Weihnachtsmärkte

Gezielte Falschmeldungen befeuern Ressentiments gegen Muslime

Viral verbreitete Videos über Weihnachtsmärkte entpuppen sich oft als Falschmeldungen – und schüren gezielt Ängste vor Muslimen.

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Dresden Weihnachten © by Georg Wittberger auf Flickr (CC BY 2.0), bearbeitet iQ.

Seit Wochen verbreiten sich in sozialen Netzwerken Videos und Beiträge, die angebliche Übergriffe oder Provokationen auf deutschen Weihnachtsmärkten zeigen sollen. Viele dieser Inhalte erreichen hunderttausende, teils Millionen Nutzerinnen und Nutzer. Recherchen zeigen jedoch: In zahlreichen Fällen handelt es sich um Falschmeldungen oder bewusst aus dem Zusammenhang gerissene Aufnahmen, die gezielt Ängste vor Muslimen schüren.

Im Mittelpunkt der Desinformation stehen immer wieder Videos, in denen Menschen mit syrischen Flaggen zu sehen sind. Dazu werden Behauptungen verbreitet, Muslime hätten Weihnachtsmärkte „übernommen“, „gestürmt“ oder religiöse Parolen gerufen. Besonders häufig kursierten solche Inhalte zuletzt aus Städten wie Berlin, Mainz oder Essen. Die Darstellungen suggerieren einen respektlosen Umgang mit christlichen Traditionen und heizen die ohnehin aufgeheizte Debatte über Migration und Sicherheit weiter an.

Desinformation durch KI-Videos

Tatsächlich zeigen die Aufnahmen jedoch etwas anderes. In mehreren Fällen handelte es sich um angemeldete, friedliche Demonstrationen anlässlich des Jahrestages des Sturzes des Assad-Regimes in Syrien. Diese fanden nicht auf Weihnachtsmärkten statt, sondern in deren Nähe oder in angrenzenden Innenstadtbereichen. Polizeibehörden bestätigten, dass es weder zu Störungen der Weihnachtsmärkte noch zu religiösen Provokationen kam.

Auch ältere Videos werden erneut verbreitet und falsch eingeordnet. So kursiert seit Mitte November ein Clip aus Essen, der angeblich muslimische Rufe auf einem Weihnachtsmarkt zeigen soll. Das Video stammt jedoch aus dem Dezember 2024 und dokumentiert eine Demonstration, bei der Sprechchöre zur Einheit der syrischen Bevölkerung zu hören sind. Ähnliche Muster finden sich bei Aufnahmen aus Hamburg oder Stuttgart, bei denen weder ein Weihnachtsmarkt noch ein entsprechender Anlass erkennbar ist.

Kommunikationswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sehen darin eine gezielte Strategie. Tief verankerte Stereotype würden mit emotionalen Themen wie Weihnachten verknüpft, um bestimmte Narrative zu verstärken. Durch die stetige Wiederholung ähnlicher Inhalte sinke bei vielen Nutzerinnen und Nutzern die Bereitschaft, Informationen kritisch zu hinterfragen.

Sicherheitsdebatten werden für Desinformation genutzt

Auch Sicherheitsdebatten werden für Desinformation genutzt. So verbreitete sich das Gerücht, Weihnachtsmärkte würden massenhaft abgesagt, weil die Kosten für den Schutz vor Anschlägen zu hoch seien. Recherchen zeigen jedoch, dass bundesweit nur sehr wenige Veranstaltungen tatsächlich aus diesem Grund gestrichen wurden. Bilder stark bewachter Märkte, die im Netz kursieren, sind teilweise aus dem Zusammenhang gerissen oder sogar KI-generiert.

Expertinnen warnen vor den Folgen dieser Entwicklung. Die Falschmeldungen zeichnen ein bedrohliches Bild von Muslimen und verstärken gesellschaftliche Spaltung – oft unabhängig davon, ob die gezeigten Personen überhaupt muslimisch sind. Gerade in der Vorweihnachtszeit, so die Einschätzung, werde Desinformation gezielt genutzt, um Ängste zu emotionalisieren und politische Stimmung zu machen.