Kommentar

Die Angst vor der islamischen Erziehung

Politiker in Österreich forderten als Folge einer Vorstudie, dass islamische Kindergärten geschlossen werden sollen. Die Kinder würden isoliert und mit den ‚falschen‘ Werten erzogen werden. Ist eine islamische Erziehung also gleich ‚falsch‘? Diese Frage stellt sich die Kultur- und Sozialanthropologin Ummü Selime Türe aus Wien.

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2015
Warum sollte islamische Erziehung gefährlich sein? © by Mats Eriksson auf Flickr (CC BY 2.0), bearbeitet islamiQ

In den letzten Wochen sorgte die vom Bundesminister für Integration Sebastian Kurz in Auftrag gegebene Vorstudie zu muslimischen Kindergärten und Kindergruppen in Wien für Aufregung. Durchgeführt wird die Studie unter der Leitung des Institutsvorstands der Islamischen Studien der Universität Wien, Ednan Aslan. Aus der veröffentlichen Zwischenbilanz, die sich nur auf ein paar Kindergärten beruht, werden jedoch bereits Schlüsse gezogen und auf alle islamischen Kindergärten übertragen. Einer der Vorwürfe lautet, dass die Kindergartenkinder fernab von der österreichischen Gesellschaft erzogen werden und dass ihnen religiöse Erziehung aufgezwungen wird.

Hierbei geht es nicht nur um den Inhalt des Zwischenberichts, sondern auch um die Art und Weise wie das Thema gehandhabt wird. Was gibt es natürlicheres als christliche Werte in christlichen Kindergärten, jüdische Werte in jüdischen Kindergärten und islamische Werte in islamischen Kindergärten? Alleine die Beschreibung „islamische Kindergärten“ oder die ganzen Titel („Kindergärten im Visier“, „Probleme in islamischen Kindergärten“, „Islam-Kindergärten schließen“) rund um das Thema sind derart negativ konnotiert, sodass gleich alle stigmatisierten Bilder aus den Schubladen rausgeholt werden. Offensichtlich ist die Zuschreibung „islamisch“ in unserer Gesellschaft als etwas Erschwerendes geachtet. Dabei sollten wir doch an einen Punkt gelangt sein, wo wir bewusster mit den Begrifflichkeiten wie „Islam“, „islamisch“ oder „Muslime“ umgehen sollten, weil sie in dem letzten Jahrzehnt eine Unmenge an negativen Assoziationen erfahren haben.

„Österreichische Werte“ versus „islamische Werte“?

In dem vorliegenden Fall wird der Vorwurf gemacht, dass laut Bericht „ein nicht gering zu schätzender Teil“ der islamischen Kindergärten die Kinder nicht auf die die Gesellschaft vorbereite, sondern diese vor den gesellschaftlichen Werten schütze, ja diese durch islamischer Erziehung abblocke. Hier werden keine Zahlen erwähnt, sondern Vermutungen wie „nicht gering zu schätzender Teil“ als „wissenschaftliches“ Faktum geliefert. Hinzu kommt die „islamische Erziehung“ als Indikator, die von gesellschaftlichen Werten ‚beschützen’ soll, dass unmissverständlich die Wertelosigkeit des Islams impliziert und die Erziehung in den Kindergärten als Gegenstück der „gesellschaftlichen Werte“ darstellt. Spricht man jedoch von islamischen Werten, dann sind sie im vornherein schon disqualifiziert.

Wir berichteten bereits über die Diskussion um islamische Kindergärten in Österreich und die Reaktion der Muslime.

Im Zuge der Flüchtlingspolitik wird aktuell des Öfteren von „österreichischen Werte“ gesprochen. Doch was sind „österreichische Werte“? Fragt man 50 Personen, wird man 50 verschiedene Antworten bekommen, weil man Werte nicht holistisch definieren kann. Aber was die gesellschaftlichen Werte nicht sind, das wird mit Gewissheit gesagt: die Werte der „Muslime“.

Zweierlei Maß?

Wie man aus dieser Zwischenbilanz eine mögliche Isolation der Kinder aus der Mehrheitsgesellschaft voraussagen sagen kann, ist ebenfalls fraglich. Dazu wäre eine viel länger andauernde Studie von Nöten. Wenn es um die islamischen Einrichtungen geht, dann wird ihnen so viel Gewicht und Potenzialität beigemessen, dass sie die Kleinkinder in den paar Jahren im Kindergarten von der Gesellschaft abschotten könnten. Da ist es doch irritierend, dass auf der anderen Seite die gescheiterte Integrationspolitik und das Bildungssystem dahingehend kritisiert werden, dass sie in den darauffolgenden neun Pflichtschuljahren den SchülerInnen nichts beitragen können? Oder wird hier wieder mit zweierlei Maß gemessen?

