Europäischer Gerichtshof

Gutachten: Kopftuchverbot am Arbeitsplatz zulässig

Ein Kopftuchverbot am Arbeitsplatz ist nach Ansicht eines EuGH-Gutachtens zulässig. Ein solches Verbot stelle keine Diskriminierung dar.

25
02
2021
Lehrerin, Kopftuchverbot, Kopftuch, Muslimin
Symbolbild: Muslimin mit Kopftuch am Arbeitsplatz© Shutterstock

Die strengen deutschen Regeln für ein Kopftuchverbot am Arbeitsplatz sind aus Sicht des zuständigen Gutachters am Europäischen Gerichtshof mit EU-Recht vereinbar. Konkret geht es darum, dass in Deutschland bei einem solchen Verbot etwa eine „hinreichend konkrete Gefahr eines wirtschaftlichen Nachteils für den Arbeitgeber“ nachgewiesen werden muss.

Grundsätzlich kann Mitarbeiterinnen das Tragen eines Kopftuchs am Arbeitsplatz jedoch verboten werden. Das am Donnerstag in Luxemburg veröffentlichte Gutachten ist für die EuGH-Richter nicht bindend, häufig folgen sie ihm aber.

Hintergrund sind zwei Fälle aus Deutschland. Zum einen war eine muslimische Mitarbeiterin einer überkonfessionellen Kita mehrfach abgemahnt worden, weil sie mit Kopftuch zur Arbeit erschienen war. Vor dem Arbeitsgericht Hamburg wurde daraufhin verhandelt, ob die Einträge aus der Personalakte gelöscht werden müssen. Laut Mitteilung des EuGH gab es die Tendenz des Arbeitsgerichts, das Vorgehen als unmittelbar diskriminierend einzustufen.

Zum anderen hatte das Bundesarbeitsgericht 2019 bei einem Fall aus dem Raum Nürnberg, in dem eine Muslimin gegen ein Kopftuchverbot bei der Drogeriemarktkette Müller geklagt hatte, das höchste europäische Gericht um eine Stellungnahme gebeten. Während sich die Angestellte in ihrer Religionsfreiheit eingeschränkt sah, verwies die Drogeriekette auf unternehmerische Freiheit.

Kopftuchverbot stellt keine Diskriminierung dar

Das nun veröffentlichte Gutachten bezieht sich auch auf Symbole anderer Religionsgemeinschaften wie etwa die traditionelle jüdische Kopfbedeckung Kippa. Es wird zudem argumentiert, dass ein Arbeitgeber keine Ganz-Oder-Gar-Nicht-Haltung vertreten müsse. Es sei rechtens, große religiöse oder politische Symbole unter Verweis auf einen neutralen Dresscode zu untersagen, aber kleine Symbole „die nicht auf den ersten Blick bemerkt werden“ auszunehmen.

Bereits 2017 hatte der EuGH in einem ähnlichen Fall mit einem viel beachteten Urteil Schlagzeilen gemacht. Damals sprachen sich die obersten Richter der EU dafür aus, dass Arbeitgeber ein Kopftuch im Beruf unter Umständen verbieten könnten, etwa wenn weltanschauliche Zeichen generell in der Firma verboten seien und es sachliche Gründe dafür gebe. Unter diesen Umständen stelle ein Kopftuchverbot keine unmittelbare Diskriminierung dar. Allerdings könne es um «mittelbare Diskriminierung» gehen, also eine Regelung, die Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung besonders benachteiligt. Dies könne jedoch gerechtfertigt sein, etwa um politische, philosophische oder religiöse Neutralität gegenüber Kunden zu wahren. (dpa, iQ)

