BELGIEN

Belgisches Gericht bestätigt Schächtverbot 

Der belgische Verfassungsgerichtshof in Brüssel hat ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bestätigt. Das Schächtverbot ohne vorherige Betäubung ist verfassungskonform.

02
10
2021
Trikolore Belgien Flagge © by BernieCB auf flickr, bearbeitet iQ

Zur Enttäuschung der jüdischen und muslimischen Vertreter in Belgien hat der Verfassungsgerichtshof das vorhandene Schächtverbot bestätigt. Das Verbot sei mit der Verfassung im Einklang. Damit folgte der belgische Verfassungsgerichtshof einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs von Dezember vergangenen Jahres. Demnach dürfen EU-Staaten bei rituellen Schlachtungen eine Betäubung der Tiere vorschreiben. Zwar schränke eine solche Vorschrift die Ausübung der Religionsfreiheit ein. Konkret sieht das Gericht aber im flämischen Schächtverbot ein „angemessenes Gleichgewicht“ zwischen Tierschutz und Religionsfreiheit.

Dem stimme auch der Verfassungsgerichtshof zu. Dennoch sei der Schutz von Tieren als Wesen aber ein „legitimes und zwingendes gesellschaftliches Bedürfnis“. Es gebe einen wissenschaftlichen Konsens, der bestätige, dass eine vorherige Betäubung die beste Methode sei, um das Leiden der Tiere so gering wie möglich zu halten.

Nach jahrelangen Debatten hatte sich die flämische Regierung darauf verständigt, das Schächten ohne Betäubung ab dem 1. Januar 2019 zu verbieten. Auch die belgische Wallonie beschloss ab Juni 2018 ein Schächtverbot. Für Religionsgemeinschaften gab es eine Ausnahme bis zum 1. September 2019. Muslimische und jüdische Vertreter klagten gegen diese Entscheidungen.

Muslime kritisieren Urteil

Mehmet Üstün, Präsident des „Exécutif des Musulmans de Belgique“ (EMB), einer der Kläger in diesem Verfahren, zeigt sich sehr enttäuscht zum vorliegenden Urteil. „Gegen jegliche Erwartungen hat der Verfassungsgerichtshof festgestellt, dass das flämische und wallonische Schächtverbot verfassungskonform ist“. Dieses Urteil entgehe dem Kern der Debatte. Insbesondere ignoriert der Verfassungsgerichtshof, dass das aktuelle Schächtverbot  die Essenz einer jahrhunderten religiösen Praxis des islamischen und jüdischen Glaubens beeinflussen.

Die muslimische Gemeinschaft untersucht derzeit ihre nächsten Schritte und schließt die Möglichkeit einer Klage am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg nicht aus, kündigte Üstün an.

Ausnahmeregelungen in Deutschland

In Deutschland war das Schächten lange weitgehend verboten. Nach dem Tierschutzgesetz dürfen warmblütige Tiere nicht ohne Betäubung getötet werden. Anfang 2002 erlaubte das Bundesverfassungsgericht rituelle Schlachtungen mit Blick auf die Religionsfreiheit unter Auflagen. So dürfen nur sachkundige Personen in zugelassenen und registrierten Schlachtbetrieben schächten. Das zuständige Veterinäramt muss dies überwachen. Auch in anderen europäischen Ländern ist das Schächten verboten, so in Polen, Dänemark, Norwegen, der Schweiz, Island und Liechtenstein.

 

 

 

Leserkommentare

Charley sagt:
Das Thema war schon verschiedentlich hier auf islamiq. Das Schächten hat ja wohl den Hintergrund, dass man als kein Blut essen soll. Das ist eine Vorstellung, die einem bildhaften Bewusstsein entspringt, welches eben nicht mehr zeitgemäß ist. Dass das Essen von Tieren sowieso sehr zu hinterfragen ist, insbesondere bei der heute üblichen Tierhaltung, die schlichtweg selbst schon nüchtern betrachtet Tierquälerei ist, so ist das Schächten von Tieren gleichfalls auf diesem ethischen Niveau. Einfach mal auf youtube "Schächten" eingeben. Und als einziges Argument FÜR das Schächten steht oben im Artikel: "Insbesondere ignoriert der Verfassungsgerichtshof, dass das aktuelle Schächtverbot die Essenz einer jahrhunderten religiösen Praxis des islamischen und jüdischen Glaubens beeinflussen." Also mit anderen Worten: Wir haben schon immer Tiere gequält beim Töten und das ist übrigens "die "Essenz einer jahrhunderten religiösen Praxis des islamischen und jüdischen Glaubens". Welch eine peinliche, primitive Selbstbeschreibung des Glaubens! Welch ein simpler Glaube, der mit einem Schächtungsverbot (und es bezieht sich ja nur auf die unbetäubte, darum besonders qualvolle Tötung der Tiere) schon seine Essenz in Gefahr sieht. Also, nur MIT Tierquälerei ist es so richtig islamisch oder jüdisch? Wenn eine völlig überholte, auf dem Leid anderer Wesen basierende "Religionsfolklore" zur Essenz wird, dann hat diese Religion wirklich wohl keinen spirituellen Kern, oder?
04.10.21
23:30