Debatte

„Gehört der Islam zur Schweiz?“

In der Schweiz wurde eine politische Debatte darüber entfacht, ob der Islam zur Schweiz gehöre. In den einzelnen Kantonen wird rechtlich sehr unterschiedlich mit dem Islam umgegangen.

20
06
2016
Umfrage in der Schweiz
Schweiz © by Martin Abegglen auf flickr.com (CC BY 2.0), bearbeitet IslamiQ

Durch die Aussage des CVP-Präsidenten Gerhard Pfister: „Die Schweiz ist ein christliches Land. Dazu sollten wir wieder stehen“, vergangene Woche wurde eine rege politische Debatte in der Schweiz ausgelöst, ob der Islam dazu gehöre. Die CVP vertritt hier die Position, wer in der Schweiz lebe, müsste christliche Werte anerkennen. „Die Anerkennung des Islams ist nicht die Lösung. Im Gegenteil müssen Muslime, die ein ambivalentes Verhältnis zu unserem Rechtsstaat pflegen, diesen zuerst akzeptieren und befolgen, bevor wir ihnen neue Rechte zugestehen,“ so Pfister weiter.

Der Aargauer SP-Nationalrat Cédric Wermuth hielt dem entgegen. Der Islam gehöre zur Schweiz und sollte den christlichen Kirchen rechtlich gleichgestellt werden. „Wir müssen die hier lebenden Musliminnen und Muslime endlich als gleichberechtigte Bürger anerkennen. Pfister versucht genau das Gegenteil, das ist brandgefährlich.“

Der Solothurner SVP-Nationalrat Walter Wobmann nimmt eine deutlich islamkritischere Haltung ein. Er tritt dafür ein, „dass wir unsere christlichen Werte, unsere Kultur verteidigen müssen.“ Er kenne zwar viele friedliebende und gemäßigte Muslime gesteht der Politiker ein. „Aber die radikalen haben das Sagen“, so Wobmann weiter.

FDP-Politiker fordern eine gemäßigtere Debatte, denn „Es geht nicht um die Anerkennung des Islams, denn es ist längst Tatsache, dass auch Muslime in der Schweiz wohnen“, stellt Berner Christian Wasserfallen von der FDP fest. Nun wird im ganzen Land rege diskutiert. Denn diese Frage spaltet sowohl die Politik als auch die Gesellschaft.

Während auf Bundesebene jedoch noch diskutiert wird, gehen die einzelnen Kantonen bereits sehr unterschiedlich mit dem Thema Islam und mit Religion im Allgemein um. Denn das Verhältnis von Staat und Religion ist in der Schweiz föderalistisch geregelt und damit Angelegenheit der einzelnen Kantonen. Nicht alle Schweizer Kantonen bezeichnen sich explizit als „Christlich“.

In Genf beispielsweise findet seit jeher eine strikte Trennung zwischen Staat und Kirche statt. Die Kantonen Basel-Stadt, Waadt und Neuenburg hingegen haben die öffentlich-rechtliche Anerkennung der islamischen Religionsgemeinschaften, und damit die Gleichstellung mit den christlichen Kirchen bereits vollzogen.

In diversen anderen Kantonen, wie beispielsweise Aargau, organisieren sich Muslime und Moscheegemeinden als eingetragene Verein. Hier sind die christlichen Landeskirchen öffentlich-rechtlich deutlich privilegierter. Christoph Weber-Berger, Präsident der Reformierten Landeskirche Aargau forderte jedoch vor zwei Wochen, die rechtliche Anerkennung des Islam.

