Halal-Schlachtung: Verbot in Polen

Das neue Gesicht der Islamophobie in Europa

Im November wurde aufgrund der Klage von Tierschützern vor dem polnischen Verfassungsgericht das betäubungslose Schlachten von Tieren in Polen untersagt. Der Grund dieses am 1. Januar 2013 in Kraft getretenen Verbotes ist, dass diese Art von Schlachtung eine „Qual“ für die Tiere darstelle. Somit wurde die im Jahre 2004 eingeführte Erlaubnis zur Halal-Schlachtung aufgehoben.

07
10
2013

Das Verbot der Halal-Schlachtung in Polen verweist auf eine Lücke in den diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmungen der Europäischen Union, die im Jahre 2009 eingeführt wurden. In dem damaligen Gesetzesentwurf heißt es, dass alle europäischen Staaten ihre Tiere per Betäubung oder Schock schlachten sollen. Weiter heißt es, verschiedene religiöse Rituale können eine Ausnahme bilden. Dies festzustellen liege bei dem jeweiligen Staat selbst. Somit haben die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union die Möglichkeit bekommen, die unter bestimmten religiösen Ritualen durchgeführten Schlachtungen zu untersagen. Nachdem der erste Beschluss, der noch im Rahmen der neuen Bestimmungen am 1. Januar 2013 in Kraft getreten ist, sprach man von einer Antisemitismuswelle in Polen. Die Äußerungen einiger muslimischer Vertreter betonten ebenfalls, dass dieser Beschluss nicht akzeptabel sei.

Das in der Öffentlichkeit langatmig diskutierte Verbot wurde im Juli vom Parlament aufgegriffen. Und zwar nicht, weil man die Praxis der vielen Religionsangehörigen respektieren wollte, sondern nur aus wirtschaftlichen Gründen. Demnach wurde dem Parlament der Gesetzesentwurf vorgeschlagen, um den möglichen 200-Millionen-Euro-Verlust im Halal/Koscher-Fleischsektor, in dem Polen bisher in Europa Vorreiter ist, zu verhindern. Dieser Entwurf wurde aber mit 178 zu 222 Stimmen abgelehnt. Somit kam der Entwurf, der der Halal-Schlachtung den Weg öffnen sollte, nicht durch das Parlament.

Das Verbot basiert auf zweifelhaften Gründen

96 % der 38 Millionen Einwohner Polens gehören dem katholischen Glauben an. Polen ist damit der religiös homogenste Staat Europas. Von den restlichen 4 % der Einwohner sind 25.000 bis 35.000 tatarische Muslime, die einst aufgrund kriegerischer Auseinandersetzungen in ihrer Heimat nach Polen ausgewandert sind. Abgesehen davon gibt es auch polnische Muslime und muslimische Studenten, die das Land für ein Studium aufgesucht haben und jetzt dort leben. Im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten wurde der Islam in Polen schon relativ früh, im Jahre 1936, anerkannt. Dies führte dazu, dass sich zahlreiche islamische Gemeinden bildeten. Polnische Muslime klagen jedoch über ein fehlendes gemeinsames Handlungskonzept. Denn obwohl das Verbot vor rund einem Jahr eingeführt wurde, blieben die Reaktionen der rund 30.000 Muslime in Polen gering. Für den Aufbau eines gemeinsamen Auftretens ist es aber enorm wichtig, die Kampagnen und unduldsamen Aussagen im Zusammenhang mit dem Halal-Verbot in Polen sowie in anderen Staaten Europas zu analysieren. Denn hinter solchen Verboten steckt nicht nur eine Einschränkung hinsichtlich der religionskonformen Fleischerzeugung, sondern oft ein viel tieferes Problem. Laut einigen Spezialisten ist hierbei nicht von zentraler Bedeutung, dass es Unterschiede im Hinblick auf die Art und Weise der Schlachtung in den jeweiligen Rechtsschulen gibt, oder dass die religiösen Regelungen die heutigen technologisch ausgeführten Schlachtungen nur schwer beurteilen können. Es ist vielmehr die wachsende Gleichgültigkeit gegenüber religiösen Sensibilitäten der Muslime und die allmählich schwieriger werdende Existenz unterschiedlicher religiöser Ansichten in Europa. Zudem verdeutlichen Spezialisten, dass das nach Norwegen und der Schweiz nun auch in Polen eingeführte Verbot der Halal-Schlachtung unter dem Mantel des Tierschutzes eigentlich nur eine weitere Rechtsverletzung bedeutet.

