Neuseeland

Jacinda Ardern verdient den Friedensnobelpreis

Christchurch und die Medien. Manche Berichterstattungen über das Attentat nutzen eher dem Täter als den Opfern und Hinterbliebenen. Neuseeland hingegen zeigt, wie es richtig gemacht werden kann. Ein Beitrag von IslamiQ-Chefredakteur Ali Mete.

24
03
2019
Jacinda Ardern (c)shutterstock, bearbeitet by iQ
Jacinda Ardern (c) shutterstock, bearbeitet by iQ

Nach jedem Terroranschlag wird reagiert. Menschen trauern, Politik, Medien und Religionsgemeinschaften kondolieren, verurteilen und distanzieren sich. Ob und wie reagiert wird, sagt viel über den Standpunkt aus. So verhält es sich auch mit den Reaktionen und der medialen Berichterstattung nach dem Terroranschlag auf zwei Moscheen in Christchurch. 

Am 15.3.2019, kurz vor dem Freitagsgebet, stürmt ein 28-jähriger Terrorist die Al-Nur-Moschee und erschießt am helllichten Tag 49 Menschen. Zwei weitere Menschen erliegen in später ihren Verletzungen. Der Zeitpunkt, der Ort und die Waffen, die mit Hinweisen auf die rassistische Ideologie des Attentäters beschriftet waren, aber auch das sogenannte „Manifest“, lassen keinen Zweifel an dem Hauptmotiv: Islamhass. 

Zwei Seiten einer Medaille

Wie gehen Öffentlichkeit und Medien mit dem Anschlag um? Auf der einen Seite der Medaille sehen wir echte Anteilnahme, Empathie und menschliches Mitgefühl. Kurze Zeit nach dem Anschlag sprach Premierministerin Jacinda Ardern von einem „terroristischen Angriff“. In den darauffolgenden Tagen sucht sie persönlich das Gespräch mit der muslimischen Gemeinde und trauert mit ihnen. 

In Deutschland, nach Frankreich das Land mit der größten muslimischen Bevölkerung, reagieren Muslime und Nichtmuslime mit Abscheu und Entsetzen. Die Vertreter der großen Religionsgemeinschaften machen deutlich: Rassismus und Islamfeindlichkeit haben schwere Folgen. Es werden Trauermärsche und Solidaritätsveranstaltungen organisiert, an denen auch die Politik und Zivilbevölkerung teilnimmt. 

Für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) handelt es sich bei dem Angriff um einen „perfiden Angriff auf Betende und ihre Gotteshäuser“. „Der gegen muslimische Mitbürger gerichtete Anschlag ist auch ein Angriff auf die neuseeländische Demokratie und die offene und tolerante Gesellschaft.“ Unzählige Menschen in ganz Europa besuchen Moscheen oder hinterlassen Blumen und Beileidsbotschaften vor Moscheen. Das Bistum Limburg ruft die Aktion „Friday‘s for prayer“ ins Leben und lädt Nichtmuslime dazu ein, aus Solidarität das Freitagsgebet zu besuchen. Das ist die eine Seite der Medaille. 

Auf der anderen Seite dieser Medaille haben wir eine unverantwortliche, ethisch fragwürdige Berichterstattung. Es ist kein Klischee. Manche Medien tragen mit dazu bei, dass Islamfeindlichkeit und Rassismus eine breite Basis gewinnen. Ein besonders perfides Beispiel hierfür ist die Titelstory des Berliner Blatts „BZ“, einer „modernen Boulevardzeitung“, wie sie sich nennt. Am 16.3.2019 titelt sie: „Er tötete Unschuldige aus Rache für den Terror am Breitscheidplatz“. Darüber ist ein Foto des Terroristen und daneben seine Waffe abgebildet, mit etlichen Hinweisen auf seine zerstörerische Ideologie. 

Was möchte die Zeitung, stellvertretend für andere, damit sagen? Einen Tag nachdem Dutzende Menschen kaltblütig ermordet wurden, laut Facebook sogar vor den Augen von mindestens 200 Live-Zuschauern, von denen keiner das Video gemeldet hat? Was soll die Botschaft sein? Selbst schuld? „Wie du mir, so ich dir“? „Auge um Auge, Zahn um Zahn“? Der Titel erweckt jedenfalls den Eindruck, als konnte der Attentäter gar nicht anders als sich zu „verteidigen“. Der Täter handelte quasi aus einer Art kranker „Notwehr“ heraus. 

