Debatte um Burkini

Streit um Burkini – Frau stellt Strafanzeige

Ein Besuch der Therme im Ganz-Körper-Badeanzug löst in Bad Saarow Wirbel aus. Während sich zwei Frauen diskriminiert fühlen und Anzeige erstatten, sieht sich der Leiter zu Unrecht an den Pranger gestellt. In Frankreich wird der Burkini zu einem Politikum.

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Der Burkini wird wie die Burka zu einem Politikum. © Frans Persoon/CC 2.0/flickr

Eine Frau hat nach einem Thermenbesuch im Ganz-Körper-Badeanzug (Burkini) in Bad Saarow Strafanzeige gestellt, weil sie sich diskriminiert fühlte. Das teilte ein Polizeisprecher am Montag in Frankfurt (Oder) mit. Zuvor hatte der RBB berichtet. Neben der jungen Berlinerin, die zusammen mit ihrer aus dem Libanon stammenden Familie am Samstag Badegast war, trug auch ihre Mutter einen Burkini.

Badegäste hätten sie beschimpft und einen Bademeister eingeschaltet, erklärte die Frau im RBB. Thermen-Chef Axel Walter wies dagegen im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur die Darstellung zurück, dass die Frauen beleidigt worden sein. Andere Badegäste könnten dies aber bestätigten.

In Berlin sei es zu solchen Auseinandersetzungen noch nicht gekommen, sagte ein Sprecher der Bäderbetriebe. Beschwerden anderer Badegäste über die Anzüge oder Meldungen, dass Frauen wegen der Burkinis beleidigt wurden, seien ihm nicht bekannt.

Die Berliner Bäder bewerten die Anzüge pragmatisch. „Wenn es muslimischen Frauen und Mädchen nur im Burkinimöglich ist schwimmen zu gehen, ist uns das lieber, als wenn sie gar nicht kommen, möglicherweise nicht schwimmen lernen und sich somit selbst gefährden“, sagte der Sprecher.

Auch die Betreiber der Therme in Bad Saarow haben nichts gegen das verschleierte Baden. „Bei uns ist Badebekleidung vorgeschrieben. Bei Burkinis handelt es sich um solche und wir hatten schon viele Badegäste, die so einen Burkini trugen“, erklärte Thermen-Chef Walter. Die Anzüge, die die Frauen am Samstag anhatten, seien vom Bademeister nicht als Burkinis erkannt worden. Dies habe er ihnen auch so mitgeteilt und darum gebeten, beim nächsten Mal in passender Badebekleidung zu erscheinen, betonte Walter.

Des Hauses verwiesen wurde aber niemand. Die Frauen hätten nach weiteren Wortgefechten mit anderen Badegästen die Therme von selbst verlassen, hieß es im RBB-Bericht.

Frankreich streitet über den Burkini

Auch in Frankreich beschäftigt der Burkini die Gemüter. Der Erlass mit der Nummer 16/2754 hat es in sich: Die Gemeinde Cannes an der Côte d’Azur, weltbekannt für ihr Filmfestival und riesige Hotelpaläste, verbietet Ganzkörper-Badeanzüge für Musliminnen am Strand.

Burkinis werden in der städtischen Verordnung zwar nicht explizit genannt. Doch Äußerungen des konservativen Bürgermeisters David Lisnard sind deutlich genug. „Das ist eine Maßnahme unter vielen anderen, um die Bevölkerung im Zusammenhang mit dem Ausnahmezustand (in Frankreich) und terroristischen Taten zu schützen“, sagte er unlängst der Tageszeitung „Nice-Matin“. Der Burkini sei die 2Uniform des extremistischen Islamismus“, so „Monsieur le Maire“.

Die Stimmung ist an der Riviera nach dem verheerenden Terroranschlag in nahegelegenen Nizza aufgeheizt. Vor den Präsidentenwahlen im Mai kommenden Jahres gehen die politischen Parteien zudem auf Konfrontationskurs – und die öffentliche Sicherheit dürfte ein entscheidendes Thema dabei werden.

