Salafismus-Symposium in Osnabrück

Viel Theorie, kaum Ideen für Präventionsarbeit

Der Salafismus wird von der Politik als Problem angesehen. In Osnabrück trafen sich nun Experten um sich über die Prävention an Schulen, Jugendhilfen und Gemeinden auszutauschen. Das Ergebnis war ernüchternd. Es gibt kaum Lösungen, dafür ein Herumstochern im Dunkeln.

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2014

Am Samstag (01.03.2014) fand an der Universität Osnabrück ein Symposium der Polizeidirektion Osnabrück und des Instituts für islamische Theologie (IIT) zur neosalafistischen Mobilisierung statt. Eigentlich sollte es bei der Fortsetzung einer ähnlichen Tagung aus dem vergangenen Jahr um die Präventionsarbeit an Schulen, Jugendhilfen und Gemeinden gehen.

Doch statt aktiver Hinweise auf Möglichkeiten, wie man der Herausforderung des Salafismus in diesen Bereichen begegnen könnte, verhedderte sich die Tagung in Details und Selbstgefälligkeiten. Wer erwartet hatte, interessante Ansätze und Lösungsvorschläge zu hören, wurde enttäuscht. Stattdessen bekam man den Eindruck, dass die Akteure, aber auch die Forscher gar nicht genau wissen, was sie eigentlich in dem Bereich tun. Die Präventionsarbeit wirkte jedenfalls, je weiter die Tagung voranschritt, hilflos und planlos.

Aufruf zur differenzierten Betrachtung

Dabei fing die Tagung einigermaßen interessant an. Der Prof. für Islamische Religionspädagogik und Leiter des Instituts für Islamische Theologie (IIT), Bülent Uçar, eröffnete die Tagung und warnte vor einer Stigmatisierung und Panikmache in der Debatte um den Salafismus in Deutschland. Salafisten seien nur eine Randgruppe unter den Muslimen, von denen wiederum nur 0,1 Prozent Gewaltbefürworter seien. Er rief zu einer differenzierten Betrachtung des Phänomens auf.

Das Problemfeld müsse richtig und sauber quantifiziert werden. Dies trage auch wesentlich zu einer Entspannung des öffentlichen Diskurses bei. „Wir bezwecken mit dieser Tagung weder eine einseitige Vorverurteilung noch möchten wir einen hysterischen Generalverdacht schüren. Statt Stigmatisierung und medialer Panikmache ist eine fundierte Auseinandersetzung mit dem Salafismus in seiner Vielfalt hilfreich“, erklärte Uçar. Er betonte, dass er von einseitigen „Dramatisierungsversuchen des Salafismus“ nicht viel halte. Vielmehr müsse mit Sachverstand differenziert und analysiert werden. Im IIT jedenfalls forsche man unabhängig vom Tagesgeschehen. Man dürfe gespannt sein auf die Forschungsergebnisse in nächster Zeit.

Pistorius: Islam und Muslime willkommen

Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) erklärte, die Ideologie des Salafismus bilde, ohne Zweifel, einen fundamentalen Gegenentwurf zum Grundgesetz. Sie befinde sich deshalb auch auf Konfrontationskurs mit den gesellschaftlichen Grundsätzen und Werten. Pistorius stimmte Bülent Uçar zu, dass man in der Sache nicht dämonisieren dürfe, er widersprach allerdings der Auffassung, man müsse quantifizieren. Es sei eben keine Frage, ob einhundert, fünfhundert oder tausend Extremisten vorhanden seien. Man dürfe nicht außer Acht lassen, dass gerade junge Menschen, in bestimmten Alter, für „Irrungen und Wirrungen“ empfänglicher seien. Daher müsse vor dem Salafismus und seiner Ideologie früh gewarnt und aufgeklärt werden, erklärte Pistorius.

Demokratiefeindlichen Tendenzen müsse schnell entgegengetreten werden und nicht erst dann, wenn sie sich stark ausgebreitet haben, erklärte Pistorius. Dies sei der Schlüssel für eine „wehrhafte Demokratie“. Die Sicherheitsbehörden unterscheiden laut Pistorius zwei verschiedene Strömungen des Salafismus: Dschihadisten, die zu Gewalt und Terror griffen, und jene, die sich von Gewalt distanzierten aber dieselben demokratiefeindlichen Überzeugungen teilten. „Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Für ein derartiges Verhalten haben wir in unserer demokratischen Gesellschaft keinen Platz“, sagte Pistorius.

Der niedersächsische Innenminister warnte auch vor Populisten, die den Islam pauschal als gefährlich darstellten. Damit werde ein Spalt in die Gesellschaft getrieben und der Nährboden für religiöse Extremisten vergrößert. „Der Islam und die Muslime sind willkommen, und sie sind sogar zu einem festen Bestandteil unserer Gesellschaft geworden“, betonte Pistorius. Der Innenminister erklärte, er sehe Moscheegemeinden als wichtige Partner im Kampf gegen religiöse Radikalisierung: „Lassen Sie uns diese erfolgreiche Zusammenarbeit fortsetzen, um den Gefahren des Salafismus und auch der Islamfeindlichkeit weiterhin entschieden entgegenzutreten.“

Was kann man tun?!

