Corona-Krise

Ramadan ohne Moschee und Gemeinschaft

Die Corona-Krise hat das muslimische Leben in Deutschland verändert. Auch der Ramadan wird spürbar anders sein. Islamische Religionsgemeinschaften setzen auf die Digitalisierung. Ein Überblick über die Angebote.

23
04
2020
Symbolbild: Ramadan ohne Moschee Shutterstock, bearbeitet by iQ.
Symbolbild: Ramadan ohne Moschee Shutterstock, bearbeitet by iQ.

Am Freitag beginnt für Muslime weltweit der Fastenmonat Ramadan. Traditionell wird er mit Gemeinschaftsgebeten in der Moschee und dem Iftar, zusammen mit Verwandten und Freunden verbracht. In Zeiten der Corona-Pandemie ist das nicht möglich.

Entsprechend den Empfehlungen und Vorgaben von Bund und Ländern haben die islamischen Religionsgemeinschaften ihre Moscheen geschlossen und die Gemeinschaftsgebete sowie alle anderen Versammlungen ausgesetzt. Aufgrund der andauernden Maßnahmen werden Muslime diesen Ramadan wohl zu Hause verbringen. Es wird ein Ramadan ohne Moscheebesuch und ohne Iftar-Einladungen. Stattdessen setzt man auf Online-Angebote. IslamiQ hat bei den Gemeinschaften nachgefragt.

„Die Moschee ist nicht zu ersetzen“

Der Islamrat und die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) haben Online-Angebote erstellt. “Es ist jetzt schon klar, dass der bevorstehende Ramadan ein anderer sein wird”, erklärt Murat Gümüş, Generalsekretär des Islamsrats und stellvertretender Generalsekretär der IGMG gegenüber IslamiQ. Aufgrund der Moscheeschließungen habe man sich über technische Möglichkeiten an die Umstände angepasst. “Traditionelle Gesprächs- und Koranrezitationszirkeln wurden auf das Internet verlagert. Zusätzlich dazu zeichnen wir derzeit Koranrezitationsvideos mit unseren Jahrgangsbesten in der Koranrezitation auf. Diese werden im Ramadan täglich über unseren Youtube-Kanal Camia TV ausgestrahlt werden. Auch sollen Predigten und Lesezirkel auf Deutsch übertragen werden. Zudem möchte man ein Iftar-to-go-Service anbieten.“

Die Gemeindemitglieder haben in Zeiten der Corona-Krise verstanden, was die Moschee für sie eigentlich ausmache. „Die Menschen sehnen sich sehr stark nach der Moschee. Nach dem ruhigen Verweilen, der netten Unterhaltung bei einem Tee nach den Gesprächszirkeln im Gemeinschaftsraum. Kinder zum Beispiel vermissen das Toben im Gebetsraum während ihrer Pause“, so Gümüş weiter.

Auch in Krisenzeiten haben Moscheegemeinden gezeigt, dass auf sie Verlass sei: „Das zeigen ganz besonders die vielen Helferinnen und Helfer, die an den Nachbarschaftsprojekten teilnehmen und für Ältere und Kranke den Einkauf erledigen, oder indem sie tausende Mund-Nasenmasken anfertigen und sie an u. a. Pflegeeinrichtungen verteilen. Oder indem sie in vielen Städten Mahlzeiten an Obdachlose und Gestrandete in Hauptbahnhöfen verteilen“, erklärt Gümüş. Der Ursprung für dieses Gemeinschaftsgefühl sei die Moschee. Und die sei im religiösen Leben nicht zu ersetzen. „Das Internet kann eine Zeit lang überbrücken, die Moschee jedoch nicht ersetzen“, betont Gümüş abschließend.

Muslime werden Ramadan zu Hause begehen

„Die Religion kann in dieser Zeit Kraft spenden“, erklärt DITIB-Generalsekretär Abdurrahman Atasoy auf Anfrage von IslamiQ. Daher versuche man mit vielen Alternativangeboten den Menschen beizustehen. „Die Religionsausübung in den Moscheen wäre natürlich eine Bereicherung, vor allem in dem Monat Ramadan.“ Das könne jedoch nur mit Vorsicht und Sorgfalt angegangen werden. Die Gesundheit habe Vorrang. „Die Bemühungen, das Ansteckungsrisiko zu vermindern, sollten ebenso fortgeführt werden“, betont Atasoy weiter. Hierfür werden aktuell Konzepte erarbeitet.