Medien sind mit schuld

Die BZ, genauso wie einige andere Medien, macht sich mitschuldig. Sie geben dem Terroristen ein Gesicht, nennen seinen Namen, erklären, warum er so gehandelt hat oder sogar so handeln musste. Sie zitieren das Bekennerschreiben, oft ohne es einzuordnen. Das ist ihnen anscheinend nicht wichtig. Manche verbreiten sogar Auszüge aus dem menschenverachtenden Video oder drucken Fotos davon ab. So etwa die „Bild“-Zeitung einen Tag nach dem Anschlag. Inhaltlich nützt das zu nichts anderem, als Angst und Schrecken zu verbreiten. Sie sprechen mehr vom Täter als von den Opfern. Sie analysieren lieber die Tiefen der gestörten Psyche des Täters und die Details der Tat, was eigentlich Sache der Kriminalpolizei ist, anstatt sich den vielen Reaktionen, den Solidaritätsbekundungen und der Trauer zuzuwenden.  

Das ist ethisch unverantwortlich, auch aus Sicht des Pressekodexes. Damit spielen sie dem Terroristen in die Hände. Sie unterstützen ihn, bei dem, was er erreichen will: sich und seiner Ideologie Bekanntheit verschaffen. Sie folgen seiner Strategie, wonach Blut fließen muss, um Gehör zu finden. Pure Motivation für Nachahmer.

Es tut gut zu sehen, dass es auch Medien gibt, die verantwortungsvoll handeln, so etwa die Süddeutsche Zeitung, in der Ronen Steinke verdeutlicht, dass Christchurch nicht als lokaler Terrorismus abgetan werden kann. Terroristen sind weltweit vernetzt. Das ZDF verzichtet darauf, das Video oder auch nur Teile davon zu zeigen. Die Hamburger Morgenpost titelt am 16.3.2019 auf der leeren schwarzen Titelseite: „Der Massenmörder von Christchurch filmte sich bei seiner monströsen Tat, damit diese Bilder um die Welt gehen. Von uns bekommt er dafür keinen Platz.“

Auch Neuseeland ist ein gutes Beispiel. Die Premierministerin hat es tunlichst vermieden, den Attentäter beim Namen zu nennen oder von ihm zu sprechen. Stattdessen spricht sie mit den Hinterbliebenen und gedenkt den Opfern. In Zeiten von Populismus und Rassismus ist das ein Verhalten, das den Friedensnobelpreis verdient. 

