Hessen

Verfassungsschutz stellt Strafanzeige wegen veröffentlichter NSU-Berichte

Die Veröffentlichung von geheimen Dokumenten des hessischen Verfassungsschutzes zur rechtsextremen Terrorzelle NSU sorgt für politischen Wirbel – auch wenn die Inhalte keine völlig neuen Erkenntnisse liefern.

01
11
2022
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Straftaten, Polizei
Symbolbild: Polizei © shutterstock, bearbeitet by iQ.

Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hessen hat nach der Veröffentlichung von geheimen NSU-Berichten Strafanzeige gestellt. Die Strafanzeige sei wegen der unrechtmäßigen Weitergabe von als Verschlusssachen eingestuften Dokumenten gegen Unbekannt gestellt worden, teilte die Behörde am Montag in Wiesbaden mit. Das hessische Landeskriminalamt befasse sich nun mit den Ermittlungen.

Die Plattform „Frag den Staat“ und das „ZDF Magazin Royale“ von Jan Böhmermann hatten die Dokumente veröffentlicht und ins Internet gestellt. Die Strafanzeige des LfV richtet sich nur gegen die unrechtmäßigen Weitergabe der Dokumente und nicht gegen die Veröffentlichung.

Als „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) waren Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt über Jahre mordend durch Deutschland gezogen. Die Opfer der Rechtsterroristen waren neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft sowie eine deutsche Polizistin. Mundlos und Böhnhardt hatten sich 2011 getötet, um ihrer drohenden Festnahme zu entgehen. Zschäpe wurde als Mittäterin zu lebenslanger Haft verurteilt.

Weitergabe von Verschlusssachen strafbar

Das Landesamt für Verfassungsschutz teilte mit, dass die nun veröffentlichten Dokumente zwei Untersuchungsausschüssen des hessischen Landtags vollständig vorgelegen haben. Auch die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission Verfassungsschutz hätten jederzeit die Möglichkeit, die Aktenprüfungsberichte einzusehen. Die Dokumente seien zudem dem Bundeskriminalamt, der Generalbundesanwaltschaft sowie dem hessischen Landeskriminalamt zur Verfügung gestellt worden.

Die betroffenen Aktenprüfungsberichte 2013 und 2014 und ihre Inhalte sollten nicht vertuscht werden, betonte die Behörde. Die Einstufung von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen als Verschlusssachen folge normierten Vorgaben, um die Vertraulichkeit der Informationen zu wahren. Dabei gehe es etwa um den Quellenschutz. Menschlichen Quellen könne bei Bekanntwerden ihrer Tätigkeit für einen Nachrichtendienst eine Gefahr für Leib und Leben entstehen. Eine Weitergabe von Verschlusssachen an unbefugte Dritte stelle eine Straftat dar.

Das Landesamt für Verfassungsschutz Hessen habe in den vergangenen Jahren einen umfassenden Neuausrichtungsprozess durchlaufen, versicherte die Behörde. Angaben der veröffentlichten Aktenprüfungsberichte über Defizite in der Arbeitsweise des LfV gerade in den 1990er Jahren seien bereits in den Untersuchungsausschüssen des hessischen Landtags umfassend thematisiert und auch im Abschlussbericht berücksichtigt worden.

NSU-Berichte ungeschwärzt offenlegen

Die hessische Linksfraktion forderte für mehr Opfergerechtigkeit die Einrichtung eines bundesweiten Archivs zur rechtsextremen Terrorzelle NSU. „Es ist dringend notwendig, die noch vorliegenden Akten der Geheimdienste, die zur Aufklärung des NSU-Komplexes beitragen können, als Dokumente der Zeitgeschichte der Öffentlichkeit in einem Archiv zugänglich zu machen, um die seit mehr als zehn Jahren zugesagte transparente und umfassende Aufklärung zu ermöglichen“ erklärte der Innenexperte Torsten Felstehausen.

Die hessische Landesregierung müsse endlich auch ihren Teil zur Aufklärung beitragen und den kompletten als geheim eingestuften NSU-Bericht des Verfassungsschutzes ungeschwärzt offenlegen. Das werde auch von einer Petition mit über 130 000 Unterschriften gefordert.

Bei dieser Forderung nach Freigabe der NSU-Akten geht es hauptsächlich um zwei Berichte des Landesamtes für Verfassungsschutz aus den Jahren 2013 und 2014. Die Initiatoren der Petition erhoffen sich nach früheren Angaben noch nicht veröffentlichte Erkenntnisse über die Morde des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ und mögliche Verbindungen zum Mord an Kassels Regierungspräsidenten Walter Lübcke. (dpa/iQ)