









Der Streit ums Kopftuch im Staatsdienst dauert an. Aktuell gibt es keine einzige Polizistin mit Kopftuch. Dennoch arbeiten mehrere Bundesländer an neuen Verboten, statt mehr Teilhabe zu ermöglichen. Eine Recherche.
In Berlin wird erneut über das Neutralitätsgesetz gestritten. Ein Antrag der Grünen-Fraktion fordert dessen Abschaffung – mit weitreichenden Folgen für den öffentlichen Dienst. Im Zentrum der Debatte steht das Kopftuch. Die Grünen kritisieren das Gesetz als „faktisches Berufsverbot“ für muslimische Frauen, die in Polizei, Justiz oder an Schulen arbeiten möchten. Der Staat, so argumentieren sie, dürfe religiöse Bekundungen nicht pauschal verbieten, sondern müsse individuelle Grundrechte wahren – insbesondere das Recht auf Religionsfreiheit.
Seit Jahren bewegt sich die Diskussion zwischen rechtlicher Grundsatzfrage und gesellschaftspolitischem Richtungsstreit. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 2015 klargestellt: Ein pauschales Kopftuchverbot im Staatsdienst ist verfassungswidrig, solange keine konkrete Gefährdung etwa des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität vorliegt. Dennoch halten einige Länder – allen voran Berlin – an restriktiven Regelungen fest. Erst allmählich setzt sich die Linie des höchsten Gerichts durch, und doch bleibt offen, wie sich diese in der Praxis durchsetzen lässt.
Wie steht es in anderen Bundesländern um die religiöse Sichtbarkeit im Staatsdienst – konkret in der Polizei? Eine IslamiQ-Recherche unter den Innenministerien der Länder zeigt: Die Haltung ist uneinheitlich. In einigen Ländern ist das Kopftuch im Polizeidienst grundsätzlich ausgeschlossen, in anderen gibt es Raum für Einzelfallentscheidungen oder laufende Gesetzesinitiativen.
In Nordrhein-Westfalen ist es grundsätzlich möglich, dass Musliminnen mit Kopftuch im Polizeidienst tätig sind, allerdings nicht als Polizeivollzugsbeamtinnen. Das Innenministerium verweist auf die Dienstkleidungsordnung und Sicherheitsbedenken: Das Kopftuch könne das Sichtfeld einschränken oder in körperlichen Auseinandersetzungen ein Risiko darstellen. Zudem bestehe eine Pflicht zur religiösen und weltanschaulichen Neutralität nach § 33 Beamtenstatusgesetz.
Eine Änderung dieser Regelungen im Sinne einer diskriminierungsfreien Teilhabe sei derzeit nicht geplant. Bewerbungen von Musliminnen mit Kopftuch werden nicht aufgrund des Kopftuchs abgelehnt, und es sind keine Verfahren oder Streitfälle hierzu bekannt. Das Innenministerium habe keine Zahlen darüber, wie viele Polizistinnen im aktiven Dienst ein Kopftuch tragen oder es vor Dienstantritt ablegen.
In Bremen gibt es bislang keine gesetzliche Regelung, die das Tragen religiös konnotierter Kleidung wie des Kopftuchs im Polizeidienst verbietet. „Musliminnen können derzeit auch während des Dienstes ein Kopftuch tragen“, teilt das Innenressort mit. Bremen habe bislang keinen Gebrauch von der Möglichkeit gemacht, das äußere Erscheinungsbild der Polizei per Verordnung zu regeln.
Eine solche Regelung sei allerdings in Vorbereitung: „Es ist jedoch eine Rechtsverordnung in der Vorbereitung, die regeln wird, dass religiös konnotierte Erscheinungsmerkmale im Polizeidienst – ähnlich wie in anderen hoheitlichen Bereichen – nicht gestattet sind.“ Sollte diese Verordnung in Kraft treten, würde betroffenen Beamtinnen „bei Bedarf […] vor Dienstantritt“ mitgeteilt, dass sie auf das Kopftuch verzichten müssten.
