









Imame erleben im Ramadan ihre intensivste Zeit: Predigten, Koranrezitationen und Gemeindearbeit fordern sie täglich aufs Neue. Ein Blick hinter die Kulissen von Imam Rıdvan Sarıkaya.
„Gut, dass Du nach dem Ramadan mit deiner Arbeit beginnst!“ Das waren meine Worte zu einem Kollegen, der dieses Jahr im April als Imam in einer Moscheegemeinde eingestellt wurde und seine erste Erfahrung als Vollzeitimam sammeln wird.
Diese Aussage verdeutlicht, wie anstrengend der Ramadan für Imame ist. Man braucht starke Nerven, um die „Ramadan-Challenge“ zu überstehen. Ähnlich wie in der Prüfungsphase eines Studierenden kommen Stress, Druck, Erfolgsgefühl und diverse andere Emotionen zusammen. Aufopferungsbereitschaft ist das Boot, auf dem wir zum nächsten Ufer, dem Ramadan-Fest, segeln. Eine Pause, die Imamen normalerweise einmal pro Woche zusteht, gibt es im Ramadan nicht.
Bevor wir auf den Ramadan eingehen, lohnt sich ein Blick auf das Berufsbild des Imams. Im Gegensatz zu vielen Herkunftsländern der Muslime gibt es in Deutschland nicht das eine Imam-Profil. Die Rolle eines Imams hängt stark von den Bedürfnissen seiner Gemeinde ab. Er kann Seelsorger, Lehrer, Mentor, Berater, Erzieher oder Streetworker sein. Und manchmal übernimmt er sogar administrative Aufgaben. Doch in erster Linie ist ein Imam immer ein gläubiger und praktizierender Muslim, der wie jeder andere Muslim fastet und die Pflichten des Ramadan einhält.
Jede Moschee hat ihr eigenes Ramadan-Programm. Während einige Moscheen tagsüber stärker besucht werden, ist es in anderen ruhiger. Für alle Imame gilt jedoch: „Stimme vorbereiten!“ Denn in vielen Gemeinden wird erwartet, dass der Imam eine vollständige Koranrezitation (Muqābala) durchführt. Eine Sitzung umfasst etwa 20 Seiten und dauert 40 bis 60 Minuten. In großen Gemeinden werden oft mehrere solcher Rezitationen verlangt – eine enorme Belastung für die Stimme.
Zusätzlich steigt die Anzahl der Predigten drastisch an. Neben den üblichen 10 bis 15 Predigten pro Monat kommen im Ramadan bis zu 30 weitere hinzu. Die täglichen Tarāwīḥ-Gebete, die oft über eine Stunde dauern, fordern den Imam ebenfalls stark. Energiemanagement ist daher essenziell, denn Wasser trinken während der Muqābala ist nicht möglich.
Die Erwartungen an Imame im Ramadan sind hoch: Sie sollen Koran rezitieren, predigen, das Tarāwīḥ-Gebet leiten und für ihre Gemeinde da sein. Ein großes Geschenk sind daher Gemeindemitglieder, die aktiv unterstützen – sei es durch Übernahme von Koranrezitationen oder dem Gebetsruf. In solchen Gemeinden wird die Arbeit für den Imam spürbar erleichtert.
Besonders herausfordernd ist der Ramadan für sogenannte „Freiläufer“-Imame. Sie werden von Gemeinde zu Gemeinde geschickt, um täglich drei bis vier Vorträge zu halten. Anders als festangestellte Imame sind sie nicht für die Gebete und Rezitationen zuständig, doch ihr Tagesprogramm bleibt trotzdem anspruchsvoll.
Trotz aller Belastung bietet der Ramadan auch bereichernde Momente. Viele Moscheen organisieren gemeinschaftliche Iftar-Essen, und Imame werden oft eingeladen. Dies stärkt das Gemeinschaftsgefühl.
Jeder Imam hat seine Stärken: Der eine beeindruckt mit seiner Rhetorik, der andere mit seiner Seelsorge, ein dritter mit seiner Rezitation. Doch ein Imam muss auch realistisch bleiben: In aktiven Gemeinden kann er nicht alle empfohlenen zusätzlichen Gottesdienste übernehmen, sondern sollte sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren.
Ist der Ramadan eine Zeit der Selbstreflexion oder der Gemeinschaft? Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte. Ohne innere Einkehr verliert der Ramadan seine spirituelle Tiefe, aber ohne Gemeinschaft seine besondere Atmosphäre. Für Imame bedeutet das: Ein gutes Zeitmanagement ist unerlässlich. Sie müssen sich zwischen seelsorgerischen Gesprächen, Predigten und Gebeten auch ausreichend Schlaf gönnen, um ihre Leistung über den ganzen Monat hinweg aufrechterhalten zu können. Leichter gesagt als getan!