Leserkommentare

Salim Spohr sagt:
As-salamu alaikum. Der Satz jener Frau Premierminister Jacinda Ardern, der mich am meisten beeindruckte und immer noch beeindruckt, hatte gelautet: "They are us." – das war das Schönste, was mir im Zusammenhang mit den Ereignissen in Christchurch aus nichtmuslimischem Mund zu Ohren gekommen war: Das heißt: "Sie (die muslimischen Opfer), das sind wir (alle in Neuseeland)". Seit Christchurch wird in muslimischen Foren immer wieder gefragt, wie wir Muslime reagieren sollten. Und ein Professor Hajo Funke forderte gut begründet "mehr Härte gegen Islamhaß". Es scheint, dies sollte neben den Medien vor allem für deutsche Behörden, besonders die Exekutive sowie die Politik gelten. Für uns Muslime aber sollte das Verhalten Nichtmuslimen gegenüber (weiterhin und nach dem Vorbild Rasulillāhs ﷺ) vor allem von dem Ziel bestimmt sein, deren Herz zu treffen. Mit Blick auf die Ereignisse in Christchurch könnten wir dazu von einer Passage des Korans getröstet und geleitet sein, wo es heißt: وَلَا تَحْسَبَنَّ الَّذِينَ قُتِلُوا فِي سَبِيلِ اللَّـهِ أَمْوَاتًا ۚ بَلْ أَحْيَاءٌ عِندَ رَبِّهِمْ يُرْزَقُونَ ("Haltet die auf dem Wege Allahs Ermordeten nicht für tot. Nein, sie leben und finden in der Gegenwart Allahs Versorgung" (3:169)). – Gern wüßte ich, über was der Hoca der Nūr-Moschee in Christchurch in seiner Khutbah zu sprechen im Begriff war, als der Überfall begann. – Weiß das jemand?
24.03.19
19:25
Chirine Amkhatriou sagt:
Jacinda Ardern hat meiner Meinung nach den Friedensnobelpreis verdient weil Sie in den letzten Tagen gezeigt hat was es heißt Mensch zu sein.
25.03.19
8:23
Kafira sagt:
Man kann's auch übertreiben Gruss
25.03.19
10:55
KeinName sagt:
Es ist traurig dass sie sich ein Kopftuch aufgesetzt hat. Damit macht sie die Probleme im Land nur schlimmer, weil das wiederum genau das bestätigt was "die anderen" befürchten...
25.03.19
15:19
Prinzessin Rosa sagt:
Ja Kafira, richtig gesagt, der Attentäter hat definitiv übertrieben, schön das du das erkannt hast.
25.03.19
21:21
Kafira sagt:
L.S. 'simonstylos' schreibt: » - - - zusammenschließen, um gegen diese unmenschlichen Ideologien anzukämpfen.« Ich meine: Sie haben Recht, Simonstylos. Eh - - mit der unmenschlichen Ideologie meinen Sie doch sicher die Ideologie Islam, nicht wahr? Denn keine Ideologie ist unmenschlicher, hat mehr TerrorMorde auf dem Gewissen. Von Frankreich bis Schweden, von Berlin über Brüssel /Amsterdam, als der Islam. Vom nahen Osten, IS, Jemen wollen wir man gar nicht reden. Dann sind wir also einer Meinung. Denn obwohl ich die AfD und die Partei von Wilders, die von Le Pen nicht gerade leiden kann, so ist von all denen zusammen kein einziger Mord begangen worden. Keine einzige Vergewaltigung. Die Morde der Muslims, alleine in Westeuropa sind nicht mehr zu zählen. Gerade vor ein paar Tagen in Utrecht, Niederlande, hat ein Anhänger der Unmenschlicher Ideologie drei Menschen ermordet, weitere schweben in Lebensgefahr. Ich bin mir sicher, mit der unmenschlicher Ideologie können Sie nur Islam gemeint haben. Gruss, Kafira
26.03.19
0:57
simonstylos sagt:
Sehr geehrte Kafira, sie setzen Islam mit djihadistischem Salafismus gleich, was nicht stimmt. Der Islam ist eine Religion, während der djihadistische Salafismus eine Ideologie ist. Jeder Mord im Namen einer Ideologie ist zu verurteilen. Wie mörderisch Ideologien sind, weiß ich; man braucht nur in die Geschichte (Nationalsozialismus, Stalinismus usw.) schauen. Was aber nicht geht, sind undifferenzierte Behauptungen und die Gleichsetzung von Religionen und Ideologien, was unwissenschaftlich ist und auch die Realität nich trifft. Denn die Realität ist komplexer, als uns die Ideologien weiß machen wollen. Von daher kann ich Ihr dualistisches Weltbild, was ich auch für eine Ideologie halte, nicht teilen.
26.03.19
12:05
Dilaver Çelik sagt:
