Islamfeindlichkeit

Wulff besorgt über den Zustand der Demokratie

Ex-Bundespräsident Christian Wulff zeigt sich besorgt über die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland und erinnert an die Erfahrungen der NS-Zeit. Muslime dürften nicht ausgegrenzt werden, wie man einst Juden in Deutschland ausgrenzte.

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2017
Christian Wulff - Der Islam gehört zu Deutschland
Der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff © Photo: Martina Nolte, Lizenz: Creative Commons by-sa-3.0 de, bearbeitet IslamiQ

Der frühere Bundespräsident Christian Wulff ist besorgt über den Zustand der Demokratie in Deutschland. Zwar verböten sich Vergleiche mit dem Nationalsozialismus, sagte er am Mittwoch im Essener Dom. Doch die Gegenwart zeige Parallelen zum Untergang der Weimarer Republik in den 1930er Jahren.

Dieser „erste hoffnungsvolle Beginn des Parlamentarismus“ sei an fehlender demokratischer Identität in Deutschland und einer gewissen Sorglosigkeit gegenüber antidemokratischen Fehlentwicklungen gescheitert, so Wulff. „Wenn viele in der Demokratie schlafen, kann es passieren, dass sie in der Diktatur aufwachen.“ Er äußerte sich beim Sozialpolitischen Aschermittwoch des Bistums Essen und der Evangelischen Kirche im Rheinland.

Die Menschen heute dürfen laut Wulff nicht einem „Klima der Angst“ erliegen, das gerade in der digitalen Welt geschürt werde. „Es ist spürbar, dass die Gesellschaft seit einiger Zeit durch Egoismus, Nationalismus, Populismus, Protektionismus, Isolationismus, Autokratie, Angst, Hass und Missbrauch getragen wird“, so der frühere niedersächsische Ministerpräsident (CDU). Umso wichtiger sei es, dass die Bürger nicht abstumpften und Freiheit und andere demokratische Werte als selbstverständlich hinnähmen.

In der NS-Zeit habe es geheißen, die Juden gehörten nicht zu Deutschland, gab Wulff zu bedenken. „Heute heißt es, die Muslime gehören nicht zu Deutschland“, nahm er Bezug zu seinem vielzitierten Wort vom 3. Oktober 2010, dass der Islam zu Deutschland gehöre. Christen sollten sich dafür einsetzen, dass die Muslime in Deutschland ihre Religion pflegen, Moscheen betreiben und ihre Kinder islamischen Religionsunterricht erhalten können. Voraussetzung sei, dass die Muslime demokratische Grundrechte wie Gleichberechtigung, Meinungs- und Religionsfreiheit anerkennten.

Angesichts der politischen Lage sieht Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck die Christen herausgefordert, Verantwortung wahrzunehmen. Wegen „der verschiedenen Vereinfacher und Populisten dieser Tage“ scheine es nötig, „dass wir uns neu bekennen und für die Freiheit Haltung zeigen“, sagte er in seinem Grußwort. EKiR-Präses Manfred Rekowski plädierte für mehr Engagement für den Frieden. „Spätestens seit dem letzten Jahrhundert wissen wir: Wenn mehr als ein Volk sagt ‚Wir zuerst‘, wird man sich über kurz oder lang auf Soldatenfriedhöfen treffen“, sagte er. Bei dem ökumenischen Gottesdienst entzündeten Overbeck und Rekowski vor dem Altar eine Kerze als Zeichen der ökumenischen Verbundenheit. (KNA/iQ)

