und ausgewogene Ernährund unnötig finden, es nicht kennen sich gesund zu Ernähren oder ähnliche Sachen. Das hat dann nichts mit der Religion zu tun, sondern mit dem Essverhalten eines jeden Menschen. Aber es gibt sehr viele Muslime, die auf eine ausgewogene Ernährung achten, die ihr leeren Magen vorerst mit Substanzen füllen, die ihren Blutzuckerwert nur langsam ansteigen lassen und so den Magen und den Darm nicht belasten, sondern eher entlasten und die Darmflora positiv beeinflussen; sich mit Vitaminreichen Lebensmitteln ernähren, auf den Vitamingehalt der Lebensmittel achten, sich von Zucker fernhalten oder weniger Brot essen usw. Zu diesen Muslimen zählen vor allem meiner Meinung nach junge Muslime, die in Deutschland/Europa geboren und aufgewachsen sind. In diesem Zusammen kann ich sagen, kein Muslim geht davon aus, dass das Fasten "leicht" ist oder ein Zuckerschlecken ist. Es ist eine für den Körper eine sinnvolle Auszeit und für den Geist eine nährreiche Zeit, aber sie erfordert wie alle anderen Gottesdienste oder gar Aktivitäten des Menschen eine bestimmte Selbstdisziplin und eine Planung, die den "Sinn" in sich birgt.
22.06.15
20:23
Suleiman sagt:
Um sich Klarheit über das Fasten der Muslime zu verschaffen, sollten zunächst einige Umstände klargemacht werden. Der Maßstab, nach dem entschieden wird, ob der Muslim fastet oder nicht, ist nicht der Nutzen/Schaden Maßstab, über den man selber entscheidet. Also nicht: Meine ich, dass es mir nutzt, so faste ich; meine ich, dass es mir nicht nutzt oder gar schadet, so faste ich nicht. Das ist denke ich der Knackpunkt über das Unverständnis vieler Nichtmuslime bezüglich des Fastens oder auch mancher anderer Gottesdienste. Der Maßstab besteht vielmehr darin, eine auferlegte Pflicht zu erfüllen und das reicht dem Muslim aus. Schließlich ist er davon überzeugt, dass es einen Schöpfer gibt, Allah, der Erhabene, und dass es nach dem Leben eine Belohnung für das Ausführen der Pflichten aber auch eine Bestrafung beim Auslassen derselben gibt. Gelegentlich teilt Gott den Muslimen auch bestimmte Vorzüge mit, wie z. B. dass etwa das Fasten dazu führen kann, dass die Gottesfurcht sich mehrt, weil man schnell merkt, wie abhängig man als Mensch eigentlich ist von so scheinbar trivialen Dingen wie Essen und Trinken. Was den Aspekt der Gesundheit betrifft: Natürlich ist es eine Entbehrung, gerade an den langen Sommertagen, aber diese Betrachtung spielt keine Rolle, weil es einfach kein Heilfasten ist und Gesundheit somit nicht der Zweck des musl. Fastens ist. Der gesundheitliche Aspekt ist also irrelevant. Ansonsten müsste man auch konsequenterweise diskutieren den Sinn oder Unsinn von Alkoholkonsum in der Gesellschaft (10.000nde Unfalltote im Jahr) oder ähnliche Phänomene, da fehlt mir das öffentliche Unverständnis, das hier irgendwie zu fehlen scheint. Schlussendlich, wenn man beachtet, dass die kritischen Gruppen, wie Kranke oder Schwangere, von der Fastenpflicht befreit sind, so ist noch keiner davon krank geworden oder hat bleibende Schäden hinterlassen. Ich jedenfalls fühle mich gerade bestens und koche mir und meinen Liebsten jetzt was leckeres zum Fastenbrechen!
23.06.15
21:10
otto sagt:
@Suleiman
Der Maßstab, nach dem entschieden wird, ob der Muslim fastet oder nicht, ist nicht der Nutzen/Schaden Maßstab, über den man selber entscheidet. Also nicht: Meine ich, dass es mir nutzt, so faste ich; meine ich, dass es mir nicht nutzt oder gar schadet, so faste ich nicht.t
News Hitzewelle in Pakistan - Fasten brechen, um zu überleben.Die Lage in Pakistan wird immer dramatischer. Durch die Folgen der Hitzewelle starben in den vergangenen Tagen alleine in Karatschi mehr als 780 Menschen. Dieser dein "Maßstab" endet für viele tödlich.
24.06.15
12:36
HC sagt:
Also sterben Leute, weil es zuuu warm ist, oder weil sie fasten? Sagen wir mal man würde an einem sehr heißen Sommertag nicht fasten und permanent Wasser trinken zum Beispiel; ab einer gewissen Menge tritt eine Wasservergiftung auf. Wo liegt dann die Lösung? Sollte man dann mehr essen, mit der Hoffnung, dass einem die Hitze nichts antut? Bei einer Temperatur, die bis 45 Grad und sogar mehr reicht, steigt allein wegen dieser Gegebenheit die Wahrscheinlichkeit für einen Tod, egal ob man satt ist oder nicht.
24.06.15
14:14
otto sagt:
@HC die Menschen Sterben weil sie dehydrieren auf Grund der Hitze. Würden sie ausreichend Wasser trinken würden Sie nicht dehydrieren und infolgedessen auch nicht Sterben.
24.06.15
16:40
Nuriye sagt:
Kranke, Ältere, Kinder, Frauen, die schwanger sind oder ihre Periode haben, müssen nicht fasten. Wenn man durch das Fasten körperliches Leid erfährt, darf man es auch brechen, man soll sogar. Es war doch zu erwarten, dass es solche Schlagzeilen geben wird, Herr Otto. Ich verstehe nicht, warum das Fasten so dramatisiert wird. Steckt da wirklich Sorge hinter oder möchte man einfach nur kundtun, wie doof man es findet? Ich halte es auch für unangebracht immer Ausnahmebeispiele heranzuziehen, um seine Kritik zu äußern. Auch in Deutschland sterben im Sommer vor allem ältere Menschen während der Hitzewellen.
24.06.15
17:42
1 2