Praktische Einschränkungen gibt es zudem aus Sicherheitsgründen: Beim Tragen eines Helmes, einer Schutzmaske oder anderer Ausrüstung müsse die religiöse Kopfbedeckung abgelegt werden. Bei bestimmten zeremoniellen Anlässen wie am am Tag der Vereidigung oder Zeugnisfeier sei das Tragen eines Kopftuchs allerdings erlaubt.
Murat Çelik, Vorsitzender der Schura Bremen, betont auf Anfrage von IslamiQ, dass ein pauschales Kopftuchverbot im Polizeidienst einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte darstelle und ein „falsches Signal“ in der Gesellschaft setzen würde. „Aus unserer Sicht steht das Tragen von Turban, Kippa oder Kopftuch im Polizeidienst weder der Einsatzfähigkeit der Polizei noch dem staatlichen Neutralitätsgebot entgegen“, so Çelik weiter. Deshalb hält er eine Beteiligung anerkannter Religionsgemeinschaften am Regelungsprozess sowie die Möglichkeit zur Stellungnahme für unerlässlich.
In Schleswig-Holstein gibt es kein generelles Verbot, das das Tragen religiöser Symbole wie des Kopftuchs im Polizeidienst untersagt. Dennoch gelten gesetzliche Einschränkungen, die in bestimmten Fällen greifen können. So heißt es im Innenministerium: „Diese Regelungen enthalten kein grundsätzliches Pauschalverbot für religiöse oder weltanschauliche Symbole, sondern lassen Einzelfallentscheidungen zu.“
Laut dem Landesbeamtengesetz können religiöse Merkmale untersagt werden, wenn sie bei Amtshandlungen sichtbar sind und das Vertrauen in die neutrale Amtsführung beeinträchtigen könnten. In der Gesetzesbegründung wird der Polizeivollzugsdienst ausdrücklich als Beispiel genannt, „in dem das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die neutrale Amtsführung ein besonderes Gewicht zugemessen werden muss.“
Neben der weltanschaulichen Neutralität verweist das Land auch auf einsatztaktische Gründe: Dienstkleidung müsse „den internen Dienstvorschriften […] entsprechen“ und die Verwendung von Schutzhelmen oder Masken ermöglichen. Fälle, in denen kopftuchtragende Musliminnen vom Polizeidienst ausgeschlossen wurden, sind laut Ministerium nicht bekannt: „Hier sind keine Fälle bekannt, dass Bewerbungen von Musliminnen mit Kopftuch […] abgelehnt wurden.“
In Bayern ist das Tragen eines Kopftuchs im Polizeivollzugsdienst nicht zulässig. Die Bayerische Polizei betont, dass das äußere Erscheinungsbild der Beamtinnen und Beamten maßgeblich zur Wahrung der staatlichen Neutralität beiträgt. „Das Tragen eines Kopftuchs ist objektiv geeignet, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung […] zu beeinträchtigen, da dies Zweifel an der Unabhängigkeit, Neutralität oder ausschließlichen Bindung an Recht und Gesetz hervorrufen könnte.“
Das Innenministerium stellt des Weiteren klar: „Gegenwärtig gibt es keine Überlegungen, die diesbezüglichen Regelungen zu überarbeiten.“ Bisher habe es laut Aussage keine formellen Ablehnungsverfahren gegen kopftuchtragende Bewerberinnen und keine Gerichtsverfahren zu diesem Thema gegeben. Zum allgemeinen Zugang zum Polizeidienst heißt es: „Die Einstellung bei der Bayerischen Polizei erfolgt allein nach Eignung, Leistung und Befähigung. Die religiöse Zugehörigkeit ist […] irrelevant.“
In Brandenburg, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern ist das Tragen eines Kopftuchs im Polizeidienst ausgeschlossen. Alle drei Länder betonen, dass die Dienstkleidung der Polizei einheitlich sein muss, um die Neutralität des Staates zu wahren. In Brandenburg regelt die Polizei-Dienstkleidungsvorschrift, dass das Kopftuch nicht zur dienstlichen Bekleidung gehört. Eine Änderung der Vorschriften in Richtung einer Zulassung religiöser Symbole ist nicht geplant, und es gibt keine bekannten Fälle von Ablehnungen oder gerichtlichen Auseinandersetzungen zu diesem Thema.