Nachdem die DITIB die Entscheidung traf, die Moscheen für Gemeinschaftsgebete auszusetzen, wurden Online-Predigten, Frage-Antwort-Runden und Online-Seminare organisiert. Diese werde die DITIB auch im Ramadan beibehalten und das Angebot weiter ausbauen. „Es ist wichtig, dass den Menschen in diesen Zeiten die Möglichkeit auf Austausch und Bildung des Geistes gegeben wird“, erklärt Atasoy.

Darüber hinaus startete die DITIB ein Projekt zur Nachbarschaftshilfe, um ältere Menschen und Risikogruppen in dieser Krisenzeit zu helfen. Es gehöre zu den besonderen Aspekten des Ramadan, dass Muslime in dieser Zeit verstärkt für notleidende Menschen sorgen. Generell werden Muslime diesen Ramadan zu Hause begehen. Die Festtagsgebete und die gemeinsame Iftar-Abende, „werden schmerzlich vermisst werden.“ Das alles mindere aber nicht den Segen, der im Ramadan enthalten sei.

ZMD: Krise hat Vielfalt der Moschee hervorgehoben

Für den Generalsekretär des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Abdassamad El Yazidi, seien die Vorbereitungen auf den Monat Ramadan in diesem Jahr geprägt von der Corona-Pandemie und ihrer Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben in Deutschland. „Unser Moscheegemeinden haben ihre Vorbereitungen für den Ramadan vernachlässigt und all ihre Mittel und Möglichkeiten der Seelsorge und des Dienstes an hilfsbedürftigen Mitmenschen gewidmet“, so El Yazidi. Dem ZMD-Generalsekretär zufolge war die Moschee nie ein reiner Ort des Gottesdienstes, sondern darüber hinaus ein Zentrum der Sozialarbeit der Seelsorge und der Wohlfahrt. Die Corona-Krise habe diese Vielfalt wieder hervorgehoben.

„Nach aktuellem Stand sieht es danach aus, dass wir unsere Moscheegemeinden nicht oder nur mit hohen Einschränkungen öffnen werden“, erklärt El Yazidi weiter. So traurig das für Muslime auch sein werde, habe der Schutz von Gesundheit und Leben im Islam höchste Priorität. „Das Vakuum der fehlenden physischen nähe und der persönlichen Begegnung versuchen wir mit verschiedenen Online-Projekten entgegenzuwirken“. Außerdem arbeite der ZMD an verschieden Konzepten, so z. B. einem „Iftar to go“, um bedürftige Menschen im Monat Ramadan weiterhin zu unterstützen.

ATIB: Bruch in der Ramadan-Tradition 

Aufgrund der Corona-Pandemie gebe es zum ersten Mal einen Bruch in der Ramadan-Tradition und dem muslimischen Leben in Deutschland. „Dieses Jahr wird Gefühl des Zusammenhalts, das Beisammensein, die gemeinschaftlichen Gebete und das Fastenbrechen in der Gemeinde mit Bedürftigen in der Nachbarschaft aufgrund der Folgen der Pandemie Einbußen erleiden werden“, erklärt ATIB-Vorstandsmitglied Mehmet Alparslan Çelebi auf Anfrage von IslamiQ.

So wurden Moscheen dazu aufgefordert sich zu digitalisieren, um ihre Dienstleistungen und Ramadan-Angebote in die Wohnungen der Gemeindemitglieder zu tragen. So bietet die ATIB ihre Seminarreihen, Koran-Rezitationszirkel, Lesezirkel, Kulturabende auch im Ramadan weiterhin auf Online-Plattformen an. Außerdem werden die Imame abwechseln Online-Nachtprogramme anbieten.

Ob Muslime den diesjährigen Ramadan in den Moscheen begehen können sei noch unklar. Eines stehe aber fest: „Keine Moscheegemeinde wird die Gesundheit der Muslime riskieren und jede Gemeinde ist daher sehr vorsichtig bei der Ausarbeitung eines Gemeinsamen Maßnahmenkatalogs.“, betont Çelebi.

Die Digitalisierung habe jedoch die Stellung der Moschee für die Mitglieder der ATIB-Gemeinden nicht geändert. „Moscheen erfüllen im Islam seit Anbeginn die Aufgabe des Zusammenkommens für das gemeinsame Gebet und den Austausch“, so Çelebi weiter. Das werde auch im digitalen Zeitalter so bleiben. Er hoffe, dass alle Menschen die notwendigen Lehren für die Zukunft ziehen und gestärkt aus der Krise gehen.

Leserkommentare

Johannes Disch sagt:
Ramadan digital! Man geht mit der Zeit. Prima.
23.04.20
14:53