Theologinnen in Deutschland

Frauen vermitteln Religion

Neben der Ausbildung von Imamen investieren islamische Religionsgemeinschaften auch in die Ausbildung von Theologinnen. Muhammed Suiçmez hat mit einigen von ihnen gesprochen.

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Symbolbild: Frauen vermitteln Religion - Theologinnen
Symbolbild: Frauen vermitteln Religion - Theologinnen © shutterstock, bearbeitet by iQ.

Die meisten Theologinnen sind ehrenamtlich in der Moschee tätig. Erst seit neustem gibt es auch Hauptberufliche, die entweder an den hiesigen universitären Zentren für islamische Theologie, in der Türkei oder in den eigenen Ausbildungsprogrammen der islamischen Religionsgemeinschaft in Deutschland ausgebildet werden. Im Gegensatz zu einem Imam sind die Frauen aufgrund des Bedarfs nicht nur in einer Moschee tätig, sondern oft in mehreren zugleich.

„Praxis ist das A und O“

So wie Yasemin Çolak. Seit 2016 arbeitet die 26-Jährige in den Moscheegemeinden der DITIB in Hemer, Hagen, Iserlohn, Gevelsberg, Wetter, Schwerte und Schwelm. Dort unterrichtet sie Frauen und Jugendliche auf Deutsch und Türkisch. Çolak absolvierte ihr Theologiestudium an der Marmara Universität in Istanbul. Dort konnte sie sich sowohl theoretische Kenntnisse, als auch sprachliche Kenntnisse in Arabisch aneignen als auch ihr Wissen vertiefen, insbesondere in den Schwerpunkten islamische Philosophie und Glaubenslehre. Zu ihren Tätigkeitsfeldern in den Moscheen gehören heute die Rezitation und Erläuterung von Koranversen und Prophetenworten und Vorträge zu verschiedenen Themen des Islams.

Zudem hat Yasemin Çolak durch mehrere Praktika, sowohl in Deutschland als auch in Türkei, praktische Erfahrungen gesammelt. Das ist auch notwendig gewesen, meint die junge Theologin, denn ohne die Praxis nütze einem das erworbene Wissen nicht viel. Ein Erfahrung, die auch ihre Kollegin Naimenur Çevik bestätigt. „Ich weiß, wie schwer es ist, zwischen zwei Kulturen und Sprachen aufzuwachsen. Ich möchte gerne als ein positives Vorbild für sie da stehen, damit sie sehen, dass sie es auch schaffen können, ihre Ziele zu erreichen“, erklärt die 27-jährige Religionsbeauftragte aus Ahlen.

„In Moscheen werden religiöse Bedürfnisse gestillt“

Die in Istanbul geborene Sultan Balkaya kam 1987 nach Wuppertal und war als Theologin in der IGMG-Moschee in Velbert aktiv. „In einem großen Gebetsraum mit über 60 Schülerinnen gab ich knapp sieben Jahre lang didaktisch aufbereiteten Unterricht in Koran, Arabisch, Glaubenslehre und anderen Bereichen“, erklärt Balkaya. Auch das Informieren und Beraten in puncto Weiter- und Ausbildung gehörte gerade bei Mädchen und jungen Frauen zu ihrer Aufgabe als Religionsbeauftragte.

Darüber hinaus organisierte sie Ausflüge mit Kindern und jungen Frauen, Iftar-Programme, Filmabende, Lesezirkel und Wochenendseminare. „Das wurde offiziell nicht verlangt, hat sich aber je nach Interesse der Beteiligten so entwickelt“, erinnert sich Balkaya. Des Weiteren bekam sie die Möglichkeit an verschiedenen Schulen Vorträge über den Islam zu halten.

„Ich halte unsere Moscheen für Orte, an denen die religiösen und sozialen Bedürfnisse des Menschen am besten gestillt werden“, sagt Balkaya. Neben ihrer Tätigkeit in der Moschee nahm Balkaya auch deshalb 2006 ein Studium in Pädagogik und Sozialwissenschaften an der Bergischen Universität Wuppertal auf. Seit 2012 ist sie in der IGMG Bildungsabteilung zuständig für die Kurse für Islamische Wissenschaften und beteiligt sich an der Entwicklung von Lehrplänen für die Ausbildung von qualitativen Lehrkräften in den Moscheegemeinden.

Theoretischer Ausbildung folgt Praxis

Die VIKZ bietet auch für Frauen ein dreijähriges Vollzeitstudium der islamischen Theologie mit einem anschließenden Praktikum an. Dem Grund- und Hauptstudium mit Koranrezitation, arabischer Schrift und Sprache, Hadith- und Tafsirwissenschaften sowie islamischer Theologie und Geschichte folgen in einem anschließenden Praktikum praktische Qualifikationen.

Ziel der Ausbildung sei es die Theologinnen so zu qualifizieren, dass sie eine Moscheegemeinde leiten und sich mit den religiösen, sozialen und kulturellen Fragestellungen der Muslime ausführlich beschäftigen kann. Zu den Tätigkeitsfeldern der Religionsbeauftragten innerhalb der VIKZ gehören zum einen die Seelsorge, die Vermittlung von gesellschaftlichen und religiösen Werten an Frauen und Jugendliche und zum anderen die religiöse Erziehung der Kinder und Jugendliche im Bereich islamische Glaubenslehre, Geschichte und Koranrezitation.

