Islamische Organisationen aus ganz Europa haben in Brüssel eine gemeinsame Erklärung zum Genozid in Gaza vorgetragen. Sie richten scharfe Kritik an die internationale Gemeinschaft. Ihre Forderungen sind klar – und zahlreich.
In einer gemeinsamen Erklärung haben am Mittwoch führende islamische Organisationen aus Europa ein sofortiges Ende der Gewalt im Gazastreifen gefordert. Unter dem Titel „Gaza-Deklaration“ präsentierten Vertreter von islamischen Religionsgemeinschaften aus Deutschland, Frankreich, Österreich, Belgien, Norwegen, den Niederlanden, Dänemark und Italien ihre Position bei einer Pressekonferenz in Brüssel.
Burhan Kesici, Vorsitzender des Islamrats in Deutschland, verlas die deutsche Fassung der Erklärung in Namen des Koordinationsrat der Muslime, die ein „Ende des Völkermordes“ und einen „sofortigen Waffenstillstand“ fordert. Die islamischen Gemeinschaften in Europa vertreten nach eigenen Angaben mehr als 15.000 Moscheen und islamischen Institutionen und erreichen damit Millionen Gläubige. Sie übernähmen Verantwortung „für Gerechtigkeit, für das Leben, für das Völkerrecht und für das menschliche Miteinander“.
Die Erklärung prangert an, dass über 58.000 Menschen im Gazastreifen durch israelische Angriffe getötet worden seien. „Unter den Opfern sind zahlreiche Kinder. Familien wurden ausgelöscht, ganze Landstriche zerstört“, heißt es. Der Zugang zu Wasser und Nahrung sei lebensgefährlich, „Hunger wird gezielt als Kriegswaffe eingesetzt“.
Deutlich äußerten sich die Organisationen zur Rolle der internationalen Gemeinschaft. Die Reaktionen europäischer Regierungen seien „weitgehend symbolisch“, während die Eskalation weiter voranschreite. „Das wirft Fragen auf: Wie lässt sich das Bekenntnis zu den Menschenrechten mit dieser Zurückhaltung vereinbaren?“, heißt es in dem Text. Besonders kritisiert wird die Schwächung etablierter Hilfsstrukturen, wie etwa der UNRWA, durch „Ersatzorganisationen“, die faktisch Vertreibung begünstigten.
Die Unterzeichnenden betonten, man habe stets „das Töten unschuldiger Menschen verurteilt – egal ob von Israel, der Hamas oder anderen Gruppen“. Frieden sei nur auf Basis von Gerechtigkeit möglich. „Wer Gerechtigkeit fordert, muss sich an das Völkerrecht halten – auch dann, wenn es um enge Partner geht.“
Konkret fordern die islamischen Organisationen:
– einen sofortigen Waffenstillstand und ein Ende des Völkermordes,
– die Freilassung aller Geiseln und zu Unrecht verhafteter Personen,
– freien und ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe,
– keine Waffenlieferungen, wenn diese für Kriegsverbrechen oder völkerrechtswidrige Einsätze genutzt werden,
– die unabhängige Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs ohne politischen Druck,
– Zugang für internationale Journalisten und Schutz für ihre Berichterstattung,
– die Anerkennung eines freien und souveränen palästinensischen Staates auf der Basis der Zweistaatenlösung.
Trotz der scharfen Kritik bekennen sich die Verbände zum interreligiösen Dialog in Europa. Man werde nicht zulassen, „dass Extremisten – woher sie auch kommen – einen Keil zwischen unsere Gemeinschaften treiben“.
Die Erklärung endet mit einem Appell an die palästinensische Zivilbevölkerung: „Ihr Leid und Ihre Hoffnung auf eine friedliche, gerechte und selbstbestimmte Zukunft dürfen nicht vergessen werden.“
Unterzeichnet wurde die Gaza-Deklaration von den maßgeblichen islamischen Spitzenorganisationen Europas, darunter der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland (KRM), der Französische Rat für den Islam (CFCM), die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), das Exekutivorgan der Muslime in Belgien (EMB), der Islamrat Norwegens (IRN), das Kontaktorgan der Muslime und der Regierung in den Niederlanden (CMO),die Dänisch-Muslimische Union (DMU) sowie die Union Islamischer Gemeinschaften und Organisationen Italiens (UCOII).