Abraham Foxmann, der Direktor der ADL (Anti Defamation League) Organisation, welcher Einwände gegen das Verbot erhoben hat, spricht von drei Alternativen für die Muslime und Juden, die aus dem Verbot resultieren. Demnach zwingt Polen die Muslime und Juden entweder kein Fleisch zu essen, die Regeln ihrer Religion nicht zu beachten oder das Land zu verlassen. Alle diese Alternativen deuten auf eine ernsthafte Rechtsverletzung hin und bringen Muslime und Juden in eine schwierige Situation. Die Botschaft hinter den öffentlichen Diskussionen über dieses Verbot ist noch erschreckender: Die Verbindung der Halal/Koscher-Schlachtung mit Tierquälerei deutet auf einen systematischen Eingriff in das muslimische und jüdische Weltbild hin. Dies führt in der Folge dazu, dass viele andere Staaten sich auch berechtigt sehen, religiöse Menschen ihrer Freiheit zu berauben, ihr Leben gemäß religiöser Normen zu gestalten.

Angesichts der kritischen Situation in Polen sind die Tierschützer darum bemüht, die Gelegenheit zu nutzen, um ihr Anliegen in ganz Europa zu organisieren. Vor allem die Sprache der verbotsunterstützenden Publikationen der Gazeta Wyborcza beispielsweise entfremdet die Muslime ihrer eigenen Heimat. Alleine dieser Entfremdungsmechanismus ist schon Grund für viele Nachteile, die das Verbot für die Muslime mit sich bringt.

Neben diesen besorgniserregenden Ereignissen hat sich in Europa ein weiterer neuer Trend verbreitet: die Organisation von Kampagnen mit unterschiedlichen Mottos gegen Muslime. Die in den meisten europäischen Staaten für Wahlkampagnen benutzten Slogans gegen den Islam werden heute auch von zivilen Organisationen verwendet. „Nein zum Minarett“, „Nein zur Halal-Schlachtung“, „Nein zum Kopftuch“, „Einwanderer sind nicht willkommen“ und ähnliche beängstigende Slogans strahlen eine immer tiefer werdende Intoleranz aus. In dieser Atmosphäre werden die Muslime zudem auch noch instrumentalisiert. Die Halal-Schlachtung wird zum Beispiel nur aus wirtschaftlichen Gründen unterstützt. Oder zur Wahlzeit wird mit der Absicht Stimmen zu ergattern, das Versprechen für ein Verbot der Halal-Schlachtung gegeben.

Es ist nicht verwunderlich, dass keine politischen Maßnahmen ergriffen werden, um der Islamophobie entgegenzuwirken, wenn schon bei den Wahlkampagnen entfremdende Äußerungen über Muslime zur Gewohnheit geworden sind. Es ist auch nicht anzunehmen, dass die Diskussionen in Europa über die Halal-Schlachtung ein Ende nehmen werden, solange bis Politiker verstehen, was für verheerende Resultate ihre entfremdenden Aussagen hervorrufen.

Übersetzung: Hacer Çakmak
Erstveröffentlichung: September/Oktober-Ausgabe der Zeitschrift „Perspektif“

Leserkommentare

cairn sagt:
"Neben diesen besorgniserregenden Ereignissen hat sich in Europa ein weiterer neuer Trend verbreitet: die Organisation von Kampagnen mit unterschiedlichen Mottos gegen Muslime." Ist es nicht eher so, das Muslime immer mehr Forderungen stellen, die nie Thema waren, was diese Kampagnen notwendig macht ? Selbstverschuldetes Elend.
14.12.14
2:04
Laila Mechem sagt:
Dieses spezielle Schlachtungs-Verbot zeigt den Weg in die richtige Richtung.
15.12.16
2:42
Kritika sagt:
L.S. Betäubungsloses schlachten verursacht unnötig TierLeid. Es sollte überall verboten sein, egal, was die Moslems darüber denken. Gruss, Kritika
28.02.17
0:51