Eine muslimische Frau in Heilbronn wird mit einer Schreckschusswaffe angegriffen. Das Tatmotiv soll laut der Polizei nicht Islamhass gewesen sein. IslamiQ-Redakteurin Kübra Layik hat trotzdem Angst.
„Mir wird schon nichts geschehen“, dachte sich wahrscheinlich auch die muslimische Verkäuferin in der Bäckerei. Ihr wurde eine Schreckschusswaffe vor die Nase gehalten und abgefeuert. Ein Glück, dass die Waffe nicht scharf geladen war. Doch so viel Glück hatte Marwa El Sherbini nicht. Auch sie hätte nicht damit gerechnet, dass sie in einem Gerichtssaal mit 18 Messerstichen von ihrem Angreifer brutal hingerichtet werden würde. Die Brandopfer in Solingen, die in ihrer Wohnung saßen und qualvoll verbrannten, oder die NSU-Opfer, die wie jeden Tag ihrer Arbeit nachgingen und auf offener Straße ermordet wurden. Alle haben sich sicher gefühlt. Doch es kam anders. Sie mussten sterben. Die Motive der Täter: Rassismus und Islamhass.
Warum ist es so weit gekommen? Wenn man sich die Berichterstattung anschaut, sieht man nur wenige Nachrichten über den Angriff auf die Verkäuferin in der Bäckerei. War es ein Rachezug? Beate Zschäpe wurde für ihre NSU-Morde in der vergangenen Woche zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Neun Morde. An Menschen, die mein Vater oder Großvater sein könnten. Alle hatten einen Migrationshintergrund, größtenteils muslimisch geprägt und haben hart für ihr Geld gearbeitet. Vielleicht will man sich dafür rächen, dass die Leitfigur der NSU nun im Gefängnis sitzt? Was hat den Mann dazu bewegt, in einen Laden zu stürmen und eine Waffe abzufeuern? Auf eine wehrlose muslimische Frau. Weil sie ein Kopftuch trägt? Weil sie eine sichtbar Muslimin ist? Weil sie arbeitet?
Laut der Polizei habe der Täter keinen rassistischen Motive gehabt. Wenn man bedenkt, dass mehr als 950 muslimische Menschen im Jahr 2017 Opfer Angriffe islamfeindlicher Motive wurden, fällt es schwer dies zu glauben. Der Hass auf Muslime entsteht vor allem an fehlenden Begegnungen mit Muslimen. Auch die Berichterstattung stellt ein großes Problem da. Es muss öfter mit Muslimen gesprochen werden anstatt nur über sie zu berichten. Wir müssen weg von den sogenannten Islamexperten. Nein, mich vertreten sie in den Medien nicht, sondern nur die eigenen Interessen.
Jeden Tag verlasse ich das Haus, ohne mit dem Gedanken zu spielen, dass ich wegen meines Aussehens angegriffen werden könnte. Mein Kopftuch, nur ein Stück Stoff, mit dem ich meine Haare aber nicht mein Gehirn verdecke. Ansonsten unterscheidet mich doch nichts von den Menschen, die kein Kopftuch tragen. Muss ich mir jetzt immer Sorgen machen, dass ich die Nächste sein könnte? Dass ich irgendwann im Krankenhaus aufwache und der Beamte mir erzählt, dass ein psychisch verwirrter Mann mich zusammengeschlagen hat? Wie lange kann das die Politik noch tolerieren? Der Gedanke, dass mir oder meinen Geliebten solch schreckliche Taten passieren könnte, ruft in meiner Brust eine undefinierbare Angst auf.
Nein, nein.. mir wird schon nichts geschehen, oder?