IQ-WAHLPRÜFSTEIN NIEDERSACHSEN

„Islam ist heute Teil der deutschen Kultur“

Am 15. Oktober finden die Landtagswahlen in Niedersachsen statt. Was steht in den Parteiprogrammen zu Islam und Muslimen? IslamiQ liefert die Antworten. Heute die Links-Partei (DIE LINKE). Wähl mit iQ!

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2017
Landtagswahl Niedersachsen - Die Linke © iQ.
Landtagswahl Niedersachsen - Die Linke © iQ.

IslamiQ: Niedersachsen ist bundesweiter Vorreiter bei der Einführung von bekenntnisorientiertem Islamunterricht an Schulen. Welche Pläne haben Sie dieses Angebot auszuweiten und zu vertiefen?

DIE LINKE: Wir begrüßen die Einführung von islamischem Religionsunterricht soweit bekenntnisorientierter Religionsunterricht an Schulen als Wahlfach angeboten wird. Dies ist auch ein weiterer Schritt in Richtung Gleichstellung des Islams. Für die Zukunft strebt DIE LINKE einen Ethikunterricht an, in dem alle Schülerinnen und Schüler mit ihren unterschiedlichen weltanschaulichen, kulturellen und religiösen Hintergründen gemeinsam über ethische Fragen diskutieren können. Im Rahmen des Bildungsauftrages sollen Schulen auch weiterhin Wissen über Religionen vermitteln.

IslamiQ: In Niedersachsen wurden die Verhandlungen über einen Staatsvertrag mit islamischen Religionsgemeinschaften Anfang des Jahres abgebrochen. Welche Pläne verfolgt Ihre Partei diese langjährigen Gespräche wiederaufzunehmen? Wie wollen Sie die Zusammenarbeit mit Muslimen stärken?

IslamiQ führte das Interview auch mit anderen Parteien:
FDP: „Kooperation mit Muslimen vertiefen“

DIE LINKE: Wir bedauern den Abbruch der Verhandlungen. Mehr denn je ist eine gesellschaftliche Debatte notwendig über die Freiheit religiöser und weltanschaulicher Bekenntnisse sowie die ungestörte Religionsausübung. Die Gefahr für Demokratie und Zusammenleben kommt von rechts. Angesichts des steigenden antimuslimischen Rassismus gehören der Kampf gegen Islamfeindlichkeit und die Bedürfnisse muslimischer Gemeinden ins Zentrum eines Dialogs.

IslamiQ: Mehrere Studien attestieren eine zunehmende Islamfeindlichkeit in Deutschland. Wie möchte Ihre Partei dieser Entwicklung entgegenwirken?

DIE LINKE: Aus Sicht der LINKEN bedarf es einer generellen gesellschaftspolitischen Offensive gegen Rassismus und alle Formen von Ausgrenzung. Islamfeindliche Taten müssen als das bewertet werden, was sie sind: rassistische Taten. Zu oft wird die politische Dimension solcher Taten geleugnet. Stattdessen wird das Thema Sicherheit vor Terrorismus ins Zentrum gestellt und so dazu beigetragen, Muslime in die Nähe von Terrorismus und Extremismus zu rücken.

Die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Initiativen, die den Austausch zwischen Muslimen und Nichtmuslimen fördern, muss selbstverständlicher werden. Zudem muss die Politik ihrer Verantwortung für das friedliche Zusammenleben gerecht werden, indem Pauschalisierungen („die Muslime“, „der Islam“) überwunden werden. Ohne Zweifel ist der Islam heute Teil deutscher Kultur, das muss als Selbstverständlichkeit auch von der Politik geäußert werden.

IslamiQ: In den letzten Jahren kommt es immer häufiger zu Angrien auf Moscheen und muslimische Einrichtungen.

