BREMEN

Zehn Jahre Staatsvertrag – wo es noch Luft nach oben gibt

Im Jahre 2013 hat das Land Bremen mit islamischen Religionsgemeinschaften einen Staatsvertrag geschlossen. Ein Meilenstein. Nun ziehen Muslime eine Bilanz.

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2023
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Staatsvertrag in Bremen
Minarett der Fatih Moschee in Bremen © Shutterstock, bearbeitet by iQ.

Am 15. Januar 2013 hatte der damalige Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) einen Staatsvertrag mit den islamischen Religionsgemeinschaften in Bremen unterzeichnet. Vertragspartner waren der Landesverband der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB), die Schura Bremen, sowie der Landesverband des Verbands der Islamischen Kulturzentren (VIKZ). Ein weiterer Meilenstein für die Muslime in Deutschland nach dem Staatsvertrag in Hamburg.

Die Verträge bilden seit nunmehr fast zehn Jahren die Grundlage für kooperative Beziehungen in vielen Bereichen des religiösen und gesellschaftlichen Lebens. Neben der Anerkennung islamischer Feiertage, die gemeinsame Gestaltung des Religionsunterrichts sowie die Regelungen rund um die Seelsorge, ermöglicht der Staatsvertrag eine stärkere Partizipation muslimischer Bürgerinnen und Bürger am gesellschaftlichen Leben. Die ersten Gespräche über einen Staatsvertrag begannen im Jahre 2009 mit dem damaligen Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD).

Schura: Staatsvertrag hat sich bewährt

Für den Vorsitzenden der Schura Bremen Murat Çelik war die Unterzeichnung des Staatsvertrages ein wichtiger Meilenstein. „Mit dem Staatsvertrag wurde ein wichtiges Zeichen der Teilhabe und Anerkennung der islamischen Religionsgemeinschaften gelegt“, erklärt Çelik auf Anfrage von IslamiQ. Eine Gleichstellung mit den anderen Religionsgemeinschaften würde eine stärkere Basis und eine neue Ebene der Zusammenarbeit bedeuten. „Die weitere und tiefere Verwurzelung der islamischen Religionsgemeinschaften in die deutsche Gesellschaft könnte, wie auch im Staatsvertrag formuliert und von uns angestrebt, die Verleihung des Status Körperschaft des öffentlichen Rechts sein“, so Çelik weiter.

In den letzten zehn Jahre konnte die Schura viele Erfahrungen sammeln. Aus ihrer Sicht habe sich der Staatsvertrag bewährt, jedoch gebe es einige Themen, die präziser formuliert oder in einen erweiterten Vertrag aufgenommen werden können. „Hier wäre insbesondere die unbefriedigende Situation beim Bremer Religionsunterricht zu nennen, wo die Einflussnahme der Religionsgemeinschaften stark beschränkt und zusätzlich ungleich verteilt ist“, betont Çelik. Auch die Einbeziehung als Religionsgemeinschaft bei der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften oder Polizisten sei für den Schura-Vorsitzenden nicht konkret geregelt. Ist uns weiterhin ein wichtiges Anliegen, welches nicht konkret geregelt ist. Dennoch könne man neue Herausforderungen und Hürden mit den Partnern auf Augenhöhe thematisieren.

VIKZ sieht Handlungsbedarf beim Religionsunterricht und in der Seelsorge

Auch die VIKZ zieht eine positive Bilanz. „Die Zusammenarbeit mit dem Stadtstaat Bremen läuft auf einer guten und vertrauensvollen Basis“, erklärt der Pressesprecher Erol Pürlü gegenüber IslamiQ. Mit dem Staatsvertrag wurden islamische Religionsgemeinschaften auch als solche von staatlicher Seit anerkannt.

Die Staatsverträge in Bremen und Hamburg waren für Pürlü Türöffner für andere Bundesländer. Er hoffe, dass weitere Bundesländer diesem Beispiel folgen. Der Bremer Staatsvertrag beinhalte für die VIKZ die wichtigsten Punkte, was eine Kooperation zwischen dem Staat und den islamischen Religionsgemeinschaften ausmache. Allerdings sehe Pürlü Handlungsbedarf bei der Etablierung einer Seelsorge im Gefängnis und im Krankenhaus, sowie bei der Erteilung des islamischen Religionsunterrichts. „Sicherlich wäre es gut, muslimischen Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu schaffen, islamisch-religiöse Bildung an staatlichen Schulen zu erhalten. Dies würde ihnen mehr Halt in der Gesellschaft geben und das Zugehörigkeitsgefühl stärken“, so Pürlü abschließend.

DITIB: Staatsvertrag ist ein Schritt, aber kein Ziel

Der Staatsvertrag in Bremen sei ein „wichtiges Zeichen für die Anerkennung der Muslime“ und ein wichtiger Schritt, die Teilhabe und das religiöse, soziale Leben der Muslime zu fördern, erklärt Şaban Yabaş, Vorstandmitglied des DITIB-Landesverbands Niedersachsen und Bremen gegenüber IslamiQ. Muslime seien auf dem richtigen Weg, was die Zusammenarbeit mit der Landesregierung angehe, doch sehe er die Unterzeichnung des Staatsvertrages als ersten Schritt. „Die Umsetzung und die positiven Auswirkungen auf die Gesellschaft ist das Ziel“, so Yabaş. Handlungsbedarf sehe die DITIB im Bereich Strukturentwicklung und Aufbau, sowie noch viele mögliche Maßnahmen in verschiedensten Bereichen bis hin zur Körperschaft des öffentlichen Rechts.

Senat: Miteinander reden, statt übereinander

Auch für den Bremer Senat habe sich der Staatsvertrag bewährt. „Muslime bilden einen bedeutenden Teil der Bevölkerung in Bremen und Bremerhaven und der Vertrag trägt dem Rechnung“, erklärt ein Senatssprecher gegenüber IslamiQ. Der Staatsvertrag habe zur gesellschaftlichen Teilhabe von Muslimen Bremerhaven beigetragen und ermögliche eine stärkere Partizipation und Repräsentation von Muslimen am gesellschaftlichen Leben und in gesellschaftlichen Gremien. „Der Vertrag ist eine gute Grundlage, um auch in kritischen Fragestellungen eine Gesprächsbasis zu schaffen. Er schafft einen Rahmen, um gemeinsame Positionen für ein friedliches und tolerantes Miteinander zu entwickeln. Miteinander zu reden, statt übereinander – das ist eine seiner wichtigen Errungenschaften“, betont der Senatssprecher abschließend.