Ähnlich verhält es sich in Sachsen, wo das Tragen eines Kopftuchs im Polizeidienst aufgrund der Verwaltungsvorschrift „Erscheinungsbild Polizei Sachsen“ und des Sächsischen Beamtengesetzes abgelehnt wird. Das Land sieht keine Notwendigkeit für eine Änderung der Regelungen und verweist darauf, dass die religiöse Zugehörigkeit von Bewerberinnen im Auswahlverfahren irrelevant ist.
Auch in Mecklenburg-Vorpommern gilt ein striktes Verbot von religiösen Symbolen im Polizeidienst. Die Neutralitätspflicht, die mit der Repräsentation des Staates verbunden ist, wird hier als zentraler Grund angeführt. In keinem dieser drei Bundesländer sind bisher Ablehnungen von Bewerbungen muslimischer Frauen mit Kopftuch oder gerichtliche Verfahren in diesem Zusammenhang bekannt. Zugleich betont das Land, dass religiöse Zugehörigkeit bei der Einstellung in den Polizeivollzugsdienst keine Rolle spielt, solange die Anforderungen an das äußere Erscheinungsbild gewahrt bleiben.
In Sachsen-Anhalt ist das Tragen eines Kopftuchs im Polizeivollzugsdienst nicht zulässig. Die Uniform sei in der Dienstkleidungsvorschrift abschließend definiert. Private oder religiös motivierte Kleidungsstücke seien nicht erlaubt, da sie Einheitlichkeit, Sicherheit und Neutralität gefährden könnten. Gleichzeitig betont das Land, dass der Zugang zum öffentlichen Dienst unabhängig von religiöser Zugehörigkeitgemäß gewährleistet sei. Die Auswahl erfolgt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung – ohne Rücksicht auf Religion oder Weltanschauung.
Auch in Hamburg sei es momentan nicht möglich, während der Dienstausübung eine religiöse Kopfbedeckung zu tragen. „Konkrete Überlegungen, dieses zu ändern, gibt es aktuell nicht“, so eine Sprecherin gegenüber IslamiQ.
In Niedersachsen ist es grundsätzlich nicht möglich, dass Polizeibeamtinnen im Schutz- oder Wasserschutzdienst ein Kopftuch im Dienst tragen. Dies ergibt sich aus einer Vielzahl von Erlassen und Bekleidungsvorschriften, die ein einheitliches äußeres Erscheinungsbild fordern. Die Kombination von Dienstkleidung mit sichtbaren privaten Kleidungsstücken, einschließlich religiöser Symbole, ist nicht zulässig. Eine Änderung dieser Regelungen ist nicht geplant.
In den letzten Jahren gab es zwei bekannte Fälle von Musliminnen mit Kopftuch, die sich bei der Polizei Niedersachsen beworben haben. Einer wurde zurückgezogen, der andere scheiterte am Computertest. Gerichtliche Verfahren oder Ablehnungen allein aufgrund des Kopftuchs sind nicht bekannt. Der Zugang zum öffentlichen Dienst ist laut Niedersachsen verfassungsrechtlich diskriminierungsfrei geregelt. Das Tragen eines religiösen Symbols wird nicht erfragt. Sollte dies im Bewerbungsprozess offenkundig werden, erfolgt jedoch ein Hinweis auf die Kleiderordnung.
Auch Baden-Württemberg gehört zu den Bundesländern, in denen Polizeibeamtinnen religiöse Symbole wie das Kopftuch sichtbar im Dienst tragen dürfen. Grundlage ist das Neutralitätsgebot im Beamtenstatusgesetz, das ein neutrales äußeres Erscheinungsbild im Polizeivollzugsdienst vorschreibt. Eine Änderung dieser Regelung ist derzeit nicht vorgesehen.
In den vergangenen Jahren gab es keine Bewerbungen von Musliminnen mit Kopftuch bei der Polizei Baden-Württemberg. Auch verwaltungs- oder gerichtsrechtliche Verfahren zu diesem Thema sind nicht bekannt.
