Die Geschichte einer Konversion

„Allah hat dich geschickt“ – Azubi konvertiert zum Islam

Max Klein, 19 Jahre alter Lüchower, konvertierte zum Islam. Mit seinen Glaubensbrüdern betet er nun in einer eigenen Moschee – in einem alten Bahnhof.

03
06
2018
Isfahan: Under the Dome of the Lotf Allah Mosque
Der glaube an den einen Gott ist zentral für den islamischen Glauben by A.Davey auf Flickr (CC BY- 2.0), bearbeitet islamiQ

Kurz vor Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan eröffneten Muslime im Wendland die erste große Moschee der Region. Untergebracht ist sie im denkmalgeschützten Bahnhof von Lüchow. Gläubige aus 20 Nationen versammeln sich hier künftig zum Freitagsgebet. Unter ihnen ist auch der 19-jährige Auszubildende Max Klein.

Die Lagerhalle des historischen Baus ist nicht wiederzuerkennen. Kronleuchter hängen von der Decke, die Wände leuchten weiß. Auf diagonalen Streifen knien sich die Muslime zum Gebet. Initiator des Projektes, aus dem Lagerraum eine Moschee zu machen, ist der Lüchower Arzt Maher Mouhandes, Vorsitzender der islamischen Gemeinde und Eigentümer des Bahnhofs.

Bei der Eröffnung fällt ein junges Gesicht auf. Max Klein trägt rotblonden Backenbart und ein Gebetskäppchen auf raspelkurzen Haaren. Der Konvertit aus Lüchow ist Auszubildender. Während seiner ehrenamtlichen Arbeit mit Flüchtlingen im Wendland hat er den Islam kennengelernt. Und sich dafür entschieden, selber Muslim zu werden – mit allen Konsequenzen.

Der Weg zur Konversion

„Allah hat dich geschickt, um uns zu helfen.“ Es war dieser Satz, der ihn dazu brachte, zu konvertieren. Max war damals 17 Jahre alt. Ausgesprochen hatte die Worte eine Englischlehrerin aus dem Libanon, die in Deutschland Asyl beantragt hatte.

Max Klein ist eine Ausnahmeerscheinung. Er ist bei den Grünen aktiv, Atomkraftgegner, hilft im Café Zuflucht. Auch beruflich orientiert sich der 19-Jährige anders als die anderen. Er lernt Zahnarzthelfer – einen Beruf, den praktisch nur Frauen ergreifen. Seinen Chef störe es nicht, dass er jetzt Muslim sei, bekennt Max. „Nur im Ramadan, da sorgen sie sich ein bisschen um mich“, sagt der junge Mann. Es ist schon sein dritter Ramadan.

Als Schüler engagierte sich Max in der Flüchtlingshilfe – bis zur Selbstaufgabe. „Einmal kamen 380 Stunden in einem Monat zusammen, zusätzlich zur Schule. Es war eine ungeheuer schöne Zeit.“ Die Muslime im Camp gaben ihm den Namen „Yafer“, der Helfer. „Das ist nun mein muslimischer Name“, sagt Max.

Schlechter Ruf der Konvertiten

Was bringt einen jungen Deutschen dazu, zum Islam überzutreten? Genau erklären kann er das nicht. Es sei die tiefe Hinwendung und das bedingungslose Vertrauen in Gott gewesen, was ihn bei vielen Flüchtlingen fasziniert habe. „Konvertiten gelten erst mal als Terroristen“, stellt Max fest. Es werde zu wenig über die vielen friedlichen Muslime berichtet. Denn den Mitmenschen freundlich zu begegnen und ihnen zu helfen, sei eine der Grundregeln des Islam.

„Es gab Abende, da lag ich heulend im Bett“, erinnert sich Max. Im Camp erlebte er zutiefst traumatisierte Menschen. Es waren vor allem die Kinder, die ihm leid taten, berichtet Max, der als Baby adoptiert wurde. Er wuchs in einer intakten Familie auf. Durch seine Hilfe konnte er etwas zurückgeben an die Kinder und deren Eltern.

Was ändert sich?

Das Glaubensbekenntnis, die Schahada, legte er in einem Lüchower Hinterhof ab. Was ändert sich im Alltag, wenn man eine neue Religion annimmt? „Alles. Bis hin zu Freunden, die sich abwenden“. Es gibt keinen Alkohol mehr in Max‘ Leben. Die Regeln des Islam fordern, immer aufrichtig zu sein. Sein Tagesablauf sei viel strukturierter, durch die fünf Gebete. Eine Handyapp erinnert ihn daran. Anfangs hätte er nach dem ersten Gebet um zwei Uhr Morgens nicht mehr einschlafen können.

