Österreich

IGGÖ bezieht Stellung zur Moscheeschließung

In Österreich wurden Moscheen geschlossen, Imame ausgewiesen und eine arabische Gemeinde komplett aufgelöst. Dabei stehen auch die Islamischen Religionsgemeinschaften in der Kritik. Die IGGÖ hat nun Stellung bezogen.

10
06
2018
IGGÖ
IGGÖ bezieht Stellung zum Anti-Terror-Paket und dem Islamgesetz © IGGÖ/screenshot

In Österreich wurden in den vergangenen Tagen sieben Moscheen geschlossen, 40 Imame des Landes verwiesen und eine arabische Kultusgemeinde komplett aufgelöst. Die Gründe hierfür seien Verstöße gegen das Islamgesetz. „Wir handeln damit entschieden und aktiv gegen Fehlentwicklungen und die Bildung von Parallelgesellschaften – und werden das auch weiterhin tun, wenn es zu Verstößen gegen das Islamgesetz kommt“, erklärte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Freitag in Wien.

Muslimische Vertreter, aber auch Islamwissenschaftler sehen in dem Islamgesetz jedoch eine klare Benachteiligung der Muslime im Land. Daher sei die aktuelle Entwicklung nicht überraschend. Dabei stehen auch die islamischen Gemeinschaften in Österreich in der Kritik, da sie zur Einführung des Islamgesetzes beigetragen hätten. Nun hat sich die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) zu den aktuellen Moscheeschließungen geäußert. Es folgt die Stellungnahme im Wortlaut.

IGGÖ empört über die Vorgehensweise der Bundesregierung 

„Am letzten Freitag im Fastenmonat Ramadan, nur Stunden vor dem Freitagsgebet eine spontane Pressekonferenz anzusetzen, bei der die Schließung mehrerer Moscheen verkündet wird, ist ein Affront gegen die Musliminnen und Muslime in Österreich. Dies scheint auch den Regierungsvertretern bewusst zu sein, die mehrfach betonten, dass man eng mit der IGGÖ kooperiert habe. Dazu ist freilich festzuhalten, dass man es nicht einmal für nötig befand, die IGGÖ vorab über die präsentierten Maßnahmen zu informieren. Diese Vorgehensweise war jedenfalls nicht mit der IGGÖ akkordiert.

Unter dem Schlagwort des Kampfes gegen den politischen Islam haben vier Vertreter der österreichischen Bundesregierung, darunter auch der Bundeskanzler, am letzten Freitag zu einer Pressekonferenz eingeladen und ihr Maßnahmenpaket, welches die Schließung von Moscheen und die Ausweisung von Imamen beinhaltet, präsentiert. Eine sachliche Begründung, wie die Selektion der zu schließenden Vereine erfolgte, ist nicht ersichtlich. Wenn man sich mit dem Problem ernsthaft und tiefgründig auseinandersetzt, ist unschwer zu erkennen, dass die genannten Maßnahmen nicht zur Bekämpfung eines politischen Islams geeignet sind, sondern im Ergebnis lediglich zu einer Schwächung der Strukturen der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich führen. So erlaubte das Vereinsgesetz auch vor dem Islamgesetz schon die Schließung gesetzwidriger Vereine.

Mit dem Islamgesetz wurde der Glaubensgemeinschaft die Verantwortung über die Kontrolle sämtlicher islamischer Einrichtungen überantwortet, ohne ihr staatliche Unterstützung zukommen zu lassen. Bislang war die Vereinsbehörde und somit das Innenministerium für die Überwachung gesetzwidriger Aktivitäten zuständig. Nunmehr wird aus politischem Kalkül heraus jede fragliche oder der Regierung gesetzwidrig erscheinende Handlung mit dem Islamgesetz geahndet und damit die Glaubensgemeinschaft als Ganzes in Verruf gebracht. Besonders unverständlich ist auch die Tatsache, dass nunmehr Politiker, welche bis vor kurzem sich noch mit Vertretern der jetzt kritisierten Vereine in Wahlkampfzeiten fotografieren ließen, diese Einrichtungen jetzt als radikale und extremistische Institutionen an den Pranger stellen. Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich verurteilt dieses politische Taktieren aufs Schärfste und lädt die österreichische Bundesregierung dazu ein, wieder auf den Boden der Sachlichkeit zurückzukehren.

