Nordrhein-Westfalen

Uneinigkeit um Vorstoß bei Kopftuchverbot für Kinder

Das von NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) angeregte Kopftuchverbot für Mädchen unter 14 Jahren sorgt weiter für Diskussionen. Unter anderem begrüßen Lehrerverbände den Vorschlag, während der Chef der Kultusministerkonferenz und der Islamrat sich dagegen aussprechen.

09
04
2018
Symbolbild: Kopfuch, junge Musliminnen, © Shutterstock, bearbeitet by iQ.

Das in Nordrhein-Westfalen erwogene Kopftuchverbot für muslimische Mädchen unter 14 Jahren hat eine kontroverse Debatte ausgelöst. „Ich halte weder etwas von einer Vollverschleierung noch von Kopftüchern für Kinder“, sagte die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner am Montag vor einer Sitzung des Parteipräsidiums in Berlin. „Kinder brauchen Freiräume, wo es eben auch keine kruden Geschlechterbilder gibt. Und das sollte die Schule sein.“ Dagegen hatten sich Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) und der Islamrat für Deutschland am Wochenende gegen ein Verbot ausgesprochen.

Lehrerverband verteidigt Vorstoß

Heinz-Peter Meidinger, Chef des Deutschen Lehrerverbandes, sagte der „Bild“-Zeitung (Montag), ein Kopftuchverbot würde dazu beitragen, Diskriminierung aus religiösen Gründen und antireligiösem Mobbing zumindest tendenziell den Boden zu entziehen. Er forderte, eine „bewusste Demonstration religiöser Symbole bei religionsunmündigen Kindern“ zu unterlassen. An weiterführenden Schulen sei dies aber etwas anders.

Der Vorsitzende der Kultusministerkonferenz (KMK), Thüringens Kultusminister Helmut Holter (Linke), sprach sich gegen ein Kopftuchverbot aus. „Alle Kinder sollen sich zu freien und selbstbestimmten Individuen entwickeln können“, sagte er. „Daher müssen wir die Demokratiebildung in den Schulen stärken.“

„Unverhältnismäßig und verfassungswidrig“

Der Vorsitzende des Islamrates, Burhan Kesici, nannte die Debatte „populistisch, symbolgeladen und inhaltsleer“. Die Vorstellung, muslimischen Mädchen würde das Kopftuch aufgezwungen, sei überholt: „Kopftuchzwang und Kopftuchverbot schlagen in dieselbe Kerbe: Beide entmündigen Musliminnen.“ Er halte es für „unverhältnismäßig und verfassungswidrig“, wegen einer vermuteten Minderheit „bei allen jungen Musliminnen die grundgesetzlich geschützte Religionsfreiheit einzuschränken“.

NRW-Integrationsminister Joachim Stamp hatte vorgeschlagen zu erwägen, „das Tragen des Kopftuchs bis zur Religionsmündigkeit, also dem 14. Lebensjahr, zu untersagen“. Anfang April war bekanntgeworden, dass Österreich plant, Mädchen in Kindergärten und Grundschulen künftig ein Kopftuch zu verbieten. (KNA, dpa, iQ)

