Ayaan Hirsi Ali

Islamfeindlich und ohne Dialektik

Die Autorin und ehemalige Politikerin Ayaan Hirsi Ali hat vor Kurzem in Deutschland ihr neues Buch „Reformiert euch!“ vorgestellt. Dr. Milena Rampoldi schreibt über die Beweggründe der Autorin, die sich als Atheistin und Islamkritikerin definiert.

17
05
2015

Im Gegensatz zu Pamela Geller ist die Autorin und ehemalige Politikerin somalischer Herkunft Ayaan Hirsi Ali, die sich als Atheistin und Islamkritikerin definiert, in den Reihen der islamophoben „Akademiker“ und „Politiker“ sehr wohl ernst zu nehmen. Nicht nur aufgrund ihrer ehemaligen Zusammenarbeit mit Geert Wilders und ihrer Erfindung des niederländischen Bildes des gefährlichen und imperialistischen Islam der Religion der Unterdrückung des Menschen, der Freiheit und vor allem der Frau ist.

Ayaan Hirsi Ali stammt aus einem der undurchschaubarsten und politisch unstabilsten Ländern der muslimisch-afrikanischen Welt, in denen Folklore und uralte Traditionen, Zwangsehe und Genitalmutilation und auch häusliche Gewalt gegen Mädchen und Frauen als „islamisch“ begründet werden. Daher ist es in ihrem Falle notwendig, ihre Lebensgeschichte zu erörtern, um dann ihre verdrehte Auffassung des Feminismus zwar zu verstehen, ohne ihn aber zu rechtfertigen. Denn ihr Leben und ihr Denken hätten eine vollkommen andere Wende nehmen können, wie z.B. die der Somalierin Waris Dirie, die nach ihrer Modelkarriere den Verein „Wüstenblume“ gründete, der sich bis heute für die muslimischen Frauen in Afrika einsetzt, um die Genitalverstümmelung als unislamische Praxis zu bekämpfen, „was inshallah auch eines Tages gelingen wird“, so Waris Dirie am Ende ihrer Autobiographie „Wüstenblume“. Sie ist für mich genau das positive Gegenbeispiel einer somalischen Kindheitsverarbeitung, dem man Ayaan Hirsi Alis Pseudofeminismus mit Sicherheit als islamfeindliche Paranoia entgegensetzen kann.

Warum diese Wende nie kam, lässt sich gerade dadurch erklären, dass Ayaan Hirsi Ali den Bürgerkrieg nicht erlebte, die Gewalt nicht sah und nie von islamistischen Familienmitgliedern umgeben war, sondern in Kenia friedlich lebte und zur Schule ging. Sie eignete sich einen falschen Namen an und baute sich ein islamophobes Kartenhaus, um ihre Karriere in den Niederlanden möglich zu machen. 2006 wurde ihr nach der Aufdeckung ihrer Lügenmärchen die Staatsbürgerschaft entzogen. Seitdem lebt sie in den USA.

Ziel: die Verbannung und Zerstörung der „grünen Pest“

Wenn man über Ayan Hirsi Ali redet, dann muss der Kurzfilm „Submission“, dessen Drehbuch sie geschrieben hat, erwähnt werden. Der Film, der zum erschütternden Tod des Regisseurs Theo Van Gogh führte, ist durchdrungen von negativen Bildern einer passiven, geschlagenen, unterdrückten und betrogenen, aber noch zynisch-betenden Frau. Allahs Worte im Koran sind ihr in die Haut tätowiert, sie liegt blutig von Peitschenhieben zerschlagen da und erklärt, wie der Koran und der Islam dies rechtfertigen würden und spielt zynisch auf Al-Rahman Al-Rahim (des Barmherzigen und Gnädiger) an. Dies geschieht alles in dem Kontext, dass sie völlig entblöst in einem durchsichtigen schwarzen Kleid das islamische Gebet vorführt. Ayaan Hirsi Ali verfolgt mit ihrem Pseudoengagement, wodrunter der Film fällt, für die unterdrückten Frau der muslimischen Welt das Ziel, die Frau vor dieser Todesreligion und dieser Gewaltinszenierung des Islam zu retten, wobei sie sich aber nur selbst auf den Fernsehbühnen der Welt inszenieren will.