Angesichts der aktuellen Situation wird die IGGÖ daher folgenden Drei-Punkte-Plan umsetzen. Erstens wird eine inhaltliche und formelle Prüfung der betroffenen Vereinsstrukturen durchgeführt, um die tatsächlichen Gegebenheiten zu ermitteln und die nötigen Entscheidungsgrundlagen aufzuarbeiten. Sollten sich danach die in den Raum gestellten Vorwürfe erhärten, wird es aus Sicht der IGGÖ auch entsprechende Konsequenzen geben. Zweitens die IGGÖ wird an das Kultusamt herantreten und eine Stellungnahme zu den aktuellen Entwicklungen anfordern, da bis dato eine adäquate Miteinbeziehung nicht erfolgt ist. Zum derzeitigen Zeitpunkt kann die IGGÖ daher nur Mutmaßungen anstellen. Drittens wird in diesem Zusammenhang eine rechtliche Überprüfung der gegenständlichen Maßnahmen beauftragt, da sich auf den ersten Blick aus rechtsstaatlichen Überlegungen heraus zahlreiche juristische Fragestellungen ergeben. Die Schließung von Glaubenseinrichtungen und Gebetsstätten ist nämlich ein drastischer Schritt, der nicht mit Mutmaßungen und Formalitäten begründet werden kann.

Wir dürfen es nicht zulassen, dass Musliminnen und Muslime in der öffentlichen Diskussion immer mehr unter Generalverdacht gestellt werden. Die IGGÖ ist weiterhin ein Garant dafür, dass die Musliminnen und Muslime in Österreich sich nicht auseinanderdividieren lassen und sich geschlossen für ein besseres Miteinander in Österreich einsetzen. Lösungen sollten gemeinsam an einem Tisch erarbeitet werden, statt im medialen Alleingang Politik auf dem Rücken der muslimischen Minderheit zu betreiben. In diesem Sinne möchten wir nochmals allen unseren Moscheen und Vorstandsmitgliedern daran erinnern, dass alle Bestimmungen des Islamgesetzes einzuhalten sind.

Ibrahim Olgun
Präsident der IGGÖ
Wien, am 10. Juni 2018“

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
Schade, dass die IGGiÖ es bevorzugt, sich mit den schwarzen Schafen zu solidarisieren.
10.06.18
20:57
Dilaver Çelik sagt:
Das Recht schaut auf die Hand. Und nicht ins Herz. Was im Herzen ist sowie gegen die Ungerechtigkeit der österreichischen Regierung in Gewand einer Gesetzesauslegung Widerstand zu leisten können niemals kriminalisiert werden. Danke, liebe İGGÖ.
11.06.18
4:37
Ute Fabel sagt:
@ Dilaver Celik: "Das Recht schaut auf die Hand. Und nicht ins Herz." Da gebe ich Ihnen recht! In Österreich sind zahlreiche Bilder von Kindern in Uniform aufgetaucht, die in Moscheen zu militärischen Übungen angehalten wurden, flankiert von sichtlich begeisterten Eltern und anderen gläubigen Moscheebesuchern. In manchen österreichischen Moscheen wird leider keineswegs menschliche Herzenswärme gepflegt, sondern Waffen in der Hand hochgehalten.
14.06.18
8:40
Dilaver Çelik sagt:
@Ute Fabel Die Türken gedenken jährlich an Gallipoli in den Moscheevereinen. Dazu ist es auch üblich, dass Kinder in einem Theaterstück tapfere türkische Soldaten spielen, welche ihr Land verteidigt haben und ehrenhaft gefallen sind. Jede türkische Familie hat bei Gallipoli mindestens einen Angehörigen verloren. Ihrer zu Gedenken - egal wo man lebt - ist der türkischen Community sehr wichtig. Man kann der türkischen Community weder vorschreiben, wie sie ihre Erinnerungskultur zu pflegen hat, noch kann man ihr ihre Erinnerungskultur absprechen, dämonisieren, verbieten oder gar kriminalisieren. Auch wenn das gewissen Leuten nicht passt.
20.06.18
18:00
gregek sagt:
Auch die türkische sowie muslimische Community muss Kritik aushalten. Wenn ihr das nicht passt, muss sie eben die Koffer packen.
23.06.18
20:16