Lisnards Entscheidung hat zunächst rechtlich Bestand. Ein Gericht in Nizza wies einen Einspruch des Kollektivs gegen Islamfeindlichkeit in Frankreich (CCIF) zurück. Das Verbot aus Cannes zieht unterdessen weitere Kreise. Nach Villeneuve-Loubet bei Nizza verbietet nun auch die kleine Gemeinde Sisco im Norden Korsikas Burkinis; das berichtete die Nachrichtenagentur AFP am Montag.

Bürgermeister Ange-Pierre Vivoni musste offensichtlich handeln. Am Wochenende war es an einer Meeresbucht seiner Gemeinde zu Ausschreitungen mit fünf Verletzten gekommen, weil – je nach unterschiedlichen Medien-Darstellungen – eine oder mehrere Frauen im Burkini badeten.

Am Ende brannten auch Autos. Der Vorfall führt zu Spannungen auf der Insel, weckt Erinnerungen an rassistische Ausschreitungen von Ende 2015. Damals verwüsteten Gewalttäter in der Hauptstadt Ajaccio einen muslimischen Gebetsraum.

Die Debatte um die Ganzkörper-Schwimmanzüge mit integrierter Kopfbedeckung ist zwar neu. Doch das französische Prinzip der Laizität, also der Trennung von Kirche und Staat, ist seit längerem ein heißes Eisen und führte zu Auseinandersetzungen. Seit 2004 gilt in französischen Schulen eine Null-Toleranz-Linie gegen „auffällige religiöse Symbole“.

Eher eingeschränkt dürften die Chancen sein, ein Schwimmbad zu mieten, um Burkinis tragen zu können. Ein Erlebnisbad bei Marseille sagte unlängst einen Burkini-Tag nach massiven Protesten in der Öffentlichkeit ab. Eine Organisation aus Marseille hatte das Bad zunächst komplett gebucht. (dpa, iQ)