Der Islamwissenschaftler Dr. Götz Nordbruch (ufuq.de) hielt einen Vortrag über Radikalisierungsprävention in Europa. Er stellte dabei verschiedene Modelle, Methoden und Erfahrungen aus Groß-Britannnien, Frankreich und Dänemark vor. In seinem Vortrag hob Nordbruch das Modell Großbritannien hervor. Er machte darauf aufmerksam, dass es in Großbritannien vor allem um Projekte geht, die zur Unterstützung der „communities“ beitragen sollen. Präventionsarbeit wird dort als mehr verstanden, als im deutschen Kontext. Es gehe vielmehr darum, die gesellschaftlichen Strukturen aus einer multikulturellen Perspektive zu stärken. Nordbruch präsentierte hierzu das französische Modell. Dort werde keine Präventionsarbeit geleistet, sondern Überwachung und Verfolgung als repressive Ansätze gepflegt.

Claudia Dantschke (Zentrum für Demokratische Kultur) wiederum beschrieb die verschiedenen Strömungen innerhalb des Salafismus und gab Einblick in eine Subkultur, die sie als „Pop-Jihad“ bezeichnet. Dabei zeigte Dantschke, wie mit einfachen Mitteln eine mehrschichtige Ideologie der Salafisten auf einzelne Plakate heruntergebrochen wird. Sie beschrieb zudem das Projekt Hayat, in dem Eltern, deren Kinder abzugleiten drohen oder abgeglitten sind, betreut werden. Der Ansatz von Hayat ist eigentlich keine Prävention mehr, sondern Intervention. Dennoch betreibt das Zentrum für Demokratische Kultur diese Arbeit auch als Informationsgeber und Aufklärer, z.B. durch Handreichungen oder Workshops mit muslimischen Gemeinden.

Prof. Dr. Harry Harun Behr von der Universität Erlangen hingegen wollte etwas über die Präventionsarbeit an Schulen vermitteln, verstrickte sich jedoch in eine Mischung von eigener Historie und Entwicklung aus einem strengen Islam. Andy Abbas Schulz von der Lichtjugend, der eigentlich etwas über die Arbeit von Gemeinden erzählen sollte, verrannte sich in Eigenlob darüber, welche Auszeichnungen die Gemeinde bereits von staatlichen Stellen erhalten hat. Interessante Ansätze gab es kaum, und wenn doch, warfen sie mehr Fragen auf, als sie beantworteten.

Keine Ideen wie man Prävention betreiben soll

Der Vortrag von Michael Kiefer (IIT) zu Fallstricken und Möglichkeiten der Präventionsarbeit war dann eher eine Motivationsbremse und Desillusionierung für die Zuhörer. Kiefer erklärte mehrfach, dass man gar nicht so genau wisse, wie man mit dem Phänomen des Salafismus umgehen soll. Echte Prävention gebe es gar nicht. Es handele sich vielmehr um ein Herumstochern im Dunklen, um ein ausprobieren von Ideen und Ansätzen. Ähnlich wirkte dann auch das Abschluss-Panel zur Veranstaltung. (iQ/KNA)

Leserkommentare

Andy Abbas Schulz sagt:
Vielen Dank für den Interessanten Artikel. Da ich in dem Artikel erwähnt werde würde ich gerne noch kurz Stellung beziehen. Meine Aufgabe war es positive Beispiele der Gemeindearbeit aus muslimischer Sicht im Bereich der Extremismusprävention darzustellen. Und dies sollte ich am Beispiel unseres Vereines tun. Daher ist es denke ich angemessen in einem Nebensatz zu erwähnen das dieser Verein für seine Arbeit im Jahr 2011 als Botschafter für Demokratie und Toleranz und im Jahre 2010 mit dem Berliner Präventionspreis ausgezeichnet wurde. Was der Artikel nicht erwähnt sind die zahlreichen positiven und auch erfolgreichen Aspekte der muslimischen Gemeindearbeit (nicht nur unseres Vereines) die bereits von vielen Gemeinden in Deutschland geleistet werden und die in dem Vortrag angesprochen wurden. Vielleicht wäre es nicht falsch gewesen auch darüber in ihrem Artikel zu berichten? Was nützt es wenn muslimische Gemeinden erfolgreiche Präventionsarbeit leisten, diese aber keine Erwähnung und somit keine Öffentlichkeit bekommt. Hier hätten sie eine Möglichkeit gehabt über ihren Artikel ein paar Beispiele anzuführen. So kommt die Osnabrücker Zeitung in ihrem Artikel: "Tagung zum Thema Salafismus in Osnabrück" auch zu einer ganz anderen Einschätzung der Veranstaltung http://www.noz.de/lokales/osnabrueck/artikel/455412/tagung-zum-thema-salafismus-in-osnabruck Ich danke ihnen für die Möglichkeit zu ihrem Artikel bezug nehmen zu dürfen. Andy Abbas Schulz
06.03.14
17:00