In Deutschland leben mehr als fünf Millionen Muslime. Wie viele kennen Sie? Wir stellen querbeet Menschen vor, die eine Gemeinsamkeit teilen: Sie sind Teil der Umma. Heute Meryem Özmen-Yaylak.
Meryem Özmen-Yaylak ist 1987 als fünftes Kind einer türkeistämmigen Familie in Solingen geboren, ist verheiratet und hat einen Sohn. Ihr Mann ist Wirtschaftsinformatiker. An der Ruhr-Universität Bochum studierte sie Islamwissenschaften, Religionswissenschaften und Religionspädagogik. Heute arbeitet sie in zwei Sozialvereinen in der Geschäftsführung.
IslamiQ: Sie sind Systemische Beraterin, Trainerin, Beraterin, Mediatorin, Geschäftsführerin und Mutter. Wie kriegen Sie das alles hin? Mit welchen Herausforderungen werden Sie konfrontiert?
Meryem Özmen-Yaylak: Ich habe viele Hüte, die ich nach Bedarf auspacke. Während ich einen Budgetplan erstelle, ruft der nächste Klient an, um familiäre Themen zu besprechen. Die nächste Anfrage betrifft eine Vereinsgründung. Aber alle Dinge haben etwas gemeinsam: Es geht um das Wohl des Menschen und damit um das Wohl unserer Gesellschaft. Ein guter Zeitplan, die Kenntnis der eigenen Grenzen und viel Wohlwollen ist notwendig.
IslamiQ: Sie sind unter anderem bei Fudul e. V. tätig. Was ist das genau?
Özmen-Yaylak: „Fudul e. V. Zentralstelle für Islamische Wohlfahrt und Soziale Arbeit“ ist eine Fachorganisation zur Entwicklung und zum Ausbau schon bestehender Dienstleistungen und Angebote der Organisationen und Moscheen. Der Name des Vereins ist angelehnt an das Hilf al Fudûl-Bündnis, welches aus dem Arabischen übersetzt „Bündnis der Vorzüglichen“ bedeutet. Dieser wurde gegründet mit der Intention, sich für die Gerechtigkeit unter den Menschen einzusetzen. Der Beweggrund des Bündnisses ist geprägt von der damaligen Verelendung, die durch soziale Ungleichheit bedingt war. Somit hatte das Bündnis zum Ziel, sich für die Rechte der Unprivilegierten und Schutzlosen einzusetzen.
Unser Handeln vereinbart das Verständnis des Hilf al Fudûl-Bündnisses mit den Bedürfnissen der Menschen heute. Somit macht Fudul bedarfszentrierte Soziale Arbeit, die auf einem eigenen Auftrag basiert, der im Kontext der jeweiligen gesellschaftlichen Lage entwickelt wird. Dabei stehen die Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit, der Menschenrechte, der kollektiven Verantwortung und des Respekts für Vielfalt im Zentrum unserer Arbeit.
IslamiQ: Wie ist die Resonanz auf Ihre Arbeit?
Özmen-Yaylak: Oft bekomme ich motivierende Nachrichten zu lesen. Auch das Leuchten in den Augen meiner Teams macht mich stolz. Ich gönne mir das Gute, was vom Menschen kommt. Gerade Trainings im Rahmen der politischen Bildung und Kommunikation sind sehr gesucht. Ich glaube, dass hat viel damit zu tun, dass wir verstehen und verstanden werden möchten.
IslamiQ: Welche Hobbies haben Sie, wie gestalten Sie ihre Freizeit am liebsten?
Özmen-Yaylak: Mein Sohn ist ein echtes Energiebündel, so dass ich mich gerne mitreißen lasse. Wir basteln, backen oder kochen zusammen. Wir sind oft unterwegs. Ein Spaziergang mit meinem Mann oder mit Freunden endet schnell mit einer neuen Projektidee. Gleichzeitig versuche ich Beratungen für Menschen durchzuführen, die sich aus sozialen Gründen keine leisten können. Auch einige der Seminare und Trainings für Jugendliche mache ich in meiner Freizeit.
IslamiQ: Lieblingsbuch? Lieblingsfilm?
Özmen-Yaylak: „Dienstags bei Morrie“ von Mitch Albom und „Ziemlich beste Freunde“.
IslamiQ: Was bedeutet Familie für Sie?
Özmen-Yaylak: Die Familie ist wie ein Puzzle. Jedes Mitglied ist ein einzelnes, besonders Stück. Wenn alle da sind, ergibt es ein vollkommenes Bild. Meine Familie ist mein Bild, mein Ganzes, Großes.
IslamiQ: Der schönste Moment in Ihrem Berufsleben?
Özmen-Yaylak: Oh, da gibt es so einige. Dafür bin ich Allah sehr dankbar. Ich glaube, es auf einen Moment zu beschränken ist schwierig. Ich habe diese Momente immer, wenn ich mit meinen Teams zusammen bin. Das erfüllt mich – auch mit den kleinen Krisen. Aber wenn ich unbedingt einen besonderen Moment nennen müsste: Ich hatte einen richtigen Kick bei der Institutionalisierung der Berufsschule für Imame in Mainz und der Bildungsakademie in Bergkamen. Als ich die klärenden Briefe zu den Eröffnungen gelesen habe, habe ich meinen Kakao in Freudetränen getrunken.
IslamiQ: Wie würden Ihre Freunde Sie beschreiben?
Özmen-Yaylak: Jetzt muss ich tatsächlich lachen. Meine Freunde sehen mich als die Kommissarin Gadget. Für alle Fälle und Aktionen zu haben. Und natürlich immer eine Lösung parat. Neben meiner doch sehr aktiven Persönlichkeit würden meine Freunde mich als feinfühlige und fürsorgliche Schwester beschreiben.
IslamiQ: Ihr Lebensmotto?
Özmen-Yaylak: Mut führt zur menschlichen Herrlichkeit.
IslamiQ: Was ist Ihr größtes Ziel in diesem Leben und was tun Sie um dieses Ziel zu erreichen?
Özmen-Yaylak: Für mich persönlich: Ich möchte, dass meine Kinder von ihrer Mutter mit Stolz erzählen und vielleicht sogar einige meiner Fußstapfen folgen. Für die Gesellschaft: Mehr Verständnis füreinander. Dafür trainiere und begegne ich gerne mit Jugendlichen in politischen Themen.
IslamiQ: Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Für sich selbst, für Ihre Familie, für alle Muslime in Deutschland.
Özmen-Yaylak: Eine sichere Gesellschaft. Ich möchte ohne Angst auf die Straße gehen können. Wenn es dunkel ist, möchte ich beim Parken nicht nach hinten schauen müssen. Wenn ich sonntags beim Bäcker anstehe, möchte ich auch herzlich begrüßt werden. Auch wünsche ich mir ein strukturelles Wachstum. Mehr Einrichtungen für Menschen, mehr Projekte und mehr Anerkennung für all dieses bürgerliche Engagement.
IslamiQ: Was muss passieren, damit Muslime hier als selbstverständlicher Teil Deutschlands angesehen werden?
Özmen-Yaylak: Die muslimische Gemeinschaft macht ehrenvolle Arbeit. Dies muss anerkannt werden. Dafür müssen wir mehr in den Dialog auf Augenhöhe investieren. Statt übereinander zu sprechen, müssen wir Wege für das Miteinander finden. Die Belange und der Gesellschaft sind unsere, da wir ein Teil davon sind. Selbstverständlich sind wird es dann, wenn wir auch an Entscheidungshebeln mitziehen können.