Moscheeangriffe

Drohbriefe an Moscheen – wie groß ist die Gefahr?

Nach einer Serie von Drohbriefen auf Moscheen fühlen sich Muslime nicht mehr sicher. In mehreren Bundesländern sind Moscheeangriffe rückläufig. Die Drohbriefe seien kein Grund, die Schutzmaßnahmen zu erhöhen. Eine Recherche von Muhammed Suiçmez.

16
09
2023
DITIB Zentralmoschee Duisburg nach Bombendrohung ©️ Facebook, bearbeitet by iQ.
DITIB Zentralmoschee Duisburg nach Bombendrohung ©️ Facebook, bearbeitet by iQ.

Die Serie rechtsextremer Drohbriefe an Moscheen reißt nicht ab und beschäftigt seit Jahren Polizei und Staatsanwaltschaft. „Ich sprenge euch alle in die Luft“, „Ihre Moschee soll entweiht werden“, „Wir kommen wieder“, „Wir machen es mit euch, so wie wir es mit den Juden gemacht haben“, „Dauert nicht mehr lange“, „Kill all Islam“. Das sind nur einige wenige Beispiele für Drohschreiben, die Moscheen in Deutschland in den letzten drei Monaten erhalten haben. Diese Drohungen bilden einen Höhepunkt von Angriffen auf Moscheen. Wie groß ist die Gefahr?

Inzwischen ist die Zahl der Drohbriefe auf 37 gestiegen. Die Dunkelziffer dürfte höher sein, da nicht jedes Schreiben zur Anzeige gebracht wird. Die meisten betroffenen Moscheen liegen in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Hessen.

Wie aus Recherchen von IslamiQ hervorgeht, wurden nach den Drohschreiben die Sicherheitsmaßnahmen der Moscheen in den Bundesländern nicht erhöht. Die Zahl der Drohschreiben, die Moscheen in den jeweiligen Bundesländern erhalten hat, bewege sich im einstelligen Bereich. So sagte das Landeskriminalamt von Nordrhein-Westfalen auf Anfrage von IslamiQ, dass auf Basis der genannten Fallzahlen der politisch motivierten Kriminalität (drei Angriffe im Jahr 2023) derzeit „keine Zuspitzung von Straftaten gegen Moscheen in Nordrhein-Westfalen festgestellt werden“ könne. Gefährdungslagen für Moscheen können nicht allgemein, sondern nur im konkreten Einzelfall bewertet werden, heißt es weiter.

Für die Recherche hat IslamiQ alle Landeskriminalämter im Bund angeschrieben und von 14 eine Antwort erhalten. Die LKA in Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen ließen die Anfrage unbeantwortet.

Auch in Niedersachsen habe sich das Sicherheitsrisiko von Muslimen und Moscheen nach den Drohschreiben nicht verändert, teilt das niedersächsische Landeskriminalamt auf Anfrage mit. Im Fall der letzten Drohbriefe mit „NSU 2.0“-Kürzel wurde Ende 2022 in Abstimmung mit der zuständigen Staatsanwaltschaft Osnabrück bei der Polizeiinspektion Osnabrück eine Ermittlungsgruppe eingerichtet. Durch sie sollen die Ermittlungen zu den einzelnen Sachverhalten mit dem Ziel gebündelt werden, um die Täterschaft zu identifizieren, ein beweissicheres Strafverfahren zu gewährleisten und so weitere Drohschreiben zu unterbinden.

Polizei ermittelt Verfasserin und lässt sie wieder frei

So kam es, dass die Polizei Südhessen am Montag eine 46-jährige Frau als Verfasserin einiger Drohschreiben ermitteln konnte. Nach aktuellen Erkenntnissen bestehe keine Verbindung zwischen der Verdächtigen aus Wiesbaden und der Serie der rechtsextremen Drohbriefe gegen Moscheen. Sie habe Drohbriefe an die Moschee in Hannover, Remscheid und Essen verschickt.