Ihre politische Karriere in den Niederlanden war auch nur auf ein Ziel ausgerichtet: die Verbannung und Zerstörung der „grünen Pest“ im Lande für die Rettung der unterdrückten Frau. Wie sie sich im Film, vor der Bühne, im Parlament, in den Talk-Shows inszeniert, so schreibt sie auch und so inszeniert sie sich auch in ihren Büchern. Und wenn ihre Lügen auffliegen, lächelt sie einfach und gibt es zu, gelogen zu haben. Aber sie setzt ihre Narrative im Namen der Idealität fort: die Idealität in ihrem Leben ist der Krieg gegen den Islam als Todeskult, als Religion der Gewalt. Aber im Unterschied zu Wilders, interpretiert sie nicht die Gewalt in einen Islam hinein, der eigentlich friedlich ist, sondern sie zeichnet ihre Szenen selbst.

Sie führt die Frau tätowiert und entblößt, mit den Peitschenhieben in die Haut gezeichnet vor in einer irrealen Umgebung, die aber Menschen emotional anspricht, wenn sie nichts vom Islam wissen. Sie assoziiert nicht nur wie Pamela Geller oder Geert Wilders, sondern sie erzeugt Gleichungen und paradigmatische Übereinstimmungen, so z.B. die Gleichung „Mord an Van Gogh = islamische, rituelle Schlachtung“. In ihrem letzten Buch mit dem Titel „Heretic: Why Islam Needs a Reformation Now“, das in diesem Jahr erschien und auch schon in deutscher Sprache verfügbar ist, sagt der Titel schon alles über ihr Paradigma, da die Dialektik der Islamophobie überschreitet. Es geht ihr nicht mehr darum, den Islam einer Alternative gegenüberzustellen, sondern ihn nur noch mit Häresie gleichzustellen.

In diesem Sinne ist die Dialektik zwischen Islam und islamischer Folklore zum Beispiel im Sinne vieler Islamwissenschaftler völlig überholt, denn Ayaan Hirsi Ali geht einen Schritt weiter: in ihrem Weltbild gibt es keine Reform des Islam, sondern nur seine Zerstörung zwecks Überwindung der Dialektik zwischen dem Islam und dem Anderen. Viele Kritiker halten die somalische Autorin und „Menschenrechtlerin“ , eine „selbsthassende“ Islamfeindin. Dem stimme ich aber nicht zu, da ich sie eher als eine narzisstische „selbstinszenierte“ Islamfeindin bezeichnen würde, die die Reform des Islam mit seiner Zerstörung gleichstellt.

Denn wahre Argumente hat Ayaan Hirsi Ali nicht, denn sobald man den Unterschied zwischen Islam und muslimischer, pseudoislamischer Tradition erklärt, fällt ihr Kartenhaus in sich zusammen. Es überlebt die Dialektik zwischen dem wahren Islam und dem Missbrauch des Islam durch die Muslime und durch die Islamhasser, die sich beide gegen den Islam richten, keineswegs. Den Reformismus, den sie uns im Buch vorspielt, ist absolut unglaubwürdig: es sollten nämlich die aufgeklärten Muslime gegen die Fundamentalisten siegen. Warum ist sie dann selbst eine Apostatin und schließt sich nicht selbst dieser tollen und frauenfreundlichen muslimischen Reformbewegung an? Die Antwort findet sich für mich in ihrer Unfähigkeit zur Dialektik und in ihrer Besessenheit vom islamophoben Kampf, der für sie aus einem reinen Angriffsmanöver, ohne den Konflikt mit dem Anderen auszuleben, besteht.