Leserkommentare

Maria sagt:
Es ist das gute Recht der Schweiz, von Muslimen zu verlangen, dass Muslime die christlichen Werte anerkennen. In muslimischen Ländern ist es umgekehrt ebenso. Gruppierungen, wie z.B. die Muslimbrüder, deren Mitglieder immerhin in die Millionen gehen, fordern gar einen Treueid auf den muslimischen Staat. Ebenso sind Muslime in muslimischen Ländern deutlich privilegierter gegenüber Nichtmuslimen.
20.06.16
15:46
Andreas sagt:
Ich finde die Fragestellung, ob der Islam zu diesem oder jenem Land gehört, in Ländern, die eigentlich die Religionsfreiheit in ihrer Verfassung verankert haben, unsinnig. Was soll es überhaupt bedeuten, wenn gesagt wird, der Islam gehöre nicht zur Schweiz oder zu Deutschland? Eine Religion, die da ist, kann gar nicht anders, als zur Schweiz oder zu Deutschland gehören.
20.06.16
19:32
Johannes Disch sagt:
@Maria Der moderne Nationalstaat definiert sich säkular, und nicht religiös. Das gute Recht der Schweiz ist es, dass Muslime die Schweizer Rechtsordnung anerkennen und die Schweizer Gesetze befolgen. lg Johannes Disch
21.06.16
1:40
Maria sagt:
@Johannes Disch Wer definiert denn, wie ein moderner Nationalstaat sich zu definieren hat? Muslime definieren ihre Staatswesen auch ganz weitgehend über den Islam. nur von den nicht muslimischen Staaten erwarten Muslime, dass die sich nicht über die Religion definieren sollen. Warum soll es also den Schweizern verwehrt sein, ihren Staat als christlich geprägt zu definieren?
22.06.16
14:19
Johannes Disch sagt:
@Maria Der moderne Staat ist spätestens seit der Amerikanischen Revolution (1776) und der Französischen Revolution (1789) säkular. Grundlegend ist eine Trennung von Religion und Staat. So ist Deutschland kulturell zwar christlich geprägt, aber wir haben keinen theologisch definierten Staat. Der Einfluss der Kirchen / Der Religion auf die Politik ist beschnitten und limitiert. Diese Trennung zwischen weltlicher und göttlicher Macht ist eine spezielle Errungenschaft der westlichen Geschichte. Und die Schweiz gehört zum Westen. Es wäre also ein Anachronismus, würde die Schweiz ihren Nationalstaat wieder religiös-- hier: christlich-- definieren. Diese Zeiten sind zum Glück längst vorbei. Moderne Nationalstaaten haben als eines ihrer Grundprinzipien, die in der Verfassung garantiert sind, Religionsfreiheit. Diese hat sich aber den weltlichen Gesetzen unterzuordnen. Die Religionsfreiheit gilt auch in der Schweiz, und sie gilt auch für Muslime und ihren Glauben, den Islam. Aber: Entscheidend sind nicht die christlichen Werte, an die sich Muslime zu halten hätten, sondern die Gesetze der Schweiz, da-- wie ich ausgeführt habe-- der moderne Nationalstaat säkular ist und sich nicht religiös definiert. Oder kürzer: Muslime müssen nicht christliche Werte beachten, sondern die Verfassung und die Gesetze der Schweiz. lg Johannes Disch
23.06.16
1:15
Johannes Disch sagt:
@Andreas Ich finde diese Debatte-- Gehört der Islam zu Deutschland? / Zur Schweiz?-- auch völlig absurd. Bei uns leben Menschen muslimischen Glaubens und unsere Verfassung garantiert Ihnen das Recht auf Religionsfreiheit, wozu auch die Praxis der Religionsausübung gehört. Und diese Menschen müssen nur eines: Unsere Gesetze beachten. Und die meisten Muslime tun das, sowohl in Deutschland wie auch in der Schweiz. "Der Islam" ist ein abstrakter Begriff. Ein Glaube wird durch die Menschen lebendig, die ihn leben. Die richtige Frage wäre also: Gehören Muslime zu uns?? Und außer Alexander Gauland (AfD) und Christoph Blocher (SVP) würden wohl alle Deutschen und alle Schweizer diese Frage mit Ja beantworten. lg Johannes Disch
23.06.16
1:21
Manuel sagt:
Vielleicht sollte man sich fragen, gehört das islamische Frauenbild mit ihrem Symbol dem Kopftuch, die Scharia mit den Hadd-Strafen und der bewaffente Dschihad zu Deutschland?
23.06.16
15:01
Enail sagt:
Gehören Muslime zu Deutschland oder zu Europa oder sonst zu einem Land, in dem sie sich wohl fühlen, kann ich uneingeschränkt zustimmen. Es sind Menschen, so sehe ich es, wie du und ich. Allerdings scheinen sich aber viele Muslime in DE nicht sehr wohl zu fühlen, sonst müssten sie nicht ständig Forderungen stellen. Forderungen, die unserem Selbstverständnis von Gleichberechtigung oft widersprechen. Die islamische Ordnung, wie viele Muslime es sich wünschen würden, wollen die meisten Nicht-Muslime nicht. Und darin sehe ich das größte Problem, denn mit keiner anderen Religion führt man diese Auseinandersetzungen wie eben mit dem Islam. Der Islam selbst, den ich eher als eine Lebensweise, was er ja selbst von sich sagt, als eine Religion sehe, so finde ich es, würde ich sagen, gehört nicht zu Deutschland, auch wenn Frau Merkel es betont. Wenn fast 50% der Muslime den Islam über das Grundgesetz stellen, bestärkt das meine Ansicht. Denn eine Lebensweise, für die in vielen Teilen die Geschlechtertrennung und die Bevorzugung des Mannes elementar sind, behindern das friedliche Zusammenleben verschiedener Kulturen und Religionen erheblich.
24.06.16
22:06