Die Postkarten und Briefe enthielten Beleidigungen sowie Andeutungen von angeblich bevorstehenden Anschlägen. „Bei der Durchsuchung von vier Objekten der Frau in Wiesbaden und im Mühltal fanden die Beamten jedoch keine Hinweise darauf, dass sie tatsächlich Anschläge geplant hatte“, sagte der Darmstädter Oberstaatsanwalt Robert Hartmann. Weiter wurde festgestellt, dass die Schreiben weder rechtsextreme noch rassistische Inhalte besaßen. Gegen die Verfasserin wird wegen Beleidigung und versuchter Nötigung ermittelt. Doch wurde die Frau nach den polizeilichen Maßnahmen aufgrund fehlender Haftgründe wieder freigelassen. Ende Juli hatte die 46-Jährige ein Drohschreiben mit dem Inhalt „Euer Imbiss war nur der Anfang. Wir kommen wieder“, an die IGMG Moschee in Hannover verschickt. Außerdem enthielt das Schreiben ein Hakenkreuz und das Kürzel NSU 2.0. Wochen zuvor hatten Unbekannte einen Brandanschlag auf die Moschee verübt und das Restaurant der Gemeinde mit Molotowcocktails beworfen.

„Muslime sollen sich nicht einschüchtern lassen“

„Die sogenannten NSU 2.0 Drohschreiben sind besonders besorgniserregend. Sie zeigen, dass die Bedrohungen der Moscheen weiterhin auf einem hohen Niveau sind und, dass der NSU noch Sympathisanten hat“, erklärt Murat Gümüş, Sprecher des Koordinationsrat der Muslime (KRM) und Generalsekretär des Islamrats. Aus diesem Grund seien Ermittlungserfolge besonders wichtig. Sie zeigen, dass der Sache ernsthaft nachgegangen wird. Moscheegemeinden kriegen so den Schutz und die Fürsorge der Ermittlungsbehörden zu spüren“, betont Gümüş weiter. Den Angreifern und Islamfeinden werde deutlich gemacht: „Ihr werdet dafür zur Rechenschaft gezogen!“.

Auch appelliert Gümüş an die Gemeindemitglieder. Sie sollten sich nicht einschüchtern lassen und jeden Angriff zur Anzeige bringen. Doch wünscht er sich auch die Unterstützung des Staats. „Nicht alle Moscheen können sich technische Schutzvorkehrungen, wie gute Überwachungssysteme, teure Sicherheitstüren, lange feuerresistente Materialien leisten. Der Staat kann und sollte in diesen Fällen eine finanzielle Unterstützung anbieten.“

Drohbriefe haben keinen ernsthaften Hintergrund

Laut dem Landeskriminalamt in Sachsen-Anhalt seien grundsätzlich „weitere Drohschreiben etc. zum Nachteil von Moscheen denkbar“. Diese könnten teilweise ohne „ernsthaften phänomenologischen Hintergrund erfolgen und/oder lediglich dem Ziel einer verbalen Impulsabfuhr, dem Aufbau einer Drohkulisse oder der Erregung von Aufmerksamkeit dienen“, erklärt das LKA gegenüber IslamiQ. Hierbei sei eine Einzelfallprüfung geboten.

„Hemmschwelle für Anfeindungen deutlich gesunken“

Für den Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), Ali Mete, müssen die Drohschreiben im Kontext der allgemeinen islamfeindlichen Stimmung in Teilen der Gesellschaft betrachtet werden. „Die Hemmschwelle für Anfeindungen ist deutlich gesunken. Das zeigt sich an Hasstiraden im Netz, den zunehmenden verbalen und tätlichen Übergriffen auf Muslime, vor allem Musliminnen, und an Moscheeanschlägen“, erklärt Mete.

