Jahresrückblick

Das war wichtig für Muslime im Jahr 2023  

Wir geben einen Überblick über die – aus unserer Sicht – wichtigsten Ereignisse und Berichte aus dem Jahr 2023. IslamiQ wünscht einen guten Start ins neue Jahr und hofft auf ein schönes Jahr 2024.

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Das war wichtig für Muslime im Jahr 2023  
Das war wichtig für Muslime im Jahr 2023  

Nach dem Krisenjahr 2022 hoffte jeder auf ein besseres Jahr. Doch begann das Jahr 2023 mit dem verheerenden Erdbeben in der Türkei und in Syrien und endete mit dem Nahostkonflikt im Gazastreifen. 

Weiterhin waren die steigenden Angriffe auf Muslime und Moscheen, der Bericht des unabhängigen Expertenkreises, das Kopftuchverbot an Berliner Schulen, der 30. Jahrestag des Brandanschlags in Solingen, die Landtagswahlen in Bremen, Hessen und Bayern sowie der Höhenflug der AfD wichtige Themen in Politik und Medien im Jahr 2023.

Zehn Jahre Staatsvertrag in Bremen

 Im Januar jährte sich der Staatsvertrag zwischen dem Land Bremen und den islamischen Religionsgemeinschaften zum 10. Mal. Am 15. Januar 2013 unterschrieb die Freie Hansestadt Bremen einen Staatsvertrag mit der Schura Bremen, dem DITIB-Landesverband Niedersachsen und Bremen und dem Landesverband des Verbands der Islamischen Kulturzentren (VIKZ). Diese Staatsverträge bilden seit nunmehr fast zehn Jahren die Grundlage für kooperative Beziehungen in vielen Bereichen des religiösen und gesellschaftlichen Lebens bilden. Es ist der zweite Vertrag überhaupt in Deutschland, den ein Land mit den Muslimen unterschreibt. Der erste Staatsvertrag wurde am 13. November 2012 in Hamburg unterzeichnet.

Erdbeben in der Türkei und in Syrien

 Das Jahr 2023 Anfang Februar wurde die Türkei und Syrien von einer Katastrophe heimgesucht.  Zwei aufeinanderfolgende Erdbeben mit den Stärken 7,6 und 7,7 mit Epizentren in Kahramanmaraş haben mehr als 50.000 Menschen das Leben gekostet und weitere zehntausende Menschen verletzt. Die Such- und Rettungsmaßnahmen dauerten für Tausende von Menschen mehrere Wochen an. Die Erdbeben legten die Region in Schutt und Asche. Weltweit gab es eine Welle der Solidarität sowie Spenden für die Leidtragenden. Binnen weniger Tage haben islamische Religionsgemeinschaften für die Erdbebenopfer mehrere Millionen Euro gesammelt und weitere Hilfen geleistet.

 Im September erschütterte ein schweres Erdbeben Marokko, das verheerende Auswirkungen hatte. Hinzu kamen schwere Überschwemmungen in Ostafrika und Libyen sowie schwere Erdbeben in Afghanistan und Nepal.

 Landtagswahlen und der Höhenflug der AfD

 In diesem Jahr fanden in Bremen, Hessen und Bayern Landtagswahlen statt. In Bremen haben die SPD und die Grünen und in Hessen haben die CDU und die SPD eine Koalition gebildet. Die CSU hat die Landtagswahlen in Bayern gewonnen und bildete im Freistaat erneut mit den Freien Wählern die Regierung. Zu den Landtagswahlen hatte IslamiQ mehrere Wahlprüfsteine erstellt und die Parteien zu Themen rund um den Islam und Muslime befragt.

 Der Trend ging bei diesen Wahlen allerdings ganz klar nach rechts – und zwar ziemlich weit nach rechts. Die AfD, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird, ist kein ostdeutsches Massenphänomen mehr. 18,4 Prozent in Hessen, 14,6 Prozent in Bayern, zweitstärkste und drittstärkste Kraft – das Ergebnis in Hessen ist das bisher höchste bei Landtagswahlen im Westen. Nun rücken im Jahr 2024 die Landtagswahlen im Osten näher. Es könnte nach den Umfragen ein Erfolgsjahr für die AfD werden.

30 Jahre Solingen

 Gleichzeitig jährte sich dieses Jahr auch der rassistische Brandanschlag von Mölln zum 30. Mal. Zum ersten Mal wurde der Jahrestag ohne Mevlüde Genç, die am 30. Oktober 2022 im Alter von 79 Jahren gestorben ist, begangen. Mevlüde Genç hatte den wohl größten Schmerz erlitten. Ihre zwei Töchter, zwei Enkelinnen und ihre Nichte wurden bei dem Hassverbrechen durch Rechtsextremisten am 29. Mai 1993 in Solingen getötet.

Hadsch ohne Einschränkungen

 Die muslimische Wallfahrt Hadsch in Saudi-Arabien darf dieses Jahr erstmals wieder ganz ohne Einschränkungen und im vollen Umfang stattfinden. Die letzten Jahre waren für Muslime sehr herausfordernd, doch dieses Jahr hatte die Sehnsucht ein Ende. Dieses Jahr werden wieder mehrere Millionen Muslime erwartet.