Eine Freundin? Ist verboten. Züchtige Dates sind erlaubt, Sex vor der Ehe ist tabu. „Man darf sich treffen, aber nur mit Begleitung“. Wenn es passt, müsse man eben heiraten. Von anderen Muslimen bekomme er Tipps, wer zu ihm passen könnte. Mit seinem Vater rede er nicht viel über die Konversion. Seine Mutter sei am Anfang „ziemlich geschockt“ gewesen. Inzwischen koche sie schon mal halal – gemäß den islamischen Vorschriften. „Aber sie trinkt Wein dazu“, lacht Klein.
Das konservative Rollenverständnis vieler Muslime missfällt dem Konvertiten. Männer und Frauen seien laut Koran vor Gott gleichberechtigt; anders, als es in vielen muslimischen Ländern praktiziert würde.

Gründe für eine Konversion

Die Motivlage für eine Konversion sei höchst unterschiedlich und „immer individuell begründet“, erläutert Islamwissenschaftler Michael Kiefer von der Universität Osnabrück. „Den einen Islam gibt es bekanntlich nicht. Jeder hat ganz eigene Gründe für den Glaubenswechsel.“ Wenn etwa ein Nichtmuslim eine Muslima heiraten möchte, könne er ihren Glauben annehmen, damit die Ehe, jenseits der Rechtsgültigkeit, auch von Muslimen akzeptiert werde. Einige lernten den Islam auf der Suche nach spiritueller Orientierung kennen. Andere seien auf der Suche nach Struktur oder einer neuen Gemeinschaft. Der streng monotheistische Islam sei besonders klar in seinem Regelwerk – Labsal für irritierte Europäer, die das „anything goes“ der Postmoderne überdrüssig seien.

Eins sei auffällig, so Kiefer: „Konvertiten nehmen die religiösen Pflichten sehr viel genauer als andere Muslime. Häufig legt sich das wieder.“ Eine Gefahr der Radikalisierung durch bloße Hinwendung zum Islam sehe er grundsätzlich nicht. Sorgen müsse man sich nur machen, wenn bestimmte Kreise versuchten, Konvertiten zu radikalisieren. „Das hat aber nicht so sehr mit dem Islam zu tun.“

„Wir Muslime werden unter dem Mikroskop betrachtet“, bemerkt Max – man stehe immer unter Beobachtung. Deshalb hat er sich entschlossen, offen und transparent mit seinem Entschluss umzugehen. Er habe zwölf Jahre Kampfsport betrieben, sich genug Selbstbewusstsein erarbeitet, um zu seiner Entscheidung zu stehen. In seiner neuen Gemeinde wird er akzeptiert. „Ich habe Freunde verloren durch diese Entscheidung. Ich habe aber auch neue gewonnen.“ (dpa, – Björn Voigt-, iQ)