"Es ist traurig dass sie sich ein Kopftuch aufgesetzt hat. Damit macht sie die Probleme im Land nur schlimmer, weil das wiederum genau das bestätigt was "die anderen" befürchten..." Ganz im Gegenteil: Es war vollkommen gut und richtig so, dass sie damit jenen "anderen", die das Recht zu schweigen haben, eine eindeutige Absage erteilt und Muslimen Respekt erwiesen hat.
31.03.19
0:49
Kafira sagt:
Sehr gehrte simonstylos, Sie haben Ihre Meinung in bewundernswerter weise geäussert. Nicht allen Schreibern gelingt so eine so ausgewogene Responce. Deshalb hier meine Antwort. Die Deutsche Sprache kennt verschiedene Namen für Mohammedaner: Salafisten, Suniten, Muslim, Islamist und abgeleitet islamischer, islamistischer - - Meiner Annahme nach, handelt es bei alle diese Begriffe um das Selbe: um ein Mensch, der das Islamische Glaubensbekenntnis abgelegt hat. (Es gibt nur ein - - ist sein Gesandter. ) Damit ist dieser Mensch lebenslang Mohammedaner, ob er will oder nicht. Zu seiner Pflicht gehört, dass er den Koran ernst nimmt, ihm "lebt" Nun ist der Koran leider durchdrungen von übelster Art Hetze - - ja sogar vielfältig durchdrungen von Mordbefehlen - - gegen 'Ungläubige' Manchmal habe ich das Gefühl, die nicht mordende Muslims seienim Koran mit "Ungläubigen" gemeint, weil sie gegen Allahs vielfältige koranische Mordbefehle verstossen; m.a.W friedliche Muslims sind. . Sie, werte Simonstylos, vergleichen den Islamismus mit dem NS. Die hatten -- wie der Islam -- auch ein Propaganda-Buch, " Mein Kampf" Die Verachtung, welche im Koran die " Ungläubigen " erhalten, war in Mein Kampf den Juden zugedacht. Als weitere Parallele zwischen beide Ideologie-Bücher sehe ich, dass die betroffene IdeologieGegner , (Juden Ungläubige ) den Ernst der Lage so lange unterschätzt haben, bis sie selber Opfer wurden. Sicher viele weitsichtige Juden emigrierten in sichere Länder ZB USA aber zu viele blieben und wurden ermordet. Sie, Sehr gehrte simonstylos, Sie haben Ihre Meinung in bewundernswerter weise geäussert. Nicht allen Schreibern gelingt eine so ausgewogene, höfliche Beschreibung. Hier meine Antwort. Die Deutsche Sprache kennt verschiedene Namen für Mohammedaner: Salafisten, Sunniten, Muslim, Islamist und abgeleitet islamischer, islamistischer - - Meiner Annahme nach, handelt es bei all diese Begriffe um das Selbe: um ein Mensch, der das Islamische Glaubensbekenntnis abgelegt hat. (Es gibt nur ein - - ist sein Gesandter. ) Damit ist dieser Mensch lebenslang Mohammedaner, ob er will oder nicht. Zu seiner Pflicht gehört, dass er den 'edlen' Koran ernst nimmt, ihm "lebt" . Nun ist der Koran leider durchdrungen von übelster Art Hetze - - ja sogar vielfältig durchdrungen von Mordbefehlen - - gegen 'Ungläubige' Manchmal habe ich das Gefühl, die nicht mordende Muslims seien mit " Ungläubigen " gemeint, weil sie gegen Allahs vielfältige koranische Mordbefehle verstossen; m.a.W friedliche Muslims sind. . Sie, werte Simonstylos, vergleichen den Islamismus mit dem NS. Diese hatten - wie der Islam - ein Propaganda-Buch, " Mein Kampf " Die Verächtung, welche im Koran die "Ungläubigen " erfahren, war in Mein Kampf den Juden zugedacht. Sie werfen mir vor, Islam mit jihadistischem Salafismus gleich zu setzen. Das stimmt, schliesslich haben alle "Es gibt nur - - " gesprochen, sind also Muslims. So kennt das Christentum Protestanten, Römisch-Katoliken-, Batisten, Russisch-Ortodoxen usw . Allen eint der Glaube, Jesus habe ihre Lebens-Regeln aufgestellt. Gleichsam sind alle von Ihnen genannte Strömungen "Islamiten, Islamisten, Muslims - - . - - - Mohammedaner. Die genaue Differenzierung überlassen wie lieber den Mufties. Zum Schluss möchte ich Hinweisen auf dem barbarischen Charakter des Islam, in dieser Woche offenbart vom Sultan von Brunei. Welcher Naiveling auch immer jemals gedacht haben mag, der Islam sei ein friedlicher Verein, dem hat der Sultan (selber islamistisch ) die Augen geöffnet. Gruss, Kafira.
02.04.19
1:19
Frederic Voss sagt:
Für den Erhalt des Friedensnobelpreises gibt es viele andere Menschen, die diese Auszeichnung weit mehr verdienen würden.
11.04.19
2:40
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