Hamburg

Bürgerschaft debattiert über die Zukunft des Staatsvertrages

Am Donnerstag befasste sich der Verfassungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft mit dem Staatsvertrag. Nach zehn Jahren sollte der Vertrag evaluiert werden.

07
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2023
Centrum Moschee in Hamburg
Centrum Moschee in Hamburg

Vor mehr als zehn Jahren hat die Stadt Hamburg einen Staatsvertrag mit den islamischen Religionsgemeinschaften und den alevitischen Gemeinden geschlossenen. Am Donnerstag befasste sich der Verfassungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft mit den Staatsverträgen und lud mehrere Vertreter der Gemeinden, Initiativen und aus der Wissenschaft ein. Ziel des Treffens war die Zukunft der Staatsverträge.

Die Vertreter der islamischen Vertragspartner – des Rats der Islamischen Gemeinschaften (Schura), der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) und des Verbands der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) – lobten die 2012 geschlossenen Verträge bei der Anhörung als Garanten für Akzeptanz und eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe.

Muslime ziehen positive Bilanz

Die Schura sei mit ihren 55 Mitgliedsgemeinden die größte und heterogene islamische Religionsgemeinschaft der Stadt, sagte die stellvertretende Vorsitzende Özlem Nas. Schon 2004 – lange vor den Verträgen – habe sich die Schura zu einem Islam im Einklang mit den Werten des Grundgesetzes bekannt. Den bei der Anhörung geäußerten Vorwurf einer Hisbollah-Nähe in einer Mitgliedsgemeinde nehme man ernst und werde ihn prüfen, sagte sie. Als Zeichen gesellschaftlicher Akzeptanz förderten die Verträge „die Identifikation und Selbstwahrnehmung der Hamburger Muslime als Teil ihrer Stadtgesellschaft“, sagte Nas. Damit „entfaltet der Vertrag auch eine präventive Kraft“ gegen eine Radikalisierung.

Rüstem Kuzugüden, Vorstandsmitglied des DITIB-Landesverbands, betonte, dass man bestrebt sei, die teilweise Abhängigkeit zu verringern. Der Hamburger Landesverband befinde sich im Wandel und sei seit der Flüchtlingskrise 2015 nicht mehr nur türkisch geprägt. Es gebe mittlerweile auch viele arabische oder deutsche Gemeindemitglieder. „Wir merken, dass die Pluralität auch in unseren Gemeinden ankommt.“

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Staatsvertrag wird seit Jahren kritisiert

Der Vertrag mit den islamischen Religionsgemeinschaften wird immer wieder kritisiert. Nicht zuletzt wegen der langjährigen Mitgliedschaft des vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuften Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) in der Schura und der Abhängigkeit der DITIB von der türkischen Regierung. CDU, AfD und FDP hatten eine Aufkündigung gefordert. Das IZH, Betreiber der Blauen Moschee an der Alster, war Ende vergangenen Jahres aus der Schura ausgetreten.

Auch bei der gestrigen Anhörung kritisierten Vertreter des Vereins Säkularer Islam Hamburg und des liberal-islamischen Bundes, dass die meisten Muslime in Hamburg gar nicht durch die Vertragspartner der Stadt repräsentiert würden.

Zukunft offen

Aktuell wird der Staatsvertrag in Hamburg evaluiert. Ein erstes Ergebnis will der Senat erst nach der Sommerpause veröffentlichen. Bis dahin bleibt die Zukunft des Staatsvertrags offen. Der Staatsvertrag ermöglicht neben der Anerkennung islamischer Feiertage, die gemeinsame Gestaltung des Religionsunterrichts sowie die Regelungen rund um die Seelsorge, auch eine stärkere Partizipation muslimischer Bürgerinnen und Bürger am gesellschaftlichen Leben. (dpa, iQ)

