Ramadan

„Nicht einmal Wasser?!“

Ramadan ist die Zeit der Besinnung – und der blöden Fragen. Unsere Autorin Yasmine M’Barek schreibt über die Reaktionen auf den Verzicht im Ramadan und klärt ein für alle Mal die Frage: „Wie, nicht einmal Wasser?“.

16
05
2018
Ramadan blöde Fragen
Symbolbild: Wasser © Shutterstock, bearbeitet by iQ.

Wenn ich an Ramadan denke, geistern in meinem Kopf die Gedanken an Wertschätzung, an Familienzeit und an Besinnung. Die Besinnung darauf, wie beiläufig der Konsum von Nahrung und Wasser in unserer Gesellschaft betrachtet wird. Das rührt daher, dass die Selbstverständlichkeit dessen, schnell einen Donut an der Bushaltestelle runterzuschlingen oder sich morgens hastig einen Kaffee runterzukippen, durch den Verzicht unterstrichen wird. Kein anderer Monat als der Ramadan erinnert so deutlich daran, wie unbewusst wir Essen und Trinken zu uns nehmen. Für die meisten Muslime also die wichtigste und spirituellste Zeit im Jahr.

Nun stößt man jedoch in einer multikulturellen Gesellschaft, wie wir sie hier in Deutschland haben, auf folgendes Szenario: „Was? Nicht einmal Wasser?!“. Jeden fastenden Muslim, den ich kenne, könnte ich fragen und wir würden im gleichen Moment laut aufstöhnen. Jeder, der fastet, kennt diese Frage nur allzu gut. Sowie: „Das muss doch unfassbar ungesund sein, das wird euch vorgeschrieben? Ist das nicht gefährdend für eure Gesundheit? Ich würde das niemals machen, egal wer mir das vorschreibt. Ist doch Wahnsinn ohne Wasser, und das nebenher, während du arbeitest/zur Schule gehst?“

Man fastet nicht „nebenher“

Letzteres ist ausschlaggebend bei der Analyse der gescheiterten Kommunikation, die hier stattgefunden hat. Denn man fastet nicht „nebenher“. Ramadan ist eine Vollzeit-Aufgabe. Eine Zeit, in der man sich voll und ganz der eigenen Religion widmet. Natürlich findet jeder seinen eigenen Rhythmus, man reduziert auch Dinge wie z.B. Sport in der heißen Sommerzeit. Jedoch fokussiert sich der ganze Alltag einen Monat lang auf das Fasten. Der Schlafrhythmus und das Essverhalten ändern sich.

Diese kleinen Aspekte, die Nicht-Fastende nicht nachempfinden können, reichen schon um aufzuzeigen, dass hier nach eigenem Wertempfinden kategorisch Dinge, die zunächst absurd oder anstrengend klingen, als „krank“ oder „sinnlos“ abgestempelt werden. Nur wie soll man das Gefühl dieses kalten Schluck Wassers, das abends um 21:22 deine Lippen berührt und langsam den Mund gen Hals geht und sich wie das Allerschönste und Erfüllendste überhaupt anfühlt, jemandem aufzeigen oder erklären? Denn oft reicht die religiös motivierte Antwort den Menschen nicht aus. Die Argumentation, die Tradition und die Schönheit des Aktes des Fastens scheinen unmöglich darstellbar. Was jedoch viel anstrengender und unverständlicher ist, ist die Frage weshalb viele non-muslimische Menschen eine Aversion und Unverständnis gegen den Ramadan hegen.

Ramadan ist keine Wissenschaft

Das Lieblingsargument lautet: „Auch kleine Kinder werden bei euch dazu gezwungen, weißt du eigentlich wie ungesund das ist für so einen kleinen Menschen?“ Nein, im pubertären Alter fangen Kinder an. Und die die wollen, oder probieren wollen, früher. Und wer nicht kann und darf, tut es auch nicht. Kranke, Schwangere, Junge und Alte an dieser Stelle insbesondere hervorgehoben. Das steht auch außer Diskussion. Es gibt unzählige Statistiken und Experimente wie sich der Ramadan auf den Körper auswirkt, mit unterschiedlichsten Ergebnissen. Nur ist Ramadan keine Wissenschaft. Es ist Teil des Glaubens, eine der 5 Säulen des Islam, ein Glaubensbekenntnis, die Zeit in der die Seele gereinigt wird. Für Muslime heilig. Und wenn wir in demokratischen Ländern von Religions- und Meinungsfreiheit sprechen, gehört auch die Akzeptanz der muslimischen Glaubensrituale dazu. Insbesondere in Deutschland habe ich eigentlich das Gefühl, dass viele über den Ramadan und seine Hintergründe aufgeklärt werden und eine allgemeine Kenntnis darüber herrscht. Das stetige Hinterfragen der muslimischen Lebensweise kommt mir jedoch teilweise so vor, als würde sie aus Prinzip herrschen. Ich frage mich in manchen Momenten, warum ich mehr Rechtfertigung von mir gebe als Glaubensbekenntnisse.

Die unzähligen Versuche nicht fastender Menschen das Fasten unbedingt als sinnlosen „wissenschaftlich“ bewiesenen Mist darzulegen, sind nur ein Ausdruck dessen, dass einige überhaupt keinen Akt aus Selbstbestimmung und Religionsfreiheit ausüben. Aber sonst schreien alle, dass jeder sein darf ohne sich anderen erklären zu müssen! Das betrifft natürlich nicht jeden, nur möchte ich mich nicht dauernd rechtfertigen, weshalb ich faste, wenn ich gläubige und überzeugte Muslimin bin. Ich möchte diese Zeit im Ramadan ohne Diskussion und Argwohn durchleben und mich mehr als sonst meinem Glauben zuwenden. Dies soll eine Zeit der Erinnerung sein, weshalb wir besonnen sein sollten. Ich möchte diese Frage inklusive negativer Intention nicht dauernd beantworten, wenn ich sowieso nur gegen Wände rede. Oder im besten Fall als Irre abgestempelt werde. Eine für mich teils hilfreiche Lösung wäre die Aufklärung miteinander, diskutierend, in Schulen oder insbesondere durch Medien. Die erfolgt teilweise auch, nur wird immer versucht wissenschaftlich zu argumentieren und nicht die Akzeptanz und die spirituellen Nebeneffekte erwähnend zu vermitteln. Denn ich faste nicht wegen oder für die Wissenschaft. Ich glaube und das darf ich auch ohne Rechtfertigung. Und um die erste Frage des Artikels zu beantworten: Nein, nicht einmal Wasser.

Leserkommentare

Sumaya sagt:
" Es gibt unzählige Statistiken und Experimente wie sich der Ramadan auf den Körper auswirkt, mit unterschiedlichsten Ergebnissen. " Liebe Yasmine, hast du Quellen zu diesen Statistiken und Experimenten? Würde ich mir nämlich sehr gerne anschauen, danke!
22.04.21
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