Leserkommentare

Frederic Voss sagt:
Grundsätzlich geschützte Religionsfreiheit bedeutet nicht Narrenfreiheit. Gibt es zudem denn Einigkeit in islamisch orientierten Zirkeln, Kreisen und Gruppierungen für inhaltsvolle, populistische Kopftuch-Propaganda?
09.04.18
23:20
Johannes Disch sagt:
Die Begründung des Chefs des Deutschen Lehrerverbandes, Meidinger, zieht einem die Schuhe aus! Ein Kopftuchverbot könne Mobbing und Diskriminierung aus religiösen Gründen tendenziell vorbeugen. Aha, die Kopftuch-Girls sind also schuld, wenn sie gemobbt werden. Eine unglaubliche Verdrehung von Täter und Opfer. Nach dieser "Logik" könnten wir auch ein Minirock-Verbot erwägen, um potentiellen Vergewaltigungen vorzubeugen. Wir legen fest, wann eine Muslimin als "befreit" und wann als "unterdrückt" zu gelten hat. Das Grundrecht auf Schutz von Ehe und Familie? Das Erziehungsrecht der Eltern? Nicht bei Muslimen! Die können das nicht. Das sieht man doch an Kindern mit Kopftuch. Diese unglaubliche kolonialistische und paternalistische Haltung, die hinter diesem Denken steckt, fällt unseren "Integrationsbeglückern" schon gar nicht mehr auf. Der "Kurz-Virus" geht um in Deutschland. Man kann nur hoffen, dass dafür bald ein Gegenmittel gefunden wird.
10.04.18
11:29
SoWas sagt:
Kopftuchverbot für Kinder unter 14 Jahren. Ich mag hier nicht mehr darüber diskutieren, ob ein Kopftuch nun ein Zeichen der Religion ist und dieses Zeichen überall erlaubt sein oder verboten werden soll. Eine Argumentationskette scheint mir aber zumindest bedenkenswert: Ausgehend von der Hypothese, dass über das Kopftuch die Reize einer Frau verdeckt werden sollen (oder habe ich das nun falsch verstanden?) führt mich dann zu der einfachen Frage: Wenn nun zB ein Grundschulmädchen ein Kopftuch tragen soll, damit es seine Reize verdeckt? Das passt nun aber wirklich nicht. @Johannes Disch: Die gestellte Frage nach Ehe und Familie und dem Erziehungsrecht der Eltern ist genau die richtige. Beim Kopftuchverbot für Kinder handelt es sich eigentlich nicht um eine religiöse Frage, sondern um eine Frage der Erziehung. .... und hier kann der Staat sicherlich eindeutig und rechtlich zulässig eingreifen, wenn er zur Entscheidung findet, dass dieses Verhalten (hier Kopftuch für Kleinkinder) aus pädagogischen Gründen zu verbieten ist. Da hilft dann auch die Religionsfreiheit nicht mehr (wobei, man mag mich berichtigen: Der Koran verlangt kein Kopftuch bei Kindern). Für den Austausch von Argumenten hier über das Für und Wider fände ich den Ansätz besser zu fragen: Schuluniform ja/nein? Denn die dort existierenden Argumente passen genau zu der Frage des Kopftuchs für Kleinkinder. Eine Frage der Religion sehe ich hier überhaupt nicht. Grüße
11.04.18
12:27
Johannes Disch sagt:
Nun, nachdem die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung und die Antidiskriminierungsstelle des Bundes sich wegen verfassungsrechtlicher Hürden skeptisch geäußert haben, darf man wohl davon ausgehen, dass NRW diesen absurden Vorschlag einmotten wird.
11.04.18
12:47
Johannes Disch sagt:
@Sowas (Ihr Post vom 11.04.18, 12:27) "... und her kann der Staat sicherlich eindeutig und rechtlich zulässig eingreifen, wenn er zur Entscheidung findet, dass dieses Verhalten (hier Kopftuch für Kleinkinder) aus pädagogischen Gründen zu verbieten ist." (Sowas) Nein. Das kann er nicht. Der liberale demokratische Rechtsstaat kann nicht festlegen, welche Erziehung pädagogisch richtig oder falsch ist. Manche Eltern erziehen ihre Kinder eher streng und autoritär, manche eher nach dem Laissez-faire-Prinzip. Beides ist zulässig. Und das entscheiden alleine die Eltern. Und das Erziehungsrecht der Eltern schließt auch das Thema Religion mit ein. Atheistische Eltern werden ihrem Kind wohl eher atheistische Prämissen vermitteln, christliche Eltern wohl eher christliche und muslimische Eltern nun mal eher islamische Inhalte. Das alles ist zulässig. Ein Eingriff des Staates ist nur möglich, wenn das Kindeswohl gefährdet ist. Und da zählen Dinge dazu, wie Gewalt, Verwahrlosung, Unterernährung, etc.-- aber sicher kein Kopftuch. Die Hürden für einen Eingriff in den Schutz von Ehe und Familie und das Erziehungsrecht der Eltern-- was ein Grundrecht ist (Art. 6 GG)-- liegen in Deutschland unglaublich hoch. So hoch, dass manche Behörden zurückschrecken, wenn ein Eingreifen vielleicht bereits geboten wäre (wegen geschilderter Sachverhalte: Verwahrlosung, etc.). Wegen eines Kopftuchs wird kein Beamter riskieren, auf die Mütze zu bekommen. So ein Gesetz ist unnötig. Es würde mehr Probleme schaffen, als lösen. Und es hätte vor den Gerichten mit ziemlicher Sicherheit keinen Bestand. Die F.D.P. hat die Jamaika-Verhandlungen gefahren und ist nun wieder im Tal der Bedeutungslosigkeit angekommen, dank ihres komplett inkompetenten Chefs Christian Lindner. Das Kopftuchverbot -Gesetz ist nur ein ganz billiger Versuch der NRW-Landes-und Bundes-FDP, wieder in die Schlagzeilen zu kommen. Alle wesentlichen Gremien-- die Integrationsbeauftragte des Bundes, die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und noch einige andere-- sind zu dem Schluss gekommen, dass so ein Gesetz den Test der Verfassungskonformität wohl nicht bestehen würde. Der Testballon dürfte sich damit erledigt haben. Es gibt wesentlich bessere Möglichkeiten als ein pauschales Verbot einzugreifen, wenn ein Kind das Tuch nicht freiwillig trägt. Man muss dafür de Lehrer schulen und sensibilisieren. Und betroffene Jugendliche ermutigen, sich Lehrern anzuvertrauen, wenn Fälle von Zwang vorliegen. Da sind Schulpsychologen eventuell hilfreich. Das alles ist mühsamer und anspruchsvoller als ein pauschales Verbot. Das ist viel effektiver. Und vor allem ist es verfassungskonform.
11.04.18
20:25