Protagonisten der Gemeindearbeit

Imame sind die Hauptansprechpartner, wenn es um die Lehre und Praxis des Islams geht. Jedoch variiert ihr Kontakt zu den weiblichen Moscheemitgliedern von Gemeinde zu Gemeinde. Hier kommen die Theologinnen ins Spiel, die einen besseren Draht zu den Musliminnen in der Moschee haben. Sie können gezielter auf ihre Bedürfnisse eingehen und sie unterstützen. Somit leisten sie einen wichtigen Beitrag in der religiösen Erziehung. Zudem fungieren sie des Öfteren als Beraterinnen für persönliche Angelegenheiten und sind auch als Seelsorgerinnen tätig.

Den größten Beitrag in den Moscheen leisten die Frauen durch ihr soziales und ehrenamtliches Engagement. Damit diese Dienste weiterhin geleistet werden, spielen die Theologinnen eine große Rolle. Aus diesem Grunde ist der Bedarf an in den Gemeinden sehr hoch. Theologinnen bereichern die Moscheen und sind ein wichtiger Teil der Gemeindearbeit.

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
Islam und Christentum waren und sind nicht aufgrund der inhaltlichen Überzeugungskraft ihrer religiöser Lehren erfolgreich. Dass ein Engel einem Analphabeten die ewiggültige Wahrheit im Frühmittelalter verkündet hat oder ein Gott eine Jungfrau schwängert, mutet objektiv betrachtet doch ziemlich absurd an. Kaum jemand, der erst im Erwachsenenalter mit solchen Glaubensinhalten erstmals konfrontiert wird, würde das abkaufen. Islam und Christentum haben es aber verstanden, Frauen zwar auf untergeordnetem Niveau, aber doch auf ein Weise ihre Religionsgemeinschaften einzubinden, dass gewährleistet ist, dass die Frauen bereits Kleinkindern die religiöse Doktrin quasi mit der Muttermilch einimpfen. Die Sicherstellung dieser Frühkindindoktrination hatten Islam und Christentum letztlich dem Mithraskult oder der alten römischen Religion voraus und nicht den größeren Wahrheitsgehalt und ethischen Wert ihrer Glaubenslehren.
03.01.18
11:59
Dilaver Çelik sagt:
Vielen Dank für diesen Beitrag. Das sind die wahren Vorbilder für muslimische Mädchen in Deutschland. Und nicht irgendwelche Schauspielerinnen, Sängerinnen oder Möchtegern-Imaminnen, die ihre Seele verkaufen und deren Namen ich hier nicht nennen will.
03.01.18
17:47
Manuel sagt:
Und wieder schön mit Kopftuch, wie wäre es wenn einmal eine liberale Moslema ohne Kopftuch vermitterln würde.
04.01.18
13:07
Johannes Disch sagt:
Eine prima Idee und ein Schritt hin zu islamischer Emanzipation, wenn nun auch Frauen die islamische Theologie vermitteln. Die Diskussion, warum monotheistische Religionen erfolgreich waren ist in diesem Zusammenhang sekundär. Tatsache ist, dass Religion ein wichtiger Faktor in der Geschichte der Menschheit war und für viele-- vor allem für Muslime-- noch immer wichtig. Entscheidend ist, dass man die Religion zeitgemäß lebt in Übereinstimmung mit demokratischen Werten und Normen.
05.01.18
13:41
Frederic Voss sagt:
Lehre und Praxis des Islam vertreten, vermitteln, definieren und verbreiten Imame und Theologinnen als Wissensautoritäten gegenüber Menschen, die darauf warten, daß ihnen andere Menschen beibringen, wie das Leben zu funktionieren hat. Viel schöner und besser wäre es, die Autonomie im Menschen zu stärken, daß er selber gültige Normen und Werte für sein Leben entwickelt als nur ergebener Abhängiger von selbsternannten Autoritäten und Herrschaften zu sein.
05.01.18
15:05
Enail sagt:
Dazu fällt mir die Syrerin ein, die seit 13 Jahren in Deutschland lebt und Kindern im Stuhlkreis erzählt, dass man das im Kindesalter noch gemischt machen kann. Bei älteren Kindern geht das nicht, da müssen Jungs und Mädchen getrennt werden. Oder die muslimischen Damen, die neu in unser Land gekommen sind, und jetzt schon im Kindergarten getrennte sanitäre Räume für Jungs und Mädchen fordern. Ist für Muslime der Mensch in erster Linie ein sexuelles Wesen, weil ständig dies bezüglich Befürchtungen und Vorsorge getroffen werden muss, selbst schon im Kiga? Es sind Frauen, die zum großen Teil die Kinder erziehen. Es sind Frauen, die die Jungs in dem Bewusstsein erziehen, dass sie die Besseren sind, die Überlegenen, die kleinen Könige, während das Mädchen gehorchen muss, keinen eigenen Willen haben sollte, und auf jedes männliche Wesen in der Familie zu hören hat, selbst wenn es der kleinere Bruder ist. Und dass diese Rollenverteilung nicht aufgeweicht wird, braucht es natürlich Frauen, die dahinter stehen und diese Einstellungen weitergeben.
18.02.18
22:46
Prinzessin Rosa sagt:
Das hat mit islamischer Emanzipation nichts zu tun was diese Theologinnen leisten, sondern es handelt sich hierbei um einen innermuslimischen Akt der Rückbesinnung auf die muslimische Praxis. Schaut man in die Geschichtsbücher der islamischen Kernländer und gleicht es mit Koran und Sunna ab zeichnet sich ein Bild der muslimischen Frau ab das hier und heute als Intellektuelle, CEO, kurzum als eine am gesellschaftlichen Leben partizipierende Frau beschreibt. Leider sind auch diese Zeiten dem Wandel unterworfen. Aber das diese im Artikel beschriebene Entwicklung im aufgeklärten Deutschland kritisiert wird beschämt mich. Fazit - lieber ein Tuch auf dem Kopf als eins vor den Augen.
09.03.18
9:59