Leserkommentare

grege sagt:
@ Herr Disch, Kritik, ja sogar Ablehnung einer Religion sind auch Bestandteil einer Demokratie, ebenso wie kontroverse Diskussion zu dem damaligen Ausspruch von Herrn Wulf. Ich kann es nicht oft genug wiederholen, durch die Selbstverleugnung und Leisetreterei des islamischen Extremimus in den eigenen Reihen erzeugen die Vertreter der Islamverbände auch dieses Misstrauen im nichtmuslimischen Umfeld. Dieses Land bietet Muslimen sogar so attraktive Lebensbedingungen, dass zigtausende sich hier niedergelassen haben. Eine Minderheit, die gemäß entsprechenden Umfrageergebnissen leider nicht unerheblich ist, nutzt leider diese Freiheiten, für eine extremistische Ausrichtung ihrer Religion zu werben und somit auch den Nährboden für den Jihadismus auszurollen. Von daher ist dieser Situation in keinster Weise mit der Rolle hier lebender Juden in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts vergleichbar. Solche Vergleiche sind unsäglich und lenken nur von den Misständen in den muslimischen Communities ab.
24.03.17
21:59
Johannes Disch sagt:
@grege Die Situation ist sehr wohl mit den Dreißiger Jahren vergleichbar. Mit denselben fadenscheinigen Argumenten wie heute-- Passagen aus dem Koran zu ziehen, die angeblich zeigen sollten, dass der Islam angeblich nicht zu Deutschland passt, etc.--wurde damals gegen die Juden argumentiert. Da widmete man sich dem Talmud und dem AT. Und man nahm Ihnen sukzessive ihre Rechte. Dasselbe fordern viele inzwischen auch für den Islam. Das Muster ist also genau dasselbe. Daran ändern auch gewisse Mißstände in der islamischen Community nix. Hier lebende Muslime und auch die Verbände haben sich schon häufig gegen den islamistischen Extremismus / Terrorismus gewendet. Dennoch hören sie bei jedem neuen Anschlag und bei jedem neuen Problem dieselben Forderungen und Verdächtigungen. Wir Deutsche müssen uns auch nicht ständig vom NSU distanzieren, um zu zeigen, dass wir keine Nazis (mehr) sind.
26.03.17
21:46
portago sagt:
Fast hätte er mir damals ja Leid getan. Weil der Grund seines Rücktritts wirklich mehr als lachhaft war - und weil ich seinen Nachfolger nicht ausstehen konnte. Aber sein Scharwenzeln mit Doppeltem Rittberger um den Islam hat mich davon wieder weggebeamt. Nein - Christian Wulff: Der Islam gehört NICHT zu Deutschland!
28.03.17
23:09
gregek sagt:
@ Herr Disch in gewisser Weise kommen bei mir auch Erinnerungen an die 30er Jahre hoch: z.B. wenn ich höre, dasss Herr Mayzek Juden empfiehlt in orientalisch geprägten Wohnvierteln hiesiger Großstädte auf die Kippa zu verzichten oder wenn in Frankreich Juden vermehrt aufgrund des Antisemitismus in den magrebhinisch geprägten Communities vermehrt das Land verlassen. Ebenso die antisemitischen Ausfälle in einigen Ditib Gemeinden lassen ebenso Erinnerungen wecken. Desweiteren wählen über die Hälfte der wahlberechtigten Türken die AKP, die ebenso durch rechtspopulistische Kampagnen auf sich aufmerksam gemacht hat als eine türkische Pediga. Nunja selbst Sie konnten mir bisher keinen einzigen repräsentativen Islamverband nennen, dem nicht extremistische Elemente angehören. Ich warte leider immer noch...... Sie behaupten, viele würden die Muslime so behandeln wollen wie die Juden in den 30er Jahren. Können Sie mir bitte sagen, wie viele Menschen genau jso denken und die Herkunft der Quelle für diese Zahl nennen!
31.03.17
20:57
grege sagt:
Wie gesagt, Voraussetzung auch nach Aussage von Herrn Wulf, dass Muslime demokratische Grundrechte anerkennen. Angesichts der Verstrichung der Islamverbände im extremistischen Sumpf ist neben dem terroristischen Problem leider Skepsis gegenüber dem Islam angebracht, was natürlich nicht die Anschläge auf Moscheen rechtfertigen soll.
31.03.17
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