Muslime in Österreich haben im Begutachtungsverfahren eine umfassende Stellungnahme zum geplanten Kopftuchverbot eingebracht. Der Entwurf diskriminiere muslimische Mädchen und widerspreche der Verfassung.

Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) hat den von Türkis, Rot und Pink eingebrachten Entwurf für ein neuerliches Kopftuchverbot an Schulen scharf kritisiert. Noch bis Donnerstag befindet sich der Gesetzesvorschlag zur „Stärkung der Selbstbestimmung von unmündigen Mädchen“ in Begutachtung. Er sieht vor, dass Schülerinnen unter 14 Jahren künftig kein Kopftuch mehr tragen dürfen.
Während das SPÖ-geführte Justizministerium bereits Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit äußerte, warnt nun auch die IGGÖ vor weitreichenden rechtlichen und gesellschaftlichen Folgen.
In ihrer umfangreichen Stellungnahme spricht die IGGÖ von einem „verfassungs- und menschenrechtswidrigen Eingriff in die Religionsfreiheit“, der eine „bestimmte Bevölkerungsgruppe diskriminiert und den verfassungsrechtlichen Auftrag pluralistischer Bildung unterminiert“. Der Gesetzesentwurf verstoße stehe in „eklatantem Widerspruch zu den verfassungs- und menschenrechtlichen Garantien der Religionsfreiheit, der Gleichbehandlung und des Elternrechts auf religiöse Erziehung“, so die IGGÖ.
Das geplante Verbot sei „kein legitimes Mittel zur Förderung kindlicher Selbstbestimmung“. Der Verweis auf das Kindeswohl diene als „pauschale Rechtfertigung“, ohne dass ein konkreter Zusammenhang mit einem tatsächlichen Schutzbedarf bestehe. „Im Gegenteil, die Selbstbestimmung des Kindes wird konterkariert“, heißt es in der Stellungnahme. Die Glaubensgemeinschaft verweist darauf, dass bestehende Mechanismen im Kinder- und Jugendhilferecht bereits ausreichen, um Kinder vor Zwang oder Missbrauch zu schützen.
Zugleich erinnert die IGGÖ an das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (G 4/2020), der das erste Kopftuchverbot 2020 aufgehoben hatte. Der nun vorliegende Entwurf unterscheide sich „inhaltlich nicht wesentlich“ vom damaligen Gesetz. „Ein erneuter Vorstoß in dieser Form widerspricht dem klaren Spruch des Höchstgerichts und gefährdet das Vertrauen in die Bindung des Gesetzgebers an dessen Entscheidungen“, so die IGGÖ.
In ihrem Schlussplädoyer fordert die Religionsgemeinschaft den Gesetzgeber auf, den Entwurf zurückzuziehen und „stattdessen eine integrative, bildungsorientierte und dialogbasierte Politik zu fördern, die die Selbstbestimmung von Mädchen tatsächlich stärkt, ohne ihre Religionsfreiheit einzuschränken“. Ein freiheitlicher Rechtsstaat, so die IGGÖ, „wahrt Kinderrechte nicht, indem er sie beschränkt, sondern indem er sie verwirklicht“.