Psychologische Beratung

Muslime und Angst – geht das?

Ängste gehören zum Leben, auch für Muslime. Allerdings können sie außer Kontrolle geraten. Unter welchen Umständen ist Angst normal und wann geht sie über in eine Angststörung? Eine Kolumne von Dr. Ibrahim Rüschoff.

04
02
2023
Symbolbild: Angst © Shutterstock, bearbeitet by iQ.
Symbolbild: Angst © Shutterstock, bearbeitet by iQ.

Angst ist zwar ein Gefühl, das wir gerne vermeiden möchten, dennoch ist sie eine sinnvolle menschliche Eigenschaft. Sie warnt uns vor Gefahren und lässt uns vorsichtig und umsichtig handeln. Ein Betrunkener, der sich im Verkehr überschätzt, hätte nüchtern den Unfall vermutlich nicht verursacht, weil er vorsichtiger gefahren wäre. Ein Soldat, der im Krieg keine Angst verspürt, wird nicht lange überleben. Mutig und tapfer ist erst der, der seine Angst überwindet und seine Aufgabe bewältigt, und nicht der, der keine Angst hat.

Beim Thema Angst spielen selbstverständlich auch