Der Rechtsextremismus stellt für die Sicherheitsbehörden in Niedersachsen eine der größten Herausforderungen dar. Der Verfassungsschutz warnt in seinem neuen Bericht vor dem wachsenden Einfluss.
Der niedersächsische Verfassungsschutz hat vor dem wachsenden Einfluss von Rechtsextremisten im Internet und bei Veranstaltungen von Corona-Leugnern, Impfgegnern und Verschwörungstheoretikern gewarnt. „Die Entgrenzung, also die Vermischung von rechtsextremistischen und rechtspopulistischen Positionen, zieht neue und mehr Anhänger an“, sagte Innenminister Boris Pistorius (SPD) bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2020 am Donnerstag in Hannover. Die Aktivitäten hätten sich merklich in die sozialen Medien verlagert.
Für die niedersächsischen Sicherheitsbehörden stelle der Rechtsextremismus weiterhin die größte Herausforderung dar und unterliege einem „Strukturwandel“, sagte Pistorius: Rechtsextremisten verzichteten zunehmend auf eigene klassische Organisationsstrukturen. Sie versuchten mit einer Vermischung von rechtsextremistischer Ideologie und populistischen Elementen neue Kreise für sich zu gewinnen. Dies zeige sich auch an ihrer Bereitschaft, an gemeinsamen Veranstaltungen mit Menschen aus dem nichtextremistischen Milieu teilzunehmen. Der virtuelle Raum schaffe eine neue Öffentlichkeit.
Derzeit umfasst das rechtsextremistische Potenzial in Niedersachsen etwa 1750 Personen, 590 mehr als noch im Jahr 2019. Grund für den Anstieg sei unter anderem, dass der Verfassungsschutz die Beobachtung der AfD-Jugendorganisation „Jungen Alternative“ und der internen AfD-Strömung „der Flügel“ aufgenommen habe.
Nach Einschätzung des Verfassungsschutzes weisen die entstandenen Protestformen von Corona-Leugnern und Querdenkern ihrerseits „teilweise Züge verfassungsfeindlichen Denkens“ auf und seien für rechtsextremistische Organisationen „anschlussfähig“. Teile der Querdenker-Szene seien im letzten Monat deshalb zunächst für zwei Jahre zum Verdachtsobjekt des niedersächsischen Verfassungsschutzes bestimmt worden, sagte Verfassungsschutzpräsident Bernhard Witthaut.
„Die nun von uns beobachteten Personen und Gruppierungen akzeptieren keine demokratischen Regulierungsmechanismen und erkennen faktenbasierte Entscheidungsprozesse nicht an“, sagte der Verfassungsschutzpräsident. Die staatlichen Institutionen würden auf sicherheitsgefährdende Weise verächtlich gemacht. Es zeichne sich ab, dass eine Orientierung an Verschwörungstheorien die Grundlagen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beeinträchtige. Begriffe wie „Corona-Diktatur“ oder „Ermächtigungsgesetz“ illustrierten das. (dpa, iQ)