Auswertung

Israels Sicht dominiert – so berichten Leitmedien zum Genozid in Gaza

Eine Auswertung von fast 5.000 Schlagzeilen zeigt: Deutsche Leitmedien stützen sich in ihrer Berichterstattung zum Genozid in Gaza überwiegend auf Angaben aus Israel – mit gravierenden Folgen für die Vielfalt der Perspektiven.

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08
2025
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Symbolbild: Wie berichten Leitmedien über Gaza © shutterstock, bearbeitet by iQ
Symbolbild: Wie berichten Leitmedien über Gaza © shutterstock, bearbeitet by iQ

Deutsche Leitmedien berichten über den Krieg im Nahen Osten vor allem aus der Perspektive Israels. Das zeigt eine Untersuchung des Journalisten Fabian Goldmann, der 4.853 Schlagzeilen ausgewertet hat, die zwischen dem 7. Oktober 2023 und dem 19. Januar 2025 in Tagesschau, Bild, Zeit und Spiegel erschienen sind. Das Ergebnis ist eindeutig: Fast jede zweite Schlagzeile stützte sich auf israelische Regierungs- oder Militärangaben (43,3 Prozent). Palästinensische Quellen tauchten dagegen nur in fünf Prozent der Überschriften auf. Erschienen ist die Auswertung im Jacobin-Magazin.

Besonders deutlich wird die Schieflage im Vergleich: Auf eine palästinensische Quelle kommen bei Spiegel und Zeitsieben israelische, bei der Tagesschau acht – und bei der Bild sogar 18. Während Israels Armee und Regierung schon in den ersten Tagen nach dem Hamas-Angriff regelmäßig Schlagzeilen lieferten, erreichten palästinensische Quellen im gesamten ersten halben Jahr nicht dieselbe Präsenz.

Ähnlich gering ist die Rolle anderer Akteure der Region. Libanesische, iranische oder syrische Quellen zusammen schafften es in 293 Schlagzeilen – kaum mehr, als Israel allein in den ersten drei Wochen. Dagegen fanden US-amerikanische Quellen fast doppelt so oft Eingang in die Berichterstattung wie sämtliche arabischen und muslimischen Staaten zusammen.

Auffällig ist auch die starke Bevorzugung staatlicher Stellen. Über 70 Prozent der Schlagzeilen gingen auf Regierungen, Militärs oder Geheimdienste zurück – NGOs, internationale Organisationen oder medizinische Einrichtungen in Gaza kamen dagegen nur am Rande vor. So fanden die Vereinten Nationen mit all ihren Unterorganisationen wie WHO oder UNICEF in gerade einmal acht Prozent der Überschriften statt. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder Ärzte ohne Grenzen spielten mit 1,1 Prozent eine statistische Nebenrolle.

Redaktionen verweigerten Stellungnahme

Palästinensische Stimmen erhielten zudem nur dann Aufmerksamkeit, wenn sie sich nicht direkt gegen Israel richteten – etwa bei innerpalästinensischen Konflikten oder Bekennnissen zu Anschlägen. Angaben über zivile Opfer durch israelische Angriffe schafften es dagegen nur selten in die Schlagzeilen.

Die Redaktionen selbst reagierten auf Nachfragen zurückhaltend. Bild und Tagesschau verweigerten eine Stellungnahme, Spiegel und Zeit betonten die Schwierigkeit unabhängiger Verifikation angesichts geschlossener Grenzen. Doch die Untersuchung zeigt: Nicht nur die Bedingungen vor Ort, auch redaktionelle Entscheidungen prägen das Bild. Israels Regierung und Armee bleiben die dominanten Stimmen – während unabhängige und palästinensische Perspektiven weitgehend überhört werden.