Leserkommentare

ABM nicht Arbeitsbeschaffungsmaßnahme 😉 sagt:
Es ist zu unterscheiden zwischen Gerichtsurteile. Diese müssen inclusive Arbeitsrecht für alle Berufssparten und Tätigkeiten gefällt werden, auf jeweils nationaler Ebene. Punkt. Religionsfreiheit versus Vorbild und Menschenbild, was dahinter steht ist eigentlich gemeint. Nur ein Tip: Wir brauchen einen Generationswechsel. Wer international arbeitet, konfessionell gebunden, von vermeintlichen Wertekonzepten spricht, im Bildungsbereich oder Betreuungsbereich, auch im Übrigen im kaufmännischen Bereich zum Beispiel, stellt gerne muslimische Mitarbeiter*innen als Vorbild ein. Punkt.
25.02.21
21:55
Johannes Disch sagt:
Ein prima Gutachten. Jetzt muss der EuGH diesem nur noch folgen-- was er in aller Regel auch tut-- und diese Kuh ist dann hoffentlich endgültig vom Eis und Arbeitgeber haben endlich Rechtssicherheit.
26.02.21
8:26
Dilaver Çelik sagt:
Und täglich grüßt das Murmeltier... (Ironie off)
26.02.21
12:00
Ute Fabel sagt:
Wenn Firmen mit gleichem Maß messen und entweder gar keine oder nur kleine religiöse und weltanschauliche Symbole zulassen, verhalten sie sich selbstverständlich diskriminierungsfrei. Von allen wird dasselbe abverlangt. Bei den allermeisten dieser Kopftuchverfahren geht es in Wahrheit um den Wunsch nach Extrawürsten. Das Antidiskriminierungsrecht soll zu ideologisch instrumentalisiert werden. Gut, dass diesem Rechtsmissbrauch nun ein Riegel vorgeschoben wird.
26.02.21
18:12
Johannes Disch sagt:
Es braucht für beide Seiten-- Arbeitnehmer und Arbeitgeber-- endlich Rechtssicherheit. Dafür ist dieses Gutachten hilfreich und hoffentlich folgt der EuGH diesem Gutachten, damit das Endlos-Thema "Kopftuch am Arbeitsplatz" endlich mal erledigt ist.
02.03.21
14:51
Johannes Disch sagt:
@EuGH-Gutachten Kopftuchverbot Man sollte es vielleicht ein wenig im Detail erläutern: Ein Kopftuchverbot in Unternehmen ist grundsätzlich zulässig. Das Verbot weltanschaulicher und religiöser Symbole stellt keine unmittelbatre Diskriminierung dar. Es ist zwar eine Einschränkung der Religionsfreiheit, aber diese ist zulässig. Es ist eine Rechtsgüterabwägung zwischen der Religionsfreiheit und der unternehmerischen Freiheit. Hier fällt die Waagschale in Richtung unternehmerische Freiheit. Kleine religiöse Zeichern und Symbole, die nicht auf den ersten Blick sichtbar sind, darf man tragen. Aber große aufällig sichtbare religiöse Symbole darf der Arbeitgheber verbieten. Und ein solch großes weithin sichtbares Symbol ist nun mal das Kopftuch. Wenn der Arbeitgeber auf weltanschaulicher Neutralität besteht und durch religiöse Symbole wirtschaftlichen Schaden befürchten muss, dann darf er ein Kopftuch verbieten. Der unternehmerische Erfolg hat hier also Vorrang vor der Religionsfreiheit. Eine nachvollziehbare Argumentation, muss doch ein Unternehmen primär darauf achten, am Markt erfolgreich zu sein. Und as muss auch das primäre Anliegen der Beschäftigten sein. Und da hat die individuelle Religionsfreiheit nun mal hinten anzustehen. Das Kopftuch ist kein essentieller Bestandteil des islamischen Glaubens. Also ist es auch keine Diskriminierung, es temporär-- hier: am Arbeitsplatz-- zu verbieten. Der Fokus der Beschäftigten hat auf dem Erfolg des Unternehmens zu liegen. Und nicht auf der Religionsfreiheit. Hinzu kommt ein anderer wichtiger Punkt, der oft zu kurz kommt, nämlich die "negative Religionsfreiheit." Menschen haben in bestimmten Bereichen einen Anspruch darauf, vom Anblick religiöser Symbole verschont zu werden. Das ist bei einem Kopftuch am Arbeitsplatz aber schwer möglich, ergo muss man es verbieten, will man der "negativen Religionsfreiheit" gerecht werden. Die "negative Religionsfreiheit" hat einen genauso großen Stellenwert wie die positive Religionsfreiheit. Es ist zu hoffen, dass der EuGH diesem Gutachten folgt und damit endlich Rechtssicherheit schafft für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, damit dieses leidige Thema "Kopftuch am Arbeitsplatz" erledigt ist. Das Thema verbraucht schon viel zu lange Ressourcen, die woanders dringender gebraucht würden. Das Land kann es sich nicht mehr leisten, am Fließband Kopftuch-prozesse zu führen. Und das Land sollte es sich auch nicht mehr leisten. Es hat besseres und wichtigeres zu tun.
03.03.21
13:09
grege sagt:
@ Herr Disch, sehr gut auf den Punkt gebracht.
11.03.21
22:25
Johannes Disch sagt:
@grege (11.03.21, 22:26) Freut mich sehr. Vielen Dank.
12.03.21
19:38