Kaiserslautern

Mutmaßlicher Angriff auf eine Muslima

Eine junge Muslima wurde vermutlich Opfer einer islamfeindlichen Straftat – auf offener Straße. Der Fall soll jedoch aufgrund fehlender Hinweise in die Akten verlegt werden. Das mutmaßliche Opfer wird von muslimischer Seite unterstützt.

23
04
2015

Eine 21-Jährige muslimische Maschinenbaustudentin wurde im Februar dieses Jahres in Kaiserslautern, vermutlich aus islamfeindlichen Motiven, angegriffen. Laut Diagnose soll sie durch erhebliche Gewalteinwirkung auf den Kopf einen Gedächtnisverlust erlitten haben. Die Studentin könne sich deshalb nur lückenhaft an den Tathergang erinnern. Als sie wieder zu Bewusstsein kam, sei ihr Kopftuch heruntergerissen, ihre Kleidung mit Alkohol überschüttet und ihr Handy beschädigt worden. Danach ist sie der Schilderung des Rates der muslimischen Studierenden und Akademiker (RAMSA) zufolge sichtlich benommen und orientierungslos in eine Fahrschule gegangen.

Polizeiliche Versäumnisse?

Wie MiGAZIN berichtete, soll die Polizei diesen Vorfall nicht hinsichtlich einer rassistisch motivierten Gewaltkriminalität überprüft haben. Der Rechtsanwalt des mutmaßlichen Opfers Yalçın Tekinoğlu berichtet: “Von Anfang an wurde eine politisch motivierte Tat seitens der Polizei ausgeschlossen, auch nach Drängen der örtlichen Moscheegemeinden wurden die Ermittlungen dahingehend nicht ausgeweitet.” Erst nach drei Wochen seien das Handy und die Jacke des Opfers von der Polizei gesichert worden. Auch dass die Polizei keinen öffentlichen Zeugenaufruf getätigt hat, stimmt den Rechtsanwalt skeptisch.

Laut Tekinoğlu bearbeitet die Polizei den Fall misstrauisch. Sie gehe davon aus, dass die Studentin auf einer Party getrunken und deshalb umgefallen sei. Auch Vermutungen, dass sie einen heimlichen Liebhaber hätte, trotz fester Liierung, seien aufgestellt worden. “Alle Szenarien wurden durchgespielt, nur nicht, dass Islamfeinde diese Tat begangen haben könnten”, so Tekinoğlu.

Was geschah vorher?

Entgegen der Annahme der Polizei, dass das Mädchen vor der Tat auf einer Party war, berichtet der Anwalt, dass sie sich an dem Tag mit einer Freundin treffen wollte, um Werbeplakate für eine Veranstaltung von einer Druckerei abzuholen und aufzuhängen. Die beiden Studentinnen seien bei der Muslimischen Studierenden Gemeinde (MSG) aktiv und wollten für ihre eigens organisierte Aktion “Speisen für Waisen” werben. Die Plakate seien jedoch plötzlich verschwunden, so Ahmed Abdulwahid vom RAMSA, bei denen die MSG unterorganisiert ist. Die Polizei ginge davon aus, dass es keinen Druckauftrag gab, doch die Mitglieder der MSG seien im Besitz eines Belegs. “Das plötzliche Verschwinden der Plakate und dass sich die zwei Freundinnen infolge davon getrennt haben und die Studentin auf dem Nachhauseweg so angegriffen wurde, dass ihr Kopftuch heruntergerissen und sie mit Alkohol überschüttet wurde, sind Indizien für eine rassistisch motivierte Tat” so Abdulwahid.

Auch die Federation against Injustice and Racism e.V. (FAIR) begleiten den Fall und unterstützen die Betroffene. “Es ist erschreckend, dass die Behörden islamfeindliche Motive trotz der Umstände und der wiederholten Hinweise der Betroffenen von vornherein ausschließen”, so Fair-Sprecher Taner Aksoy.

Die Folgen des Vorfalls

Auch wenn die Unterstützung der jungen Frau viel Mut geben würde, sei sie nach der Tat stark traumatisiert und immer noch in therapeutischer Behandlung, fügt Tekinoğlu hinzu. Neben einer Verletzung am Auge hätte sie eine Belastungsstörung mitgetragen und würde nach wie vor nicht ohne Begleitperson aus dem Haus gehen können. Vor allem die skeptische Haltung und die Versäumnisse der Polizei bezüglich der Beweissicherung, hätten sie bestürzt. Auch dass sie vor ihrer Vernehmung “belehrt” wurde, sje könne sich strafbar machen wenn sie eine Straftat vortäuscht, hätte ihr stark zugesetzt, so ihr Rechtsanwalt. Auch Aksoy von Fair findet diese Entwicklung unrechtmäßig: “Besorgniserregend ist auch, dass der Betroffenen sogar nicht geglaubt wird und sich die Ermittlungen, so scheint es, gegen sie richten.”

Da momentan kein Verdächtiger vorliegt, wird der Fall höchstwahrscheinlich eingestellt. Doch Tekinoğlu versichert, dass er in diesem Fall, eine Beschwerde bei Generalstaatsanwaltschaft einreichen und die Staatsanwaltschaft wegen Strafvereitelung anzeigen wird.

Leserkommentare

Selin sagt:
Es ist ungeheuerlich, dass die Polizei die Aussagen des Opfers ignoriert hat. Gute Polizeiarbeit stelle ich mir anders vor. Es mag sein, dass es auch sinnvoll ist, in Betracht zu ziehen, dass das Opfer betrunken war und gestolpert ist. Es ist aber auch wichtig, den Aussagen des Opfers zumindest nachzugehen und zu prüfen. Es könnte immerhin auch die Wahrheit sein.
24.04.15
14:02