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
„Allah hat dich geschickt, um uns zu helfen.“ Aylan Kurdi (geb. 2012; gest. 2. September 2015 nahe Bodrum) war ein zwei Jahre alter syrischer Junge kurdischer Abstammung, dessen Leichnam nach Ertrinken an der türkischen Mittelmeerküste angeschwemmt wurde. Warum hat ihm Allah nich rechtzeitig jemanden geschickt, um ihm zu helfen? Meine Antwort auf diese Frage: Allah und sonstige unsichtbare imaginäre Freunde sind reine Hirngespinste. Es existieren keine allmächtige und allgütige Götter. Ich halte es für intellektuell sehr seicht, es einem Gott zugute zu halten, wenn man im Leben einfach einmal großes Glück gehabt hat. Es ist auch irgendwie arrogant Menschen wie Aylan Kurdi gegenüber, die dieses Glück zufällig nicht gehabt haben. Ich engagiere mich gerade deshalb auch zugunsten von Flüchtlingen, weil ich davon ausgehe, dass es gerade eben keinen Gott gibt, auf den wir bauen können. Es liegt an alleinuns Menschen selbst, für einander da zu sein und zueinander gut zu sein.
03.06.18
13:34
Ismael sagt:
Ute Fabel wenn sie glauben das es keinen Gott gibt dann habe Ich eine frage woher kommen wir und woher kommt das universum? war es einfach da? wie ein gemälde? selbst ein kleines gemälde ist nicht von sich selbst enstanden geschweige denn das Universum
04.06.18
1:42
Emanuel Schaub sagt:
Für mich ist es piep egal ob mir Gottes halber ..oder aus eigenem Antrieb Hilfe zukommen lässt! Gestern durfte !! ich einer Dame helfen den Rollstuhl ihres Mannes bergauf zu schieben;ob nun Gott Allah oder meine Hilsbereitschauft aus ethischen Quellen dabie im Spiel waren ist unerhebllich. Um Theodor Storm zu zitieren8aus seinem Gedicht Grösser werden die Menschen) Nur um der Schönheit des Lebens/in diesem Fall also des Helfens willen!! Grus emanuel
04.06.18
10:51
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel (03.06.18, 13:34) Ihre Frage führt in den Bereich der "Theodizee", der "Rechtfertigung Gottes" / "Gerechtigkeit Gottes." Warum gibt es Leid? Warum lässt Gott Leid zu? Etc. Die Abhandlungen darüber füllen Bibliotheken. Letztlich gibt es darauf keine Antwort. Die Kategorie "Gott" entzieht sich der empirischen Wissenschaft. Dasselbe gilt auch für den Glauben an einen Gott. Dafür muss sich niemand rechtfertigen und es muss auch kein gläubiger Mensch erklären. Die Haltung des konvertierten Jungen ist so legitim wie ihre.
04.06.18
14:12
Prinzessin Rosa sagt:
Liebe Ute, und manchmal tun wir Gottes Werk ohne es zu wissen. Und grade weil du es nicht für Gott tust sondern um der Menschen Willen wirst du hoffentlich reichlich belohnt werden !
05.06.18
9:28
Ute Fabel sagt:
@ Ismael: „Woher kommt das Universum? Selbst ein kleines Gemälde ist nicht von sich selbst entstanden.“ Woher kommt dann Ihrer Meinung nach Gott, wenn Sie meinen, dass nichts aus sich selbst entstanden sein kann? Das muss doch dann wohl erst recht für so etwas Großes wie Gott gelten. Dass bei der Entwicklung vom Wolf zum Dackel nicht Gott im Spiel war, dafür haben die Evolutionslehre und die Genforschung schon Antworten geliefert. Es ist richtig, dass die Wissenschaft derzeit nicht sagen kann, was vor dem Urknall war. Dass die Welt aber nicht 6.000 Jahre alt ist, wie sich aus den Schriften ergibt, auf denen die abrahamitischen Religionen (auch der Islam) aufbauen, sondern knapp 14 Milliarden Jahre, konnte schon dargelegt werden.
06.06.18
18:27
Charley sagt:
Realsatire der Religion! Natürlich sind das alles Projektionen! Und mir scheint der Islam eine Religion zu sein für besonders simple Seelen, die sich erst ihren Gott vorstellen und diese Vorstellung dann anbeten! Das nennt man übrigens auch Götzendienst! @Ismael: Beschäftige dich mal mit dem Buddhismus, insbesondere dem Zenbuddhismus, der gerade in der Selbsterkenntnis, diese gesamte vorgestellte Welt als eigene Tat zu erkennen zum wahren spirituellen Selbst erwacht! - Jeder, der irgend etwas Göttliches als ein "Etwas" (unter anderen Etwassen in der Welt) ansieht, ist schlichtweg - nicht nur philosophisch, sondern existenziell - naiv! - Aber in Gruppenidentitäten kann man sich ja nett von der Auseinandersetzung mit sich selbst ablenken. Das ist ja auch zu anstrengend! ... Und die Umma wird dann auch schnell zur Keule gegen Andersdenkende! "Wenn etwa ein Nichtmuslim eine Muslima heiraten möchte, könne er ihren Glauben annehmen, damit die Ehe, jenseits der Rechtsgültigkeit, auch von Muslimen akzeptiert werde." Danke, dass hier mal deutlich ausgesprochen wird, wie intolerant Muslime also gegenüber Andersgläubigen sind. Dass man die Liebe zweier Menschen zueinander nicht einmal befreit von eigenen Religionsklischees anerkennen kann! - "Der streng monotheistische Islam sei besonders klar in seinem Regelwerk – Labsal für irritierte Europäer, die das „anything goes“ der Postmoderne