Leserkommentare

Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel Der Burkini ist keine Burka. Das Burkini ermöglicht Frauen, die eine etwas konservativere Moral haben, die gesellschaftliche Teilhabe. Das sollten wir Ihnen nicht erschweren oder gar verwehren, indem wir jetzt auch noch den Burkini ideologisch aufladen und daraus einen weltanschaulichen Konflikt konstruieren. Erneut: Was eine Frau am Strand / im Schwimmbad trägt-- ob Bikini, Burkini oder einen Stringtanga-- ist ganz allein ihre Sache. Das fällt unter Selbstbestimmung. Und diese ist ein hohes Gut in unserer Gesellschaft, das ebenfalls verfassungsrechtlich geschützt ist. Wir sollten etwas entspannter werden und nicht aus allem, was die islamische Kultur ausmacht einen politischen Konflikt konstruieren. Sonst endet das nämlich so, wie es die AfD gerne hätte: Man erklärt alles mögliche-- das Minarett, die Moschee, etc.-- zu Symbolen des Islamismus. Irgend eine Begründung wird sich finden lassen. Ein Muslim darf sich-- wenn es so weiter geht-- irgendwann nicht mehr als solchen bezeichnen, jedenfalls nicht öffentlich. Denn Religion ist ja schließlich Privatsache.... Am Ende dieser Entwicklung steht dann das Muslim-Ghetto. lg Johannes Disch lg Johannes Disch
17.08.16
14:19
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel - Zu Manuel Valls: Der Mann ist nur das Opfer seiner eigenen politischen Ohnmacht. Er glaubt, punkten zu können, wenn er Parolen des "Front National" übernimmt. Man bekämpft Rechtspopulisten und Rechtsextreme nicht, wenn man ihre Parolen und Rezepte kopiert. Das hat noch nie funktioniert. Am Strand von Cannes kam es wegen dem Burkini bereits zu Ausschreitungen, die die "WELT" als rassistisch bezeichnet und mit den Schikanen gegen die Juden im Dritten Reich vergleicht. Frankreich kommt mit seinem Fundamental-Laizismus keinen Schritt weiter, weder bei der Terrorismusbekämpfung, noch bei der Integration. Man bewahrt Liberalität nicht, indem man sie immer weiter einschränkt, was am Ende zu ihrer Abschaffung führt. Eine freie und plurale Gesellschaft muss andere Lebensentwürfe aushalten. -- "Wer die Freiheit einschränkt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren." (Benjamin Franklin). lg Johannes Disch
17.08.16
14:38
Andreas sagt:
@Ute Fabel: Ich wünsche mir auch klare Worte unserer Politiker, nämlich dass die Religionsfreiheit auch für Musline gilt. Dass der Burkini ein ideologisch extrem aufgeladenes Kleidungsstück ist, liegt doch nur daran, dass ständig nach einem Verbot gerufen wird.
18.08.16
9:15
Johannes Disch sagt:
@Der Burkini - Ein grotesker Kulturkampf. Das nimmt in Frankreich nun immer absurdere Züge an. Derselbe konservative Bürgermeister, der nun in Cannes den Burkini verboten hat, vermietete den Strand vergangenes Jahr noch an einen saudischen Prinzen dessen weibliche Entourage in besagtem Kleidungsstück dort Badefreuden nachging. Und niemanden hat es gestört. Auch nicht den Bürgermeister. So etwas nennt man Doppelmoral. Der (sozialistische!) Premier Valls sieht durch den Burkini gar die Werte der Republik bedroht. Geht es nicht eine Nummer kleiner?? Offensichtlich nicht (mehr). Gleichzeitig rudert Valls aber auch zurück. Er schließt aus, den Burkini durch ein nationales Gesetz zu verbieten. Ihm ist offensichtlich klar, dass ein Burkini-Verbot mit ziemlicher Sicherheit verfassungswidrig wäre und er sich vor dem obersten französischen Gericht wohl eine Klatsche abholen würde. Also: Nicht der Burkini ist verfassungswidrig, sondern wohl dessen Verbot! Auch der Hinweis auf die frz. Laizität und das Burka-Verbot helfen da nicht weiter. Das läuft formell nämlich unter Vermummungsverbot, das unter bestimmten Umständen auch einen Motorradhelm treffen kann. Das frz. Burka-Verbot ist also nicht religiös begründet. (Nebenbei hat dieses Verbot überhaupt nichts gebracht. Es gibt weiterhin genau so viele frz. Burka-Trägerinnen (ca. 2000) wie vorher. Und das gelegentlich verhängte Bußgeld (39 Euro) zahlen die Trägerinnen anstandslos und ganz entspannt aus der Kaffeekasse. Manche zahlen 2 bis 3 "Burka-Strafzettel" pro Monat und tragen die Burka einfach weiter. Hey, müssen die Kohle haben, die sanktionierten Burka-Trägerinnen, denkt wohl jetzt so mancher?? Nö. Das Bußgeld wird meistens von großzügigen muslimischen Spendern oder islamischen Organisationen / Vereinen / Verbänden beglichen. Das Burka-Verbot hat also nur eines bewirkt: Muslimische Solidarität in France). Wie gesagt: Das frz. Burka-Verbot ist nicht religiös begründet. Laizität hin oder her: Religiöse Symbole im öffentlichen Raum -- ob jüdische Kippa, christliches Kreuz oder das islamische Kopftuch-- sind in Frankreich zulässig. Derweil gerät die Regierung in Gefahr, dass sich das ganze juristisch international ausweitet. Die "Liga für Menschenrechte" und andere Organisationen haben bereits angekündigt, wegen des Burkini-Verbots in Cannes vor den Staatsrat zu ziehen, das oberste frz. Gericht, weil sie die Menschenrechte und die Religionsfreiheit eklatant verletzt sehen. Und sie haben klar gemacht, dass sie wenn nötig bis zum Europäischen Gerichtshof gehen werden. Das kann natürlich einige Jährchen dauern. Aber wahrscheinlich wäre das gar nicht nötig. Ein Verbot würde wohl bereits vor dem frz. Staatsrat scheitern. Frankreich hat noch immer eine schwere Wirtschaftskrise und eine hohe Arbeitslosigkeit. Also echte Probleme. Aber was macht der Sozialist (!) Valls???? Er riskiert einen Dauerstreit über ein Kleidungsstück. Und das nur, weil muslimische Frauen an den Strand wollen...*Kopfschüttel*
18.08.16
13:08
Ute Fabel sagt:
Der Mut zu einem Konfrontationskurs mit religiösen Dogmen war eine Errungenschaft der Aufklärung. Gerade linke Parteien oder auch jene der bürgerlich-liberale Mitte sollten diese Tradition weiterpflegen. Der frühere Obmann der rechtpopulistischen FPÖ hat das Tragen eines blitzblauen Schals als Markenzeichen seiner Bewegung entwickelt. Einige Restaurants in der Wiener Innenstadt haben bei ihren Gästen einen solchen blauen Schal nicht akzeptiert und sie des Lokals verwiesen. Die Weltanschauung oder die politische Anschauung ist nach der Europäischen Grundrechtecharta im gleichen Umfang geschützt wie religiöse Überzeugung. Haben die Gastwirte damit Grundrechte verletzt? Nein! Gerade in Freizeitbetrieben sind Schutzmechanismen vor einer Ideologisierung legitim. Deshalb gratuliere ich dem Bürgermeister von Cannes zu seinem Mut und wünsche mir, dass noch viele seinem Vorbild folgen: Rote Karte für den Burkini, rote Karte für den blauen Schal!
19.08.16
10:49
Manuel sagt:
Verstehe, alles ist nur ein bloßes Kleidungsstück, die Burka, der Burkini und das Kopftuch hat überhaupt kein Symbolik. Man fragt sich wirklich was wir eigentlich noch alles tolerieren sollen, Symbole des Islamismus und der kompletten Frauenunterdrückung sollen also toleriert werden, vielleicht führen wir auch endlich Teile der Scharia ein, vielleicht auch noch mit ihren Hadd-Strafen, damit man brav tolerant ist, man darf ja auch keinen Fall die Religionsfreiheit nur irgenwie einschränken, auch wenn unter deren Denkmantel islamistische Gedankengut verbreitet wird. Vielleicht noch besser schaffen wir doch gleich auch den Säkularismus ab, ein Gottesstaat ist sicher viel besser, dann fühlen sich garantiert alle Moslems wohl.
19.08.16
11:47
Manuel sagt:
@Johannes Disch: Früher war Religinskritik, Laizismus bzw. Säkularismus elementar bei den Linken, dass heutzutage Rot-Grün mit Islamisten und erzkonservativen Moslems kuschelt, muss nicht für alle Linken gelten. Valls ist halt noch ein wirklicher Linker, der den Laizismus ernst nimmt und keine Pseudo-Linken wie wir sie in Deutschland haben.
19.08.16
11:50
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel Die Burkini-Farce hat nichts mehr mit Aufklärung zu tun, aber sehr viel mit Hysterie. lg Johannes Disch
21.08.16
0:20
Johannes Disch sagt:
@Manuel So, Burkini und Kopftuch haben eine Symbolik?? Vielleicht interpretieren Sie diese Symbolik auch nur hinein. lg Johannes Disch
21.08.16
0:22
Johannes Disch sagt:
@Oberstes frz. Gericht entscheidet heute über das Burkini-Verbot. Frankreich ist im Augenblick eine kopflose und orientierungslose Nation. Man kann nur hoffen, dass die französische Justiz klüger ist als die französische Politik. lg Johannes Disch
26.08.16
10:00
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