Im Vorfeld des Hadsch konnten viele Muslime in Deutschland aufatmen und ihre Herzen mit Freude erfüllen, denn der lang ersehnte Hadsch wird in diesem Jahr für sie stattfinden. In den Jahren 2020 und 2021 war es für Menschen aus dem Ausland, aufgrund der Corona-Pandemie, nicht möglich, am Hadsch teilzunehmen.

 Muslimfeindlichkeit – UEM-Bericht wurde vorgestellt

Nach rund drei Jahren hat der unabhängige Expertenkreis Muslimfeindlichkeit (UEM) am 29. Juni Abschlussbericht „Muslimfeindlichkeit – Eine deutsche Bilanz“ vorgestellt. Dem Bericht zufolge stimmt jeder Zweite in Deutschland muslimfeindlichen Aussagen zu. Die Experten forderten einen Sachverständigenrat und einen Bundesbeauftragten gegen Muslimfeindlichkeit.

Es ist der erste Bericht dieser Art. Insgesamt leben rund 5,5 Millionen Muslime in Deutschland, von denen die Mehrheit die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Laut Bericht sind Muslime, die offen ihre religiöse Zugehörigkeit bekennen, ob durch Kleidung oder Mitgliedschaft in Organisationen, am massivsten betroffen. Vor allem kopftuchtragende Frauen berichteten von „besonders drastischen Formen der Anfeindungen“. Männer sehen sich demnach „verstärkt Zuschreibungen von Aggressivität und Gewalt“ ausgesetzt. 

Kopftuchstreit in Berlin

Mit dem Beginn des neuen Schuljahres in Berlin dürfen muslimische Lehrerinnen mit dem Kopftuch an Schulen unterrichten. Das bestehende Kopftuchverbot wurde somit zum Schuljahr 2023-2024 offiziell aufgehoben. Im Februar dieses Jahres nahm das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde des Landes gegen ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum Kopftuchverbot „ohne Begründung nicht zur Entscheidung an“. Entsprechend musste das Neutralitätsgesetz geändert werden. Denn künftig dürfe muslimischen Lehrerinnen in Berlin das Tragen von Kopftüchern nicht pauschal verboten werden.

 Nahostkonflikt und die steigende Islamfeindlichkeit

Am 7. Oktober, wurde Israel von terroristischen Anschlägen überrascht, die unter dem Namen „Aksa-Flut“ durch Hamas verübt wurden. Die Angriffe, die sich zeitgleich mit dem Sukkot-Fest ereigneten, trafen Israel unvorbereitet. Israel hat mit massiven Militäraktionen gegen die Angriffe reagiert. Dabei kamen laut Behörden im Gazastreifen mehr als 21 000 Menschen ums Leben.

Auch drei Monate später halten die Kämpfe weiter an. Seit Wochen drängen die Vereinten Nationen auf einen Waffenstillstand, jedoch ohne richtigen Erfolg. Aktuell sind mehr als 570.000 Menschen im Gazastreifen akut von Hunger bedroht und befinden sich kurz vor dem Verhungern. Die Vereinten Nationen warnen vor einer „weltweit beispiellosen“ Lage in der Region.

Dem kürzlich veröffentlichten Religionsmonitor zufolge habe der Nahostkonflikt zu einer Spaltung in der Gesellschaft geführt. So nehme Rund die Hälfte der Menschen in Deutschland den Islam als Bedrohung wahr. Seit dem Nahostkonflikt haben Muslime einen alarmierenden Anstieg von islamfeindlichen Straftaten verzeichnet. Zu den Delikten zählten neben Körperverletzung auch Beleidigung, Volksverhetzung, Sachbeschädigung sowie die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. 

Auch die Zahl der Angriffe gegen Muslime und Moscheen in Deutschland hat wieder zugenommen. In den ersten neun Monaten wurden bereits mehr Angriffe registriert als im Vorjahr. Insgesamt hat die Polizei 686 islamfeindliche Angriffe erfasst. Die Bundesregierung hat zwischen Juli und September bislang 271 Angriffe auf Muslime, die aus islamfeindlicher Motivation heraus begangen wurden. Darunter galten 20 Angriffe auf eine Moschee. 

EuGH-Kopftuchurteil

Die jüngste Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bezüglich des Tragens von religiösen Symbolen am Arbeitsplatz, insbesondere des Kopftuchs, warf erneut einen Schatten auf die Berufsfreiheit muslimischer Frauen in Deutschland und Europa. Erneut werden Musliminnen vor die Wahl gestellt, ihre Religionsausübung zu verbergen oder ihre beruflichen Ambitionen aufzugeben. Obwohl diese Entscheidungen nicht unmittelbar verbindlich für nationale Gerichte sind, wirken sie sich nachhaltig auf nationale Rechtssysteme aus. Die EuGH-Rechtsprechung wird oft als Leitfaden verwendet und nationale Gerichte neigen dazu, sich an dieser Auslegung zu orientieren.

„Erinnern heißt verändern“ – Sammelband zu Hanau

Dieses Jahr haben wir ein Sammelband mit dem Titel „Erinnern heißt verändern“ zum rassistischen Anschlag in Hanau herausgebracht.  Auch drei Jahre nach dem rassistischen Anschlag in Hanau dauern die Ermittlungen an und die Hinterbliebenen warten auf die versprochene Aufklärung. Gemeinsam mit Autorinnen und Autoren aus Forschung und Praxis beleuchteten wir die politische, mediale, historische und institutionelle Dimension des Anschlags. Klar ist: Hanau war kein Einzelfall.