Der Zugang zum Polizeivollzugsdienst erfolgt nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung – unabhängig von Religion oder Weltanschauung. Das Kopftuch wird im Bewerbungsverfahren nicht thematisiert, entsprechende statistische Erhebungen über Kopftuchträgerinnen im Dienst oder über Frauen, die es vor Dienstantritt ablegen, existieren nicht.
In Rheinland-Pfalz gibt es kein generelles Verbot, das Kopftuch im Polizeidienst zu tragen. Grundsätzlich wird ein einheitliches Erscheinungsbild bei uniformierten Polizeikräften angestrebt, das die staatliche Neutralität sichtbar unterstreichen soll. Dazu zählt auch das Tragen einer einheitlichen Kopfbedeckung im Außendienst, insbesondere aus Sicherheitsgründen – etwa zur Vermeidung von Angriffsmöglichkeiten durch das Gegenüber.
Gleichwohl ist eine individuelle Einzelfallprüfung vorgesehen: Das Tragen eines religiös motivierten Kleidungsstücks wie eines Kopftuchs kann nicht pauschal untersagt, sondern nur dann eingeschränkt werden, wenn Neutralität oder Sicherheit objektiv gefährdet sind, erklärt das Innenministerium auf Anfrage von IslamiQ. In den vergangenen Jahren wurden keine Bewerbungen von Musliminnen mit Kopftuch abgelehnt, und es gab keine Klageverfahren in diesem Zusammenhang.
Nach Angaben des Sprechers des Thüringer Innenministeriums ist „das Tragen eines muslimischen Kopftuches als Ausdruck der individuellen Glaubensüberzeugung im Polizeidienst, in Verbindung mit der Polizeiuniform, nicht mit der Neutralitäts- und Repräsentationsfunktion der Polizei in Einklang zu bringen.“ Die Anzugsordnung regelt als Kopfbedeckungen „die Schirmmütze, das Police Cap sowie die Softshell-Mütze“, weshalb das Tragen eines Kopftuchs „eher ungeeignet“ erscheint.
Es existieren „keine expliziten landesgesetzlichen oder verwaltungsinternen Regelungen zu Einschränkungen beim Tragen oder eines etwaigen Verbots für das Tragen von religiösen Kopfbedeckungen im Polizeidienst.“ Allerdings befindet sich „ein derzeit laufendes Gesetzgebungsverfahren“ zur Aufnahme einer Rechtsgrundlage im Thüringer Beamtengesetz, die das äußere Erscheinungsbild von Beamtinnen und Beamten regeln soll. Dabei wird ein Diskussionsprozess zur „Frage der künftigen Einschränkungen zum Erscheinungsbild der Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten“ erwartet. Abschließend betont der Sprecher, dass der Zugang zum öffentlichen Dienst unabhängig von religiöser Zugehörigkeit gewährleistet sei.
Im Saarland ist das Tragen religiöser Symbole wie dem Kopftuch im Polizeidienst grundsätzlich „im Einzelfall … zulässig, sofern nicht das Gesicht verdeckt wird“. Die bisherige Dienstkleidungsvorschrift, die das Tragen religiöser Bekleidungsstücke mit Uniform untersagt, findet aufgrund eines neuen Beamtengesetzes „faktisch keine Anwendung mehr“. Bewerbungen von Musliminnen mit Kopftuch gab es aber bislang nicht, daher auch keine Ablehnungen.
Trotz der vielfältigen Regelungen und Diskussionen in den einzelnen Bundesländern ist aktuell keine Muslimin mit Kopftuch im Polizeidienst tätig. Das Kopftuch bleibt vielerorts weiterhin ein Hindernis für die praktische Ausübung des Polizeiberufs, auch wenn Bewerbungen grundsätzlich nicht allein aufgrund des Kopftuchs abgelehnt werden. Damit zeigt sich, dass das Thema zwar juristisch und politisch präsent ist, die tatsächliche Umsetzung einer inklusiven und diskriminierungsfreien Praxis im Polizeidienst jedoch weiterhin aussteht.