Beim jüngsten Angriff auf die Moschee in Hannover kam es zu keinem Brand, weil die Fensterscheibe dem Molotowcocktail standgehalten hat. „Natürlich lässt sich die Gemeinde nicht einschüchtern“, habe aber auch Bedenken, was ihre Sicherheit angehe. „Oder der Fall Bremen: Wie soll eine Gemeinde reagieren, die einen Tag vor dem Freitagsgebet, an dem mehr als 1000 Gläubige teilnehmen, ein Drohschreiben bekommt, auf dem steht: Ich sprenge euch alle in die Luft.“, so Mete weiter.

Noch wichtiger als die Frage, wie die Gemeinde reagieren soll, sei, wie Gesellschaft, Politik und Sicherheitsbehörden auf diese Anfeindungen reagieren. Aufklärungsarbeit, umfassende Ermittlungen und Solidarität seien gefragt. „Denn es geht um die gesamte Gesellschaft, nicht nur um Muslime und Moscheen“, betont Mete abschließend.

162 Tatverdächtige, aber keine Verurteilungen

In den ersten sechs Monaten des aktuellen Jahres wurden 258 Angriffe auf Muslime und Moscheen verübt. Davon richteten sich 13 Angriffe auf Moscheen. Das sind über 100 Straftaten mehr, als im Jahr zuvor (142 Straftaten). Die Straftaten waren überwiegend rechtsextrem motiviert. Insgesamt wurden 162 Tatverdächtige ermittelt, doch gab es keine Festnahmen oder Verurteilungen. Insgesamt müssen islamfeindliche Straftaten konsequenter verfolgt und bestraft werden. Das Tatverdächtige nach einem Angriff auf Muslime oder Moscheen aufgrund mangelnder Haftgründe wieder entlassen werden, stärkt Nachahmer in ihrer Motivation und Handlung und sorgt dafür, dass die Hemmschwelle für ein Angriff sinkt.

Leserkommentare

Dilaver_Ç. sagt:
Man stelle sich vor, was dann los wäre, wenn es vergleichbares gegen Synagogen gäbe...
16.09.23
15:35
Minimalist sagt:
Muslime sollen sich nicht einschüchtern einlassen, so appelliert hier der Koordinationsrat-Sprecher und fordert gleichzeitig Staatsgelder. Wie groß ist die Gefahr durch Drohbriefe? So lautet die Frage oben in der Überschrift. Aktuell stellt sich auch die Frage, wie groß ist grundsätzlich die Gefahr durch Muslime in Verbindung mit Angriffen auf Schulen? 'Die Zeit' berichtet: "Proteste gegen Sexualkunde. Belgien verstärkt Polizeieinsatz nach Brandstiftungen in Schulen". Alarm für die belgische Regierung, die nach einer Serie von schulischen Brandstiftungen handeln muß. In Charleroi fand zum sechsten Mal in dieser Woche ein Brandanschlag auf eine Schule statt bzw. wurde eine Schule angezündet. Auch in Brüssel wurde Feuer gelegt. Und in Lüttich wurden Medien zufolge zwei Schulen verwüstet. An mehreren Tatorten sind Protestzeichen gegen das Sexualkundeprojekt Evras gefunden worden. Der Ministerpräsident Alexander De Croo lässt die für Terror zuständigen Sicherheitsbehörden die Lage analysieren. Er sagte: "Wir werden niemals hinnehmen, dass unsere Schulen zur Zielscheibe gemacht werden." Im übrigen gebe es Sexualkunde in Belgien schon seit 50 Jahren. Wie sicher sind Schulen noch? Die Bildungsministerin rief zur Besonnenheit auf. Es seien eine Menge Lügen über Evras im Umlauf, sagte sie. Im Internet kursierten viele Gerüchte über den Unterrichtsinhalt. Proteste islamischer Gruppen gegen das Bildungsprogramm erregen Aufsehen und fordern zunehmend den Staat heraus. Hoffentlich schwappen ähnliche Aktivitäten nicht auch nach Deutschland herüber. Solches will und braucht Deutschland definitiv nicht.
17.09.23
23:10