Eine Studie zeigt, dass einige Schulbücher Vorurteile gegen Migranten und Muslime bedienen und Überfremdungsängste schüren.
„Die weitere Zunahme der unkontrollierten Einwanderung macht vielen Deutschen Angst. Besorgt blicken sie nach Osten.“So heißt es in einem Sozialkundebuch aus Bayern. Zitiert wird es in einer Studie des Braunschweiger Georg Eckert Instituts. Deren Autoren haben Schulbücher untersucht und dargestellt, wie sie mit den Themen Migration und Integration umgehen. Ihr Ergebnis: Schulbücher bedienen oft nach wie vor alte Stereotype, das Thema Migration gilt vor allem als „konfliktträchtig und krisenhaft“.
In Auftrag gegeben wurde die Untersuchung von Maria Böhmer (CDU), der Vorgängerin von Aydan Özoguz (SPD) im Amt als Integrationsbeauftragte der Bundesregierung. Insgesamt haben die Autoren 65 Geschichts-, Politik-, Sozialkunde und Geografie-Bücher aus Berlin, Brandenburg, Sachsen, Bayern und Nordrhein-Westfalen unter die Lupe genommen. Das älteste erschien 2003, das jüngste im vergangenen Jahr.
Sie bemängeln weiter, dass dort Integration zwar als notwendig dargestellt, häufig aber nicht weiter konkretisiert und differenziert dargestellt wird. Die Schulbücher zeigten einseitig auf, dass Menschen mit Migrationshintergrund eine Anpassungsleistung erbringen müssten, umgekehrt würden die Leistungen des deutschen Staates für die Integration stets positiv hervorgehoben. Auch würden in den untersuchten Schulbüchern Begriffe wie „Ausländer“, „Fremde“, „Migranten“ und „Menschen mit Migrationshintergrund“ häufig nicht unterschieden, sondern synonym im selben Text verwendet.
In den bildlichen Darstellungen von Einwanderern aus der Türkei werde oft der „Döner-Mann“ mit Schnauzbart abgebildet. Voreingenommen kämen Schüler mit Migrationshintergrund zur Sprache, wenn es um Probleme gehe, etwa eine muslimische Schülerin, die in einem Text beschreibt, warum ihr Vater nicht möchte, dass sie mit auf die Klassenfahrt fährt und warum sie nicht am Schwimmunterricht teilnehmen soll. Dadurch würden Vorurteile über den Islam und Muslime begünstigt werden.
Stattdessen fordern die Autoren der Studie einen vielfältigeren Blick auf das Thema Migration und Islam. Die durch Einwanderung und Religionen gewonnene Vielfalt solle ebenfalls dargestellt werden; die Chancen für die Gesellschaft sollten in den Mittelpunkt gestellt werden. Immerhin habe derzeit bereits jeder dritte Schüler unter 15 Jahren einen Migrationshintergrund, so ergänzt die Integrationsbeauftragte Özoguz.
Weiter wollen die Braunschweiger Wissenschaftler, dass nicht nur die Nord-Süd Migration, sondern auch die Binnenmigration behandelt wird und Themen wie Rassismus und Diskriminierung zur Sprache kommen. An die Schulbuchverlage appellieren sie, beim Schreiben von Schulbüchern stärker Autoren mit Migrationshintergrund einzubinden. Dem Team der Schreiber solle ein „kritisches Lektorat“ zur Seite stehen. Schließlich sei in einigen Schulbüchern sogar noch das Wort „Neger“ verwandt worden.
In einem gemeinsamen Positionspapier schreiben die Schulbuchverlage Cornelsen, Ernst Klett und die Westermann Gruppe, aus deren Bestand die untersuchten Bücher kommen, ihnen sei es ein großes Anliegen, „unseren Anteil zum Gelingen von Integration und zur offenen Teilhabe an Bildung“ zu leisten. Experten für Interkulturalität und Diversität bezögen sie schon länger mit ein.
Was in der Studie fehlt, ist der Umgang mit Schwierigkeiten, die Schüler im Zusammenhang mit Migration auch erleben. Kritiker könnten einwenden, dass die Autoren auffordern, diese in Schulbüchern künftig gänzlich unter den Teppich zu kehren. Das muslimische Mädchen, dessen Eltern Vorbehalte bei Klassenfahrten haben, ist sicher die Ausnahme, die für einige Schüler aber zu ihrem Alltag gehört. (KNA/iQ)