NSU

Thüringer Landtag gedachte den Opfern

Der Thüringer Landtag hat heute den Opfern der rechtsextremen Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) gedacht. Opferangehörige saßen im Plenum und verfolgten mit, wie in der Sondersitzung Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses bewertet wurden.

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08
2014
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Mit einer Sondersitzung hat der Thüringer Landtag sich mit den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus und Behördenhandeln“ beschäftigt. Dabei gedachte man, in Anwesenheit der Angehörigen, den Opfern der Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU). Ihre Namen wurden im Plenum verlesen. Stellvertretend für das Land Thüringen hat Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) die Opferangehörigen um Entschuldigung gebeten.

„Das Leid, das Ihnen zugefügt wurde, können wir kaum ermessen. Die Verluste, die Sie erlitten haben, lassen sich nicht wieder gut machen. Die Demütigungen, die Sie durch falsche Verdächtigungen ertragen mussten, haben Ihren Schmerz noch vergrößert. Beschämt muss auch ich eingestehen: Unser Land, unsere Gesellschaft, unsere Behörden haben versagt“, sagte Lieberknecht im Erfurter Landtag.

Kampf gegen Rechts eine Daueraufgabe

Die Ministerpräsidentin dankte den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses und der Vorsitzenden, Dorothea Marx, für Ihre umfassende Arbeit. Durch sie sei ein umfassenden Mosaikbild entstanden, das sowohl die Entwicklung der Terrorzelle NSU als auch das Handeln der Behörden aufzeige. Zuvor hatte bereits Landtagspräsidentin Diezel die Hinterbliebenen und die Opfer des Sprengstoffanschlags in Köln um Verzeihung gebeten.

„Wir können die Fehler der Vergangenheit nicht mehr rückgängig machen. Aber wir müssen uns zu ihnen bekennen. Wir müssen daraus lernen und die richtigen Konsequenzen ziehen“, sagte Ministerpräsidentin Lieberknecht weiter. „Der Kampf gegen den Rechtsextremismus ist eine Daueraufgabe. Wir werden die Auseinandersetzung mit dem Geschehenen auch mit Abschluss des Untersuchungsberichts nicht ‚ad acta‘ legen. Sie bleibt auf der Agenda“, so die Ministerpräsidentin. „Das sind wir vor allem den Opfern des NSU schuldig.“

Yeneroğlu: Nicht mehr von Versagen sprechen

„Nach dem Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses muss endlich ein Ruck durch Deutschland gehen. Dieser Themenkomplex muss in all seinen Facetten aufgearbeitet werden“, forderte Mustafa Yeneroğlu, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) in einer Erklärung. Der Abschlussbericht versetze die Muslime in Ohnmacht. Man komme sich angesichts des Desasters hilflos und ausgesetzt vor.

„Von einem ‚Versagen‘ darf in diesem Zusammenhang nicht mehr geredet werden“, sagte Yeneroğlu. Dieses Gefühl werde noch verstärkt, wenn man sich die Zeit nach dem Bekanntwerden des NSU vergegenwärtige: „Aktenvernichtungen, Zeugensterben und haarsträubende Erinnerungslücken von Staatsbediensteten. Der Gedanke, dass der Schutz von V-Männern wichtiger war als die Aufarbeitung von rechtsextremistisch motivierten Morden, ist unerträglich“, erklärte Yeneroğlu. Man habe gedacht, so etwas sei in Deutschland unmöglich.

„Die Hoffnung, dass diese Schandtaten aufgeklärt, alle Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden und die gesamte ‚Sicherheitsarchitektur‘ grundlegend reformiert wird, haben wir dennoch noch nicht ganz verloren – Dank der offenen und ehrlichen Arbeit der Mitglieder des NSU Untersuchungsausschusses des Thüringer Landtags“, sagte Yeneroğlu. „Es lässt hoffen, dass es Politiker gibt, die rechtsextremistisch motivierte Verbrechen nicht einfach stehenlassen und das Geschehene beim Namen nennen.“

Hintergrund

Die Sondersitzung des Thüringer Parlaments galt dem am Donnerstag veröffentlichten Untersuchungsbericht zum Nationalsozialistischen Untergrund (NSU). Darin wirft der Untersuchungsausschuss den Sicherheitsbehörden schwere Versäumnisse vor.

Ein entscheidender Punkt aus dem Bericht: „Für die gezielte Gründung oder den Aufbau von Strukturen der extremen Rechten konnte der Untersuchungsausschuss keine Belege finden. Allerdings gibt es hinreichend Gründe, von einer mittelbaren Unterstützung und Begünstigung derartiger Strukturen durch das TLfV (Landesamt für Verfassungsschutz, Anm. der Red.) zu sprechen.“