Niedersachsen

Neue Entwicklung bei Staatsvertrag mit Muslimen

Jahrelange Vorarbeiten, inhaltliche Kontroversen und Tauziehen um Formulierungen: Der Staatsvertrag mit den Muslimen in Niedersachsen ist eine schwierige Geburt. Nun geht es auf die Zielgerade.

15
06
2016
Stephan Weil
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) © by SPD in Niedersachsen auf Flickr (CC BY-SA 2.0), bearbeitet islamiQ

Nach langem Tauziehen geht Niedersachsen beim Staatsvertrag mit den Muslimen auf die Zielgerade. Über einen überarbeiteten gemeinsamen Vertragsentwurf wollen die Landtagsfraktionen noch im Sommer entscheiden, erklärten die Fraktionsvorsitzenden nach Beratungen mit Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und den islamischen Religionsgemeinschaften am Dienstag. „Die Vereinbarung dient der Integration und dem guten Miteinander in Niedersachsen“, sagte Weil. „Es ist gut, dass die gesamte Landespolitik und die muslimischen Verbände in Niedersachsen einen gemeinsamen Weg gefunden haben.“

Wie zuvor bereits in Hamburg und Bremen soll in dem Rahmenvertrag das Verhältnis des Bundeslandes zu den islamischen Religions-
gemeinschaften mit gegenseitigen Rechten und Pflichten festgehalten werden. Dabei geht es unter anderem um Regelungen zum islamischen Religionsunterricht, zur Seelsorge in Krankenhäusern und Gefängnissen sowie zum Moscheebau und Bestattungswesen.

Ein neuer Aspekt in dem Entwurf ist, dass die Beteiligten sich auf eine Partnerschaft gegenüber „Islamismus“ und Islamfeindlichkeit verständigen möchten. Dies ist in Staatsverträgen mit Religionsgemeinschaften – etwa christlichen oder jüdischen – nicht üblich. Daher ist damit zu rechnen, dass es zu Diskussionen kommen wird.

Freude über die Entwicklung

Nachdem der von der Landesregierung in mehrjähriger Vorarbeit im Dezember vorgelegte Vertragsentwurf zu vielfältiger Kritik und Veränderungsvorschlägen geführt hatte, formulierten die Fraktionen und Religionsgemeinschaften am Dienstag Vorschläge für einen Kompromiss.

„Uns ist heute der Durchbruch gelungen“, sagte die SPD-Fraktionsvorsitzende Johanne Modder. Sie hofft nun auf eine schnelle Einigung nach den Sommerferien. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Anja Piel bedankte sich für die konstruktiven Gespräche auch unter Mitwirkung der Opposition. „Mit dem gemeinsamen Blick auf die Chancen des Islamvertrages ist es uns gelungen, die unterschiedlichen Wünsche bei der Vertragsausgestaltung miteinander in Einklang zu bringen.“

Auch der Vize-Vorsitzende der FDP-Fraktion, Stefan Birkner, betonte den Kompromisswillen aller Beteiligten. „Der heute gemeinsam formulierte Kompromissvorschlag hat nahezu alle Forderungen und Kritikpunkte der FDP berücksichtigt.“ Vor einem Abschluss der Verträge müssten diese noch intern von den Fraktionen und muslimischen Gemeinschaften intern diskutiert werden.

CDU-Fraktionschef Björn Thümler sprach von weiterhin schwierigen Verhandlungen und weiterem Gesprächsbedarf. Eine Neufassung des Vertrages soll auch noch einmal dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtages vorgelegt werden.

Wie geht es jetzt weiter?

Die mündlichen Vereinbarungen werden jetzt schriftlich ausgearbeitet und anschließend in den islamischen Religionsgemeinschaften, DITIB und Schura, beraten. Dann wird der Entwurf nach der parlamentarischen Sommerpause auch in den Fraktionen diskutiert. Sofern dabei eine Zustimmung erzielt werden kann, soll es möglichst zeitnah nach der Sommerpause zu einer Befassung im Landtag kommen. Andernfalls würde es weitere Verhandlungen geben. (dpa, iQ)

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
Staatsverträge mit ausgewählten Religionsgemeinschaften sind der völlig falsche Weg und nur ein weiterer Schritt in Richtung Ungleichbehandlung von Religionen und Weltanschauungen. Es gibt nicht nur Katholiken, Evangelische, Juden und Moslems sondern viele andere religiöse und weltanschauliche gesellschaftliche Gruppen, die vom Staat nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen. Ein einheitliches Religionen- und Weltanschauungsgesetz mit den gleichen Rechten und Pflichten für alle wäre der richtige Ansatz, welcher den europäischen Gleichbehandlungsstandards entspricht.
16.06.16
7:57
Düsselbarsch sagt:
@ Ute Fabel Sie argumentieren richtig, rennen aber offene Türen ein. Es gibt bereits Staatsverträge mit nichtreligiösen weltanschaulichen Gruppen wie z.B. den Freidenkern. Dieser Weg steht also auch anderen Gruppen offen.
19.06.16
19:05