Leserkommentare

Minimalist sagt:
Eine Hisbollah-Nähe kann selbstverständlich kein Teil einer hiesigen Stadtgesellschaft sein. Und solche Staatsverträge können leider auch Ansporn und treibende Kraft für eine Radikalisierung darstellen. Ausserdem haben ja die meisten Muslim-Gläubigen mit den genannten Vertragspartnern nichts am Hut. Das mag traurig sein, ist aber wahr. Zudem brauchen islamische Feiertage keinesfalls Einzug halten in deutsche Gesetzgebungen. Dieses Thema sollte endlich vom Tisch sein. Wenn die Pluralität auch in Gemeinden ankommt, wie es hier heißt, so stellt sich die Frage, wann denn endlich auch Diversität die volle Akzeptanz und Wertschätzung erfährt.
10.07.23
0:11
Abdussamed D. sagt:
Der Staatsvertrag sollte, wenn überhaupt ein Vertrag auf Augenhöhe sein, in der beide Seiten Rechten und Pflichten haben. In der aktuellen Verfassung ist es nicht zu akzeptieren. Ein Körperschaftsstatus ist nicht von einem Staatsvertrag abhängig, sondern ein Recht, welches die Muslime wie andere Gemeinschaften auch, gegeben werden sollte. Das muslimische Feiertage Einzug in die Deutsche Gesetzgebung finden ( 5 Tage im Jahr) ist selbstverständlich, bei der Anzahl von Menschen und der mittlerweile mindest 50 Jahre gemeinsamen Lebens, sollte dies selbstverständlich sein. Ohne Bereitschaft kann der soziale Frieden nicht auf Dauer gewährleistet werden. Stichwort: Antimuslimischer Rassismus, erstarken der AFD etc. Die islamische Gemeinde in Hamburg sollte bestimmender Auftreten und sich nicht von der Mogelpackung "Staatsvertrag" beirren lassen. "Islam im Einklang des Grundgesetzes" --> Warum diese krampfhafte ideologische Unterwerfung? Wo bleibt der Rückgrat? Wie geht ein Muslim nach diesem Verständnis vor, wenn er beispielsweiße vor wenn, es um die Bewertung der Homosexualität geht? Dann müsste er/sie ja sagen im Grundgesetz ist die Bewertung dazu klar und dem muss ich mich beugen.
10.07.23
13:34
Minimalist sagt:
Gibt es übrigens in islamisch aufgestellten und beherrschten Ländern auch Staatsverträge oder einen Körperschaftsstatus des öffentlichen Rechts mit christlichen Gemeinden auf Augenhöhe? Haben dort schon christliche Feiertage auch Einzug gehalten in die jeweilige Gesetzgebung bzw. in die oberste Schariajustiz des Landes? Wie gehen dort Muslime und die hohe Geistlichkeit & Justiz mit Menschen des LGBTIQ-Spektrums um? Was sagen dort die herrschenden Grundgesetze zu diesem Thema? Der stellvertretende FDP-Vorsitzende und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki schrieb kürzlich in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" dieses: "Für uns ist es selbstverständlich, dass in unserem Land Unterdrückung und Gewalt gegen Frauen, Antisemitismus und Homophobie keinen Platz haben...in einigen Ländern, aus denen viele Flüchtlinge der vergangenen Jahre stammen, ist dies keine Selbstverständlichkeit." Er verwies auf den Fall eines Männerpaares, das wegen queer-feindlicher Attacken den heimischen Berliner Stadtteil Neukölln verlassen wolle. "In der Regel, so stellten es die Opfer dar, hätten die Angreifer einen arabischen Migrationshintergrund", schrieb der FDP-Vize. Er verwies auch auf einen anderen Fall in Bonn, wo "Gymnasiastinnen vor allem von muslimischen Schülern drangsaliert" würden, weil sie Kleidervorschriften nicht eingehalten hätten. Der FDP-Politiker verwahrte sich in seinem Beitrag dagegen, die Kritik an solchen Vorfällen als "rechts" abzustempeln und beklagt, dass diese Probleme besonders von den Grünen verschwiegen werden. Eine stärkere Partizipation muslimischer Bürgerinnen und Bürger am gesellschaftlichen Leben - mit einer derartigen Ausrichtung und Werteordnung - kann keinesfalls unterstützt oder staatlich gefördert werden. Und das meint nicht nur der Bundestagsvizepräsident Kubicki.
11.07.23
12:05
Abdussamed sagt:
Gibt es übrigens in islamisch aufgestellten und beherrschten Ländern auch Staatsverträge oder einen Körperschaftsstatus des öffentlichen Rechts mit christlichen Gemeinden auf Augenhöhe? ----> Ein Blick auf das Ökumenisches Patriarchat von Istanbul mit ihrem Papst Bartholemeus zeigt wie Autonom und vor allem politisch die Minderheiten in der Türkei agieren können. Davon können die Muslime in Deutschland träumen. Außerdem ist es mir schleierhaft, wieso bei einer negativen Argumentation der Vergleich mit "islamisch aufgestellten" Ländern gezogen wird, jedoch gleicher Vergleich bei einem positiven Beispiel nicht gemacht wird? Wobei es sogennante "islamisch aufgestellte Länder" nicht gibt. Es gibt Länder mit mehrheitlich muslimisch geprägten Menschen, jedoch sind die sogenannten "islamischen Länder" in der Regel Monarchien oder Republiken. Außerdem hinkt die Argumentation, da Missstände in anderen Ländern niemals als Legitimation herhalten können, für die eigene Situation im Lande. Die Deutsche Regierung muss ihre Hausaufgaben machen und dabei Ihre Verfassungstreue unter beweis stellen, in dem Sie unter Anderem den Minderheiten in diesem Land eine gleichberechtigte TEILHABE in diesem Land ermöglicht. Da gibt es viel Nachholbedarf. Das Beispiel mit Wolfgang Kubicki ist nicht ernst zu nehmen, da dieser eine scheinbare Tätlichkeit eines Mannes politisch instrumentalisiert. Dies ist dadurch zu erkennen, dass Herr Kubicki zu den zahlreichen Angriffen gegenüber Frauen mit Hijab oder islamischen Einrichtugen, nicht die gleiche Reaktion gezeigt hat und demnach auch beim Täter nicht eine Islamfeindlichkeit diagnostiziert hat, die auf die politische und mediale Hetze und dem Hinnehmen und der Ignoranz der Mehrheitsgesellschaft in Deutschland zurückzuführen ist. Eine stärkere Partizipation muslimischer Bürgerinnen und Bürger am gesellschaftlichen Leben - mit einer derartigen Ausrichtung und Werteordnung - kann keinesfalls unterstützt oder staatlich gefördert werden. Und das meint nicht nur der Bundestagsvizepräsident Kubicki. --> Trotz 2.Klassiger Behandlung und begrenzten Ressourcen leisten die Muslime und deren Einrichtugen seit mindestens 30 Jahren wertvolle ehrenamtliche Arbeit für den sozialen Frieden und engagieren sich pro-aktiv in der Mehrheitsgesellschaft. Traurigerweiße ist die Bereitschaft der Mehrheitsgesellschaft, das Angebot wahrzunehmen (Bsp. 3 .Oktober , Tag der offenen Moschee) demnach überschaubar. Schade, dass Herr oder Frau Minimalist anscheinend von den zahlreichen Angeboten nichts mitbekommen hat.
12.07.23
18:54