Frankfurter Buchmesse

Ein Streifzug durch den Buchmarkt in islamischen Ländern

Die Frankfurter Buchmesse ist erneut im Fokus der Bücherliebhaber. Joachim Heinz (KNA) hat sich umgesehen und teilt mit uns mal ernst, mal weniger ernst seine Beobachtungen.

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2014
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Vatikan und Koran liegen auf der Frankfurter Buchmesse nur wenige Schritte entfernt. In Halle 5 präsentiert die vatikanische Verlagsbuchhandlung in einem schmucken Großstand ihr aktuelles Sortiment. Ein paar Meter dahinter können Besucher in den Schriften des Propheten Mohammed blättern. Im Angebot ist beispielsweise eine „Frauen“-Edition des Koran in rosafarbenem Etui. Die für die Leserinnen wichtigsten Stellen sind hervorgehoben.

An Einsteiger richten sich Multimedia-Versionen, bei denen ein mitgelieferter Lesestift die Suren rezitiert. Lederne Prachtausgaben für mehrere hundert Euro stehen in unmittelbarer Nachbarschaft zu spirituellen Gratisratgebern, die dem gläubigen Muslim erklären, wie er sich bei Aprilscherzen zu verhalten hat.

Religion ist – wenig überraschend – ein wichtiges Thema auf den Buchmärkten in der islamischen Welt von Marokko bis Malaysia. Was die Situation speziell in den 22 Staaten der Arabischen Liga anbelangt, so zeichnete der Branchenkenner Samar Abou-Zeid aus Katar gestützt auf Urteile von weiteren Experten im vergangenen Jahr ein gemischtes Bild.

Viel Luft nach oben

Der syrische Buchmarkt: wegen des Bürgerkriegs faktisch geschlossen; Libyen, Sudan, Irak: „Für die Verlagsbranche bislang nicht zugänglich“, Ägypten: geringe Kaufkraft, Libanon: sehr kleiner Markt; Golfstaaten: großes Lesepublikum, aber beeinträchtigt durch Zensur. Die Befunde lassen sich aber auch anders deuten: Noch ist viel Luft nach oben, Möglichkeiten zur Expansion sind vorhanden.

Dazu passt, dass die Veranstalter der Frankfurter Buchmesse ein Plus von 16 Prozent bei den arabischen Ausstellern im Vergleich zum Vorjahr verzeichnen. Und mit Indonesien ist im kommenden Jahr gar das nach Bevölkerungszahl größte islamische Land der Erde Ehrengast.

Viel Auswahl, wenig Debatten

Zu den wichtigsten indonesischen Publikationshäusern gehört der Mizan-Verlag, der 600 Bücher im Jahr herausbringt. „Unser Fokus liegt auf der Verbreitung islamischen Denkens auf eine freundliche und offene Weise“, erläutert Vorstandsmitglied Sari Meutia. Dazu dient unter anderem ein Kinderbuchprogramm, das Mizan seit 1992 kontinuierlich ausbaut. Hier gehe es um allgemeingültige Werte, betont Meutia. Die Bücher der Reihe „Character building for kids“ („Charakterschule für Kinder“) tragen Titel wie „Mama helfen“, „Bescheiden sein“ oder „Versprechen einhalten“.

Bei Debatten über die politische Rolle des Islam hält man sich dagegen zurück. „So etwas verkauft sich eher schlecht“, erläutert die Verlegerin. „Das hier läuft besser“, sagt sie und holt ein Buch hervor, das muslimischen Frauen erklärt, wie man den traditionellen Schleier, den Hijab, trägt. Daneben führt der Verlag aber auch Comics im Manga-Stil oder Übersetzungen der renommierten britischen Religionswissenschaftlerin Karen Armstrong.

Digitale Konkurrenz – Ein Problem

Vertraute Klagen kommen aus Saudi-Arabien, mit knapp 30 Millionen Einwohnern einer der wichtigsten Buchmärkte im Nahen und Mittleren Osten. Dort ächzen Händler laut einem Bericht der Zeitung „Arab News“ wie ihre deutschen Kollegen unter dem Druck der digitalen Konkurrenz. Am Stand des nach eigenen Angaben größten Verlag des Landes, Obeikan, setzen die Verantwortlichen folgerichtig auf Elektronik statt auf Gedrucktes. Nicht gerade zur Freude des jungen Publikums, wie die Deutschland-Generalvertreterin von Obeikan, Sawsan Chahrrour, erstaunt feststellt. „Die wollen immer öfter ein herkömmliches Buch in der Hand halten.“

Und wie steht es mit der Zensur? „Sicher gibt es rote Linien“, sagt die syrischstämmige Religionswissenschaftlerin. Aber der Schwerpunkt von Obeikan liege auf Bildungsliteratur und Managementratgebern. Da kämen Konflikte seltener vor. Wie offen und vielfältig die Märkte tatsächlich sind, lässt sich laut dem katarischen Branchenkenner Abou-Zeid mitunter schwer beurteilen. Der afghanische Verlag „Azam Printing House & Publications“ wartet mit einer Neuerscheinung auf, die angesichts des immer noch großen Einflusses der radikalislamischen Taliban überraschend scheint: einer Übersetzung des „Kleinen Prinzen“ in der Landessprache Paschtu. (KNA)