DIE LINKE: Der Schutz von bedrohten Gruppen und ihren Einrichtungen ist zunächst Aufgabe der Polizei. Insofern muss diese ein Sicherheitskonzept erarbeiten, wie bedrohte Einrichtungen und Gruppen in der Gesellschaft besser geschützt werden können. Dazu ist es aber wichtig, die politische Dimension solcher Taten in den Blick zu nehmen und sie auch bei der juristischen Bewertung strafrechtlich zu berücksichtigen. Nachdem über Jahre eine von der LINKEN kritisierte Sparpolitik zum Personalabbau auch bei der Polizei geführt hat, muss es hier zu einer Umkehr kommen, um regelmäßige Streifen an gefährdeten Orten zu ermöglichen. Schließlich braucht es aus Sicht der LINKEN ein konsequenteres Vorgehen gegen die rechtsextreme Szene, die sehr oft hinter solchen Anschlägen steht.

IslamiQ: Die islam- und fremdenfeindliche AfD ist in eine Reihe von Landesparlamenten und nun sogar in den Bundestag gewählt worden. Welche Chancen malen sie der AfD in Niedersachsen aus und welcher Umgang mit dieser Partei ist von Ihnen im Landtag zu erwarten?

DIE LINKE: Das Handeln gegenüber der AfD, die von uns nicht als politische Konkurrentin sondern als Gegnerin charakterisiert wird, muss sich weiter daran orientieren, der fortschreitenden „Normalisierung“ der Partei entgegen zu wirken. Wir betreiben eine klare politische und organisatorische Abgrenzung gegenüber der AfD. Wir werden keine gemeinsamen Anträge einreichen, wir werden konsequent gegen Anträge der AfD stimmen, keine gemeinsamen Erklärungen abgeben, keine Unterstützung in Personalangelegenheiten gewähren oder annehmen. Dort, wo jedoch der Kern parlamentarisch-demokratischer Arbeit durch eine strikte Abgrenzung zur AfD blockiert werden würde, sind zu begründende Ausnahmen denkbar, wenn sie a) zur Aufrechterhaltung der Arbeit des Parlamentes nötig und b) nicht zu einer Stärkung der AfD führen. Wir werden für einen Kurs der strikten Abgrenzung, der im Idealfall in einer politischen Isolierung der AfD endet, bei anderen Fraktionen, Parteien, Stiftungen, Organisationen und in der Öffentlichkeit werben. Die AfD wird in uns ihre entschiedenste Gegnerin haben.

IslamiQ: Die Deutsche Islamkonferenz befasste sich mit dem Thema islamische Wohlfahrtspflege und Seelsorge aufgrund der steigenden Nachfrage – auch in Niedersachsen. Wird Ihre Parte die Etablierung einer islamischen Wohlfahrtspflege unterstützen? (bitte begründen)

DIE LINKE: Der Islam ist in Deutschland wie in Niedersachsen die drittgrößte Glaubensgemeinschaft. Es gibt einen Bedarf an islamischer Seelsorge und Wohlfahrt. In diesem Sinn und im Sinne der Gleichberechtigung der Religionen sind muslimische Verbände zu unterstützen, damit sie eine islamische Wohlfahrt und Seelsorge etablieren können. DIE LINKE tritt für einen Zugang aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zur Seelsorge in öffentlichen Einrichtungen wie beispielsweise Krankenhäusern und Gefängnissen ein.

Leserkommentare

Manuel sagt:
Das Religionskritik einmal urlinks war, scheint die Linke offenbar nicht mehr zu wissen!
10.10.17
18:12
Burak sagt:
"Für die Zukunft strebt DIE LINKE einen Ethikunterricht an, in dem alle Schülerinnen und Schüler mit ihren unterschiedlichen weltanschaulichen, kulturellen und religiösen Hintergründen gemeinsam über ethische Fragen diskutieren können." Hier muss die LINKE klarer Stellung beziehen. Bedeutet die Einführung von Ethikunterricht gleichzeitig die Abschaffung des konfessionell gebundenen Religionsunterrichts? Oder sollen diese Angebote nebeneinander Bestand haben? Während es gegen Letzteres sicherlich nichts einzuwenden gibt, würde Ersteres in die Rechte aller Religionsgemeinschaften, auch die der Kirchen, eingreifen.
11.10.17
13:29