überdrüssig seien." Siehe oben "simple Seelen", die für die ihnen gegebene Freiheit keinen Inhalt finden können (oder gar durch islamische Denkverbote nicht finden dürfen!). - "Eine Gefahr der Radikalisierung durch bloße Hinwendung zum Islam sehe er grundsätzlich nicht. Sorgen müsse man sich nur machen, wenn bestimmte Kreise versuchten, Konvertiten zu radikalisieren." Erst wird beschrieben, wie lustvoll er nun versucht ein 150%iger Moslem zu sein.Das ist schon eine Radikalisierung! Radikalisierung findet sofort statt, wenn unreflektiert Dogmen oder absolute Gottesdiktate umgesetzt werden. Der Schritt zur realen, äußeren Gewalt ist nur noch ein kleiner, der nur seinen Auslöser sucht! Gewalt wird schon getan, wenn man meint, das Glückseligkeitselexier zu alle Menschen besitzen. Zur Verwirklichung dieses Glückes müssen Widerspenstige eben evtl. noch gezwungen werden. Dieses Selbstverständnis hat der traditionelle Islam bis heute.
07.06.18
2:31
Saadet sagt:
An alle Aufmerksamkeitsökonomen Ich finde es doch immer höchsinteressant,wie viele Islamkenner in Deutschland leben. Bewundernswert! So viele tummeln sich wie zufällig genau in diesem Forum. Lauter Islamwissenschaftler, die alle die wichtigsten Wörter wie Umma und Scharia kennen und gerne Ihre Endlosschleife hoch und runter leiern. Die brauchen nicht mal ein Studium. Alles ganz autodidaktisch. Dieser Relgionshass! Kommt der aus einer inneren Unzufriedenheit? Furcht? Angst? Akute Selbstzweifel. Also eins steht fest. Wer so pauschal, populistisch und somit unsachlich über den Islam spricht, dem ist nicht mehr zu helfen. Das ist ungefähr so, als ob man die Mathematik mit den vier Grundrechenarten erklären, die Philosophie nur mit Kant in Verbindung bringt und die deutsche Literatur ausschließlich mit einem Buch erörtern wollen würde. Alles selbsternannte Islamkenner, die nun unser schönes Deutschland überschwemmen und glauben, das Wissen gepachtet zu haben. Ich versuche es jetzt mal ganz einfach. Ein Gleichnis: Der größte Teil der Bevölkerung in Deutschland feiert Weihnachten. Alle Familien, inklusive meine Familie, feiern Weihnachten sehr sehr unterschiedlich. Eines der schönsten Feste überhaupt. Die einzige Konstante, falls man es so nennen darf, ist der Weihnachts-bzw. Christbaum. Nun feiern erzkonservative, konservative, liberale, orthodoxe, protestantische, kapitalistische und konsumgesteuerte u.v.m das gleiche Fest. Einige gehen in die Kirche aus Überzeugung, andere um behaupten zu können, sie waren zur Weihnachtsandacht dagewesen. Jeder hat eine andere Motivation dieses Fest zu feiern. Man stelle sich vor, so ist es auch mit den Muslimen. Sie legen den Koran alle unterschiedlich aus und die Interpretation und Lesarten reichen von liberal bis konservativ, von love and peace bis feindselig.Sie leben, fühlen und denken alle unterschiedlich. Sie sind keine homogene Masse. Ich weiß: Das ist sehr schwer zu schlucken für Sie. Warum frau das Selbstverständliche erklären muss? Tja. Ach bitte, kommen Sie mir nicht mit den repressiven islamischen Ländern, Erdogan, den bösen Muftis usw. Es ist so furchtbar langweilig dieses „wer ist schlimmer Spiel...“ Dieses Spiel gewinnt leider niemand. Aprpos Spiel , dann lieber heuchlerisch die in Russland stattfindende WM schauen und einfach nur entspannen.
07.06.18
14:02
Johannes Disch sagt:
Die Ausführungen des Vorsitzenden dieser islamischen Gemeinde sind tatsächlich bedenklich: Eine kleine Auswahl: -- Eine Freundin ist verboten. -- "Züchtige" Dates sind erlaubt. -- Sex vor der Ehe tabu. Da muss ich "Charley" einfach zustimmen! Das ist Islam, wie man ihn eher nicht mag. Fundamental-orthodox, mit einer reaktionären Sexualmoral, die im liberalen Europa des 21. Jahrhunderts nichts mehr verloren hat. -- Mit dem Islam hat Radikalisierung eher nichts zu tun? Doch. Nämlich mit einer fundamentalistischen Auslegung, wie sie dieser Bahnhofsimam offensichtlich pflegt. Da ist der Schritt zur Radikalisierung nicht mehr weit bzw. man ist für die nächste Stufe des Fundamentalismus-- nämlich die Radikalisierung-- anfälliger.
08.06.18
15:20
Charley sagt:
@Saadet: Zitat: "Also eins steht fest. Wer so pauschal, populistisch und somit unsachlich ....spricht, dem ist nicht mehr zu helfen." Damit ist Ihr ganzer Text wohl schön zusammen gefasst. Wäre noch zu beschreiben: Mangelnder Bezug und dümmliche Küchenpsychologie ("Akute Selbstzweifel"). Das Gerede von der "keine homogene Masse" wird immer heraus gekramt, um auf typisch und sehr generell verbreitete moslemische Gemeinsamkeiten und der In-Fragestellung derselben nicht eingehen zu müssen. Also vielleicht einfach mal klar denken, sauber auf Aussagen anderer eingehen, differenziert urteilen lernen, bevor Sie den Namen Kant auch nur erwähnen.
08.06.18
20:25
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