Leserkommentare

Margot sagt:
Traditionen, die von Muslimen gepflegt werden, können nicht einfach ignoriert und schöngeredet werden. Wenn Menschen unter diesen Traditionen leiden müssen und diese Menschen auch davon ausgehen, dass dies muslimisch sei, nützt es den Opfern wenig, wenn man ihnen dialektisch erklärt, dass diese Ungerechtigkeiten und Greuel aber mit dem Islam gar nichts zu tun haben, auch wenn sie im Namen des und unter Berufung auf den Islam begangen werden. Offenbar läßt sich der Islam für Unterdrückung und Missachtung von Menschenrechten nun einmal sehr gut missbrauchen. Da kann man nicht so tun, als habe der Missbrauch einer Religion nichts mit der Religion zu tun. Den Opfern hilft das nämlich kein bisschen.
19.05.15
11:40
Omar sagt:
Liebe Margot, die Religion kann grundsätzlich nichts dafür, dass manche Menschen sie falsch auslegen oder falsch verstehen. Sowohl der Islam kann sich vor einer falschen Rekonstruktion durch Laien schützen, wie auch andere Religionen, wie auch das Christentum. Denn auch christliche Fundamentalisten, wie Andreas Breivik einer war, haben das Christentum für ihre Zwecke instrumentalisiert. Und dafür kann auch das Christentum nichts, denn sie bleibt auch durch eine falsche Rekonstruktion eine Religion der Barmherzigkeit. Die Religion ist nun mal für jedermann zugänglich und leider auch für diejenigen, die sie für ihre individuellen Absichten darlegen möchten. Viele Sitten und Gebräuche gab es bereits lange vor dem Islam und haben leider bis heute noch Bestand. Dazu gehören leider auch Dinge wie Zwangsehe und Beschneidung der Frauen. Die islamischen Staaten müssen diese Sitten und Gebräuche sanktionieren, auch wenn sie in der Gesellschaft tief verwurzelt sind.
26.05.15
18:11
Tobi sagt:
Man kann die Religion schlecht von den Menschen trennen, die sie praktizieren. Ebensowenig kann man diejenigen, die Gewalt im Namen dieser Religion ausüben, vor allem, wenn sie nicht wenige sind, einfach wegdenken oder von der Religion loslösen. Sie sind auch Teil der Religion. Die Frage ist doch am Ende, wer innerhalb der Religion die Oberhand hat. Den Ermordeten, und das sind nicht gerade wenige, zumindest deutlich mehr als durch solche Rechtsextremen, wie Breivik, hilft es auch nichts, dass der Islam angeblich friedfertig ist. Eine Religion, die zwar in ihrer Theorie friedfertig und vollkommen ist, deren Anhänger jedoch im Namen dieser Religion morden und unterdrücken, bringt die Menscheint keinen Schritt näher zum Besseren. Der ständige Verweis auf (vor allem frühere) Gewalttaten und Verbrechen anderer Religionen, vor allem des Christentums, hilft auch nicht wirklich, lenkt er doch nur vom Problem ab und erstickt jegliche Auseinandersetzung mit der Gewalt der Gegenwart. Die Glaubwürdigkeit der Muslime und des Islam fördert das letzlich auch nicht.
01.06.15
10:55
Ulli sagt:
Ich habe das oben behandelte Buch gelesen und verstehe ein wenig die Kritik der Rezensentin. Allerdings ist schon wieder auffällig, dass ein Kernargument, das die Glaubwürdigkeit von Frau Ali(?) erschüttern soll, deren persönliche Erfahrungen sind. Für mich als Einsteiger in das Thema Islam wäre es wesentlich hilfreicher und auch glaubhafter gewesen, Sie Frau Rampoldi, hätten sich mit dem Inhalt des Buches auseinandergesetzt. Die Beweggründe für die Entstehung eines Buches zu diesem Thema sind mir sehr egal. Wenn die Argumente einer "Islamfeindin" nicht zu widerlegen sind, hat der Islam eben schlechte Karten. Ansonsten möchte ich Margot und Tobi unterstützen: Es lieht in der Natur von Massenreligionen, dass diese durch die gelebte Religiosität geprägt und wahrnehmbar gemacht werden. Und da gibt mir die Ausbreitung von an der Scharia orientierten Verfassungen aktuell eben zu denken. Seit ich vor Kurzem von der Islamischen Erklärung der Menschenrechte (ca.1990 in Kairo) gelesen habe, die sich zunächst in vielen Passagen an der bekannten Erklärung orientiert, dann aber immer wieder den Vorbehalt der Koranverträglichkeit formuliert. Der Islam ist (leider) für die allermeisten Moslems nicht das, was er für Islamwissenschaftler ist. Und, wenn ich ein wenig verstanden habe, dann gilt der Koran als wortwörtliche Offenbarung und jeder Versuch, sich dem mit westlich-analytischen Methoden zu nähern dürfte bei muslimischen Gelehrten der islamischen Ursprungsländer mindestens Hautausschlag auslösen. Diese Menschen sind es nämlich, die im Zweifel eine Fatwa erstellen, die dann Menschen wie Salman Rushdi betreffen. Auch ein missbrauch des Islam?
21.10.16
16:57