Islamfeindlichkeit

Verharmlost Bundesregierung den Anti-Islam-Extremismus?

In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion benennt die Bundesregierung erstmals ein Phänomen des „Anti-Islam-Extremismus“. Trotzdem werden offen Hass verbreitende Blogs weiterhin nicht als extremistisch eingestuft.

12
06
2014
0

Seit Jahren beobachtet der Koordinationsrat der Muslime (KRM) einen Anstieg bei Übergriffen und Angriffen auf muslimische Einrichtungen und Moscheen. In vielen Fällen stehen laut KRM die Ansichten der mutmaßlichen Täter fest – durch Schmierereien, Schweinsköpfe oder anti-muslimische Symbole.

Doch der Hass auf Muslime beginnt oft schon im Netz. Webseiten wie „Politically Incorrect“ bilden das geistige Fundament für den Hass auf Islam und Muslime. Die Linksfraktion im Bundestag wollte von der Bundesregierung, auch im Hinblick auf diese Erkenntnisse, wissen, ob sie ein „neues, eigenständiges Phänomen extremistischer Ausprägung“ bei islam- bzw. muslimfeindlichen Internetseiten, Parteien und Organisationen erkennt. ((Drucksache 18/1442))

Die listet in ihrer Antwort ((Drucksache 18/1627)) zahlreiche Übergriffe und Fälle, die aus „fremdenfeindlichen Motiven“ heraus begangen wurden, auf, und ordnet sie dem Spektrum der Islamfeindlichkeit zu. Es werden auch Erkenntnisse und Hinweise zu bestehenden Organisationen und Parteien, aber auch zum Weblog „Politically Incorrect“ aufgelistet.

Anti-Islam-Extremismus

Die Verfassungsschutzbehörden unterziehen laut Bundesregierung „islamfeindliche Agitation, Aktivitäten und Straftaten von Personenzusammenschlüssen einer ständigen Prüfung auf die Herausbildung eines „Anti-Islam-Extremismus“ als einer neuen Form des Extremismus“. Diese entziehe sich der Einordnung in einen bisherigen Phänomenbereich. Allerdings lägen derzeit nur wenige tatsächliche Anhaltspunkte für die Existenz einer solchen „verfassungsschutzrelevanten Islamfeindlichkeit als eigenständigem Phänomen“ vor.

Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Landesverfassungsschutzämter, die in bestimmten Bundesländern Parteien und eben auch das Weblog „Politically Incorrect“ im Visier haben. Dennoch besteht die Bundesregierung weiterhin auf der Einschätzung, dass es sich bei „Politically Incorrect“ um eine „islamkritische, populistische und an der Grenze zu einer verfassungsschutzrelevanten Islamfeindlichkeit stehende Webseite“ handelt, die „insbesondere in den Kommentarbereichen in zum Teil drastischer Weise eine starke Ablehnung gegenüber dem Islam erkennen“ lässt.

Scharfe Kritik von Linkenpolitikerin Ulla Jelpke

Die Linkenpolitikerin und innenpolitische Sprecherin der Partei Die Linke, Ulla Jelpke, ist von der Antwort der Bundesregierung enttäuscht. Sie fragt in scharfem Ton: „Wie viele Kübel hasserfüllten Drecks bis hin zu offenen Gewaltdrohungen muss das Internetportal Politically Incorrect noch über Muslime ausschütten, bis die Bundesregierung die von ihr benannte „Grenze zu einer verfassungsschutzrelevanten Islamfeindlichkeit“ überschritten sieht?“ Jelpke verweist auch auf die Erkenntnisse aus der kürzlich vorgestellten „Mitte-Studie“ der Universität Leipzig. Diese zeige, dass die Ablehnung und Feindschaft gegenüber Muslimen bis tief in die Volksparteien hineinreiche.

Auch kritisiert Jelpke, dass die Bundesregierung sich weiterhin beharrlich dagegen sperre, den Themenfeldkatalog der Hasskriminalität auf das Unterthema „islamfeindlich“ oder „muslimfeindlich“ zu erweitern, wie es im Falle antisemitischer Straftaten längst geschehen sei – eine Forderung, die der KRM auch seit einigen Jahren erhebt, der aber bei den politisch verantwortlichen auf taube Ohren stößt. Muslimfeindlichkeit gehört laut Jelpke ebenso geächtet wie Antisemitismus. Sie verlangt, die „Verharmlosung durch die Bundesregierung“ müsse ein Ende haben.