Ein Jahr nach Hanau

Muslime erinnern an Opfer vom Anschlag in Hanau

Der Anschlag in Hanau vor einem Jahr hat für Entsetzen in ganz Deutschland gesorgt. Ein Jahr nach der Tat erinnern Muslime an die Opfer und machen deutlich, dass sie unvergessen sind.

19
02
2021
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Hanau Anschlag, Kurtovic,
Graffiti der Hanauer Opfer © Twitter, bearbeitet by iQ

Zum Jahrestag des Attentats von Hanau, bei der neun Menschen ermordet wurden, erinnern islamische Religionsgemeinschaften in Deutschland an die Opfer und deren Angehörige. Zugleich warnten sie vor Spaltung und Rassismus in der Gesellschaft, und forderten von Sicherheitsbehörden eine lückenlose und transparente Aufklärung.

Für die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) sei der Schmerz und der Schock von Hanau nicht überwunden. „Ein Jahr nach den schrecklichen Morden in Hanau sind immer noch viele Fragen unbeantwortet. Das schmerzt und stellt das Vertrauen in den Rechtsstaat auf eine harte Probe – insbesondere in Hessen“, erklärt Bekir Altaş, Generalsekretär der IGMG, in einer am Donnerstag veröffentlichten Mitteilung. Politik wie Sicherheitsbehörden wuschen ihre Hände in Unschuld, wiesen die Verantwortung von sich und räumten Fehler nur dann ein, wenn sie von Journalisten aufgedeckt werden. „Das ist ein Armutszeugnis“, so Altaş.

„Wir trauern mit Hanau. Unsere Gedanken und Gebete sind bei allen, die Opfer dieser Untat wurden und mittrauern. Möge Gott ihnen Kraft und Geduld geben“, wird Altaş abschließend zitiert.

Versäumnisse der Sicherheitsbehörden dürfen nicht ignoriert werden

Zum ersten Jahrestag der Menschenverachtenden Morde in Hanau erinnerte die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) die Verstorbenen und ihre Hinterbliebenen. „Wir gedenken mit unseren Bittgebeten den Opfern des rassistischen Terrors; verleihen mit unserer Anteilnahme und tiefen Trauer durch eine Kranzniederlegung Ausdruck; halten durch die Pflanzung von Erinnerungsbäumen Namen und Lebensgeschichten der Verstorbenen lebendig“, heißt in einer Meldung der DITIB am Donnerstag.

Sprachliche Eskalationsspiralen und Verschwörungsmythen diverser politischer, medialer und zivilgesellschaftlicher Akteure seien es, die diesen mörderischen und menschenverachtenden Handlungen den Weg ebneten. Zudem dürfen Versäumnisse der Sicherheitsbehörden nicht ignoriert werden. Angehörige berichteten auch von Beschwichtigungsversuchen, bürokratischer Kälte und behördlicher Ignoranz.

„Die politischen Verantwortungsträger im Untersuchungsausschuss des hessischen Landtages sowie die zuständigen Führungskräfte unserer Sicherheitsbehörden sind angehalten, eine lückenlose und transparente Aufklärung mit Konsequenzen zu gewährleisten“, heißt es weiter in der Meldung.

Gefahr des Rassismus weiterhin gegenwärtig

Der Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg (Schura) betonte, die Gefahr des Rassismus sei weiterhin gegenwärtig. Angesichts von antimuslimischem Rassismus, einer Entwicklung des gesellschaftlichen Diskurses nach rechts sowie rassistischen Tendenzen in Teilen von Polizei und Behörden werde ersichtlich, dass der Täter von Hanau nicht in einem geistigen Vakuum gehandelt habe, sagte der Schura Vorsitzende Fatih Yıldız laut einer Mitteilung.

„Geistige Brandstifter schüren weiterhin bewusst das Klima der Angst, des Hasses und der Ausgrenzung, das von gewaltbereiten Extremisten aufgegriffen wird und in verbalen Angriffen und Terroranschlägen mündet“, so Yılıdz. Die Religionsgemeinschaft der Muslime in Hamburg forderte die Politik auf, Kräfte zu bündeln, damit alle Menschen in Deutschland frei, sicher und ohne Angst leben könnten.

Der Zentralrat der Muslime (ZMD) forderte mit Blick auf den Anschlag einen anderen Fokus. „Ich wünsche mir im allgemeinen Diskurs und auch in der medialen Berichterstattung, dass stärker betont wird: Das waren Deutsche. Das waren unsere Landsleute, die angegriffen wurden“, sagte der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek der „Neuen Osnabrücker Zeitung (Freitag) im Interview.

Demonstrationen und Kranzniederlegung für Anschlagsopfer in Hanau

Mit Demonstrationen und einer Kranzniederlegung haben sich verschiedene Gruppen und Religionsgemeinschaften am Freitag in Hanau versammelt. Bis zum Mittag zählte die Polizei nach Angaben eines Sprechers zusammen rund 80 Teilnehmer bei mehreren Veranstaltungen. Dazu gehörte unter anderem eine Kranzniederlegung und ein „antifaschistischer Spaziergang“ des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Region Südosthessen.

Angehörige haben auf dem Hauptfriedhof der Stadt der neun Todesopfer gedacht. Rund 500 Angehörige und Hanauer Bürger kamen an einem Ensemble von Ehrengräbern zusammen. Dort sind Ferhat Unvar, Hamza Kurtović und Said Nesar Hashemi begraben. Das Ensemble umfasst auch Gedenksteine für die weiteren sechs Todesopfer Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Gökhan Gültekin, Kaloyan Velkov, Vili Viorel Păun und Fatih Saraçoğlu. (KNA, dpa, iQ)