Rohingya Muslime

„Ein schleichender Völkermord“

Die prekäre Lage der verfolgten Rohingya Muslime spitzt sich dramatisch zu. Der Versuch der ethnischen Säuberung ist in vollem Gange. Wie es soweit kommen konnte und welche perversen Strategien dem zugrunde liegen. Ein Kommentar von Milena Rampoldi.

26
05
2015
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Rohingya Muslime: ein schleichender Völkermord, ethnische Säuberung, buddhistischer Terrorismus, wie man diese Katastrophe auch benennen mag. Es geht auch hier in Myanmar, unabhängig von jeglicher religiösen Haltung und jeglicher politisch-ideologischen Einstellung, um etwas viel Größeres: und zwar um die narrative Entmenschlichung und die darauffolgende vollständige Eliminierung des Anderen. Indem man Menschen einer anderen Religion und Volksgruppe entmenschlicht, erklärt man sie für vogelfrei, für freies Vieh, das man töten kann. Was aber immer Grundlage jedes Völkermordes ist, ist das Narrativ desselben. Und da sind die Völkermörder immer sehr kreativ, und so sind sie es auch in Myanmar. Die Rohingya wären späte Einwanderer und nicht schon seit tausend Jahren hier und vor einem Jahrtausend durch arabische Händler zum Islam übergetreten.

Erst wenn wir sie im Meer sehen, weggeschoben und verdrängt von allen Ländern, die sie aufnehmen sollten, verstehen wir die Tragik dieses Völkermordes, der schon mehrfach versucht wurde, zuletzt durch die Junta. Aber nach dem Fall des Militärregimes und dem Aufbau der neuen Regierung, der sogenannten „Menschenrechte“ und des sogenannten Friedens dachten viele, es wäre das Ende des Endes der Rohingya-Muslime. Die Hoffnung gab uns natürlich die neue Regierung Suu Kyi. Aber Suu Kyi ist geradezu die Befürworterin dieser Verfolgung, da sie sich nicht für die Rohingya einsetzt. Sie spricht öffentlich den Völkermord ab, und auf diese Weise lässt sie die buddhistischen Terroristen walten, denn die Welt schweigt. Denn Buddhisten als Täter zu bezeichnen, gegen Muslime als Opfer, ist für viele schwer nachvollziehbar, vor allem auch aufgrund der großen Medienauftritte des Islamischen Staates und seiner Brutalität gegen Zivilisten und des dauernden Echos des 11. September 2011, der in den Medien so oft vorkommt wie die Judenverfolgungen der NS-Zeit.

Wie sieht nun dieses Narrativ aus, nach dem die Rohingya kein Recht auf die Staatsbürgerschaft von Myanmar haben? Dies erklärt uns Harun Yahya in einem Artikel zum Thema vom Dezember 2014, in dem er wie wir das Schweigen der Welt denunziert und hervorhebt, wie es um einen dauernden und schleichenden Völkermord gegen diese ungeschützte und international bewusst in den Schatten gedrängte Volksgruppe geht. Ihr wird die Staatsbürgerschaft in Myanmar verwehrt. Die einzigen Alternativen in dieser Situation sind die Aufenthalte in den maroden Flüchtlingslagern oder die Flucht ins Ausland. Der türkische Theologe Harun Yahya spricht aber das Grundproblem, das jenseits des territorialen Streits an die Oberfläche tritt, klar an, wenn er schreibt: „Das Volk eines Landes wird seit Jahren verfolgt und ermordet. Dieser Völkermord geschieht unter den Augen der Welt. Und die Welt weiß es, aber sie sagt nichts. Das bedeutet, dass es ein Gewissensproblem und nicht ein Problem der Beweisführung ist“. Denn es zählt nicht, ob das Narrativ nun glaubwürdig ist oder nicht. Es zählt nur, dass es das einzige Narrativ der Buddhisten im Lande ist, die eine Minderheit ausschalten wollen. Und das ist ein ethisches Problem der Menschen ohne Gewissen, ja einer ganzen Völkergemeinschaft ohne Gewissen. Wie am Beispiel von Palästina, Darfur, der Uiguren, zeigt sich auch hier das gewissenlose Ignorieren des Anderen, des Menschen, da seine Entmenschlichung zum Narrativ gehört und nur noch so oft wiederholt werden muss wie nötig, um wahr zu klingen und das Gewissen der Mehrheit auszuschalten.

Welche Aufgabe haben wir als Muslime heute für die Rohingya? Wir müssen das Schweigen brechen, über dieses Volk schreiben, die Bilder dieses Volkes verbreiten und alle gemeinsam gegen die Regierung in Myanmar protestieren. Des Weiteren müssen wir über den buddhistischen Terrorismus sprechen, der natürlich der pazifistischen Seele des Buddhismus vollkommen widerspricht, aber nun mal existiert. Die Fokussierung auf den islamischen Terrorismus, als gehöre er zum Islam, und das vollkommene Schweigen über den buddhistischen Terrorismus gegen die Minderheit der Rohingya in Myanmar soll auch thematisiert werden.. Die internationale Gemeinschaft muss Druck auf Myanmar ausüben und die sogenannte Demokratie von Myanmar boykottieren und international delegitimieren. Das Ganze sollte dann auch mal von einer ökonomisch-kolonialistischen Perspektive gesehen werden: wer profitiert von der Leere der Rohingya-Region? Wer wird den Platz der Rohingya dort einnehmen? Ich finde immer den neoimperialistischen Ansatz sehr nützlich, um das Phänomen des Völkermords zu analysieren und zu erklären. Es geht mit Sicherheit auch bei den Rohingya nicht um einen Religionskrieg, sondern um Macht, um Ausschaltung des Anderen zwecks Machtvergrößerung der buddhistischen Mehrheit, um wirtschaftliche Vorteile, um finanzielle Vorteile durch Enteignungen und Landraub. Das Ganze hat sehr wohl etwas Nazi-Faschistisches an sich und ein Kalkül, dass Religionen nur manipuliert werden, um den Völkermord zu rechtfertigen und gleichzeitig ihn zu ignorieren, während er geschieht. Denn im Buddhismus ist es sogar erlaubt, Buddhist und Muslim gleichzeitig zu sein. Und genau das sollte uns zum Nachdenken anregen und uns dazu führen, das Thema auch mal wirtschaftlich und geopolitisch zu analysieren.