Tag der Organspende

Organspenden retten Leben

Nach Skandal um Manipulation bei Organtransplantationen ist die Zahl von Organspenden in Deutschland deutlich gesunken. Eine neue Kampagne des Gesundheitsministeriums soll Abhilfe schaffen. Auch Muslime und Religionsgemeinschaften beschäftigen sich intensiv mit dem sensiblen Thema.

01
06
2013
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„Ich dachte immer, so etwas könnte mir nicht passieren“, sagt Muharrem S.* Eine Fehlfunktion der Nieren hat sein Leben aus den Fugen gerissen. Seit zwei Jahren geht der frühere Fabrikarbeiter mehrmals die Woche in ein Krankenhaus im bayrischen Garmisch-Patenkirchen. Für mehrere Stunden ist er dort an die Dialysemaschine angeschlossen. Sein Blut wird gereinigt, weil die vorhandenen Nieren dies nicht mehr machen können.

Seine reguläre Arbeit musste der mittlerweile 52jährige aufgeben. Er hatte glücklicherweise eine Berufsunfähigkeitsversicherung, die jetzt für ihn sorgt. Doch Muharrem S. würde gerne wieder etwas mobiler und aktiver sein. Dafür fehlt es aber an einem Spenderorgan. Ob er jedoch je ein Spenderorgan bekommen wird, weiß Muharrem S. nicht. Normalerweise kann es ein paar Wochen bis Monate dauern hatten ihm die Ärzte damals gesagt. Jetzt wartet er schon seit zwei Jahren.

Folgen des Transplantationsskandals

Es liegt nicht am Krankenhaus oder den Ärzten, dass S. noch keine Niere erhalten hat. Die Richtlinien für die Vergabe von Spenderorganen sind sehr streng, aber auch kompliziert. Sie sind teilweise so undurchsichtig, dass es eben vorkommen kann, dass ein dringend benötigtes Organ für eine Person nicht gefunden wird. Vor allem mit dem zunehmenden Alter sinken die Chancen für Patienten auf ein Spenderorgan.

Dass es nur wenige Spenderorgane gibt, liegt nicht zuletzt auch an dem aufgeflogenen Transplantationsskandal. Jahrelang hatten Ärzte und Krankenhäuser im verdeckten Organspenden manipuliert. Der Skandal erschütterte das Vertrauen der Menschen in die Organtransplantation und ihre Organisation. Die Zahl der Organspenden sind seit Bekanntwerden des Skandal merklich zurückgegangen. Allein im letzten Jahr sank die Zahl der Organspenden auf 1046. Im ersten Quartal 2013 gab es sogar nur 230 Organtransplantationen – ein Minus von 18% im Vergleich zum Vorjahr.

Neue Gesetze und Kampagnen sollen helfen

Jetzt arbeitet der Gesetzgeber an einer Lösung des Problems.

Informieren Sie sich! Auf der gemeinsamen Seite www.organspende-info.de finden Sie die
Online-Angebote des Bundesministeriums für Gesundheit und der Bundeszentrale
für gesundheitliche Aufklärung zum Thema Organ- und Gewebespende.

Einerseits wird eine neue gesetzliche Regelung für die Rahmenbedingungen und Organisation von Organspenden angestrebt, andererseits auch neue Kampagnen als Werbung für Organspenden vorangetrieben. So startete Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) eine neue Werbekampagne mit dem Motto: „Das trägt man heute: den Organspendeausweis“

Für die Werbung für das wichtige Thema werden auch vermeintliche Randgruppen mit ins Boot geholt. So ist der Zentralrat der Muslime (ZMD) derzeit stark am Werben für den Organspendeausweis und schult mit diversen Aktionen auch eigenes Personal. Dabei wird der muslimische Zentralrat auch von der BKK und der Deutschen Stiftung für Organspende (DSO) tatkräftig unterstützt.

Theologische Probleme

Das Bündnis ist allerdings nicht ohne Risiko. Krankenkassen haben natürlich ein eigenes Interesse, was das Thema Organspenden angeht. Die BKK möchte die muslimische Bevölkerung für Organspenden gewinnen und hat zusammen mit dem ZMD in Nordrhein-Westfalen ein Seminar für Multiplikatoren durchgeführt. „Dabei ging es um die medizinischen und religiösen Aspekte der Organ- und Gewebespende und die Information darüber, dass der Islam sie positiv bewertet“, heißt es von Seiten der BKK.

In vielen muslimischen Ländern ist die Organspende allerdings weiterhin nicht endgültig und abschließend geklärt. Es gibt Streitthemen, unter anderem auch zur Frage, wann ein Mensch eigentlich wirklich als tot zu betrachten ist. Diese oft ethischen, religiösen und medizinischen Fragen, haben dazu geführt, dass es keine einheitlichen Standards von Muslimen beim Thema Organspende gibt.

Religionsgemeinschaften preschen vor

Trotzdem hat sich der ZMD entschieden, einen Weg zu gehen, bei dem generell jede Spende als erlaubt angesehen wird. „Der Islam will die Erleichterung und tendiert zur Erlaubnis und setzt damit ein wichtiges Zeichen für die menschliche Solidarität“, sagt ZMD-Vorstandsmitglied Houaida Taraji. „Für uns Muslime ist von großer Bedeutung, dass diese Einsichten nicht nur im Einklang mit unserem Glauben stehen, sondern darüber hinaus vom Glauben geboten und gewollt sind,“ führt Taraji abschließend aus.

Auch andere Religionsgemeinschaften sind stärker auf das Thema aufmerksam geworden. So hat die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) eine neue Stellungnahme aus theologischer Sicht zum Thema präsentiert. So heißt es in einer Erklärung: „Zunächst darf die Organtransplantation kein wirtschaftliches Geschäft sein. Das heißt, dass der Organspender oder seine Nahestehenden hierfür kein Geld fordern dürfen. Zudem muss der Spender vor seinem Tod bzw. seine Hinterbliebenen nach seinem Tod der Organtransplantation zustimmen. Damit eine Organtransplantation durchgeführt werden kann, ist außerdem erforderlich, dass der Tod eindeutig festgestellt wird. Geht es aber zum Beispiel um eine Nierentransplantation eines lebenden Menschen, so darf die Gesundheit des Spenders nicht gefährdet werden. Sofern diese Grundprinzipien eingehalten werden, ist die Organtransplantation unserer Auffassung nach religiös zulässig.“

Muharrem S. hat jedoch bisher keine passende Niere erhalten. Er wartet weiterhin ab, und hofft darauf, dass sich die Lage wieder ändert und die Spendenbereitschaft der Menschen für Organtransplantationen steigt – egal ob bei Muslimen oder Nicht-Muslimen. „Wichtig ist, dass man ein Menschenleben retten kann“, sagt er.

*Name der Redaktion bekannt