Sieht man die islamische Erziehung als ein Problem, dann wird sie auch als Problem gehandhabt. Das wiederum trägt auf gar keinen Fall zu einer konstruktiven Lösung etwaiger tatsächlicher Mängel bei. Das Versagen der Politik in Sachen Integrationsarbeit müssen nun die islamischen Gemeinschaften und Einrichtungen ausbaden, indem sie denunziert und als Gegenstück unserer Gesellschaft dargestellt werden. So gesehen unterscheidet sich die sogenannte „wissenschaftliche“ Studie, die der Politik zugute kommen soll, nicht geringer von den Hetz- und Spaltkampagne rechter Interessensvertreter.

Leserkommentare

Enail sagt:
Ich habe selbst in einem Kath.Kindergarten gearbeitet. Aufgenommen haben wir Kinder aller Konfessionen. Wir haben eine Konzeption, in der nicht an erster Stelle die religiöse Erziehung steht, sondern das soziale Miteinander. Regelmäßig treffen wir uns mit Kollegen aus anderen Einrichtungen. Was ich da von Kollegen gehört habe, welche Probleme sie mit muslimischen Eltern haben, vor allen Dingen mit Männern, kann man sich kaum vorstellen. Da die meisten Erzieher weiblich sind, werden diese nicht respektiert und geachtet von gläubigen Muslimen. Man darf keine Förderung für das Kind vorschlagen, weil man in den Augen der Muslime sowieso als Frau das ja gar nicht beurteilen kann. Und genauso erziehen sie ihre Kinder. Jungs haben es noch etwas besser, sie haben einen höheren Stellenwert. Durch diese Erfahrungen kann ich mir gut vorstellen, dass in islamischen Einrichtungen für Kinder eine andere Erziehung statt findet. Zumal der Islam ja eine Religion ist, die sich in alle Lebensbereiche einmischt.
14.12.15
4:10
SoWas sagt:
Die Kommentatorin (oder islamiq.de) verkürzt die tatsächliche Untersuchung.... Hier ein Auszug aus einem Interview mit Ednan Aslan "... Ja, wir wissen, was dort geschieht. Es macht mir Sorge. Volksschulmädchen wird dort von fundamentalistischen Koranlehrern eingetrichtert, dass sie später den Niqab tragen müssen, wenn sie nicht dem Teufel in die Hände fallen wollen. Es kommt vor, dass Kindergartenkindern im Ramadan verboten wird, zu singen. Oder Kinder werden auf das Memorieren von Suren des Koran gedrillt, sodass sei kaum einen persönlichen Bezug zu Gott herstellen können. Aber auch einige der offiziell anerkannten Islam-Lehrer und Lehrerinnen, die an der IRPA, (Religionspädagogische Ausbildung für Islamlehrer an Volksschulen unter Aufsicht der IGGÖ, Anm. d, Red,) als Ausbildner tätig sind, werben auf Facebook für ihre politischen Führer in Ägypten, die die Muslime zur Scharia aufrufen und alle Verfassungen außer dem Koran ablehnen, oder aufrufen, jüdische Produkte zu boykottieren. Wenn Sie sie fragen, werden sie sich nicht dafür aussprechen, dass junge Menschen in den Krieg ziehen, ohne sich aber bewusst zu sein, dass sie die Vorarbeit für Gruppen wie die IS vollbringen. Dieser Trend zum Fundamentalismus hat in den vergangenen fünf Jahren zugenommen."" Daraus lest sich ablesen ( auch gerne in Verbindung mit der Mitforistin Enail), dass die österreichischen Kindergärten auf ihrem Weg die gleichen Mittel wie manche Moschee einsetzen.... Gerne wird auch vergessen, dass in Österreich Kindergarten Pflicht ist, insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Lernens der deutschen Sprache....
14.12.15
16:40
Ali sagt:
Wow. Erschreckend, wie schnell SoWas vom Kindergarten auf den sog. IS kommt! Gerade dazu ist aber die meiner Meinung nach kalkulierte "Hetze" eines Ednan Aslan geeignet. Eine Studie, die eigentlich keine ist, von einem Institut, das eigentlich keines ist, macht jahrzehntelange pädagogische Arbeit mit einem Schlag kaputt. Schade.
17.12.15
22:35
Charley sagt:
Was Enail sagt über die von Moslems in der pädagogischen Praxis gelebten Werte bzgl Mann und Frau kann ich aus eigener Erfahrung und Berichten mir bekannter Pädagogen voll bestätigen!!! ...und @Ali: lies man das Posting von "Sowas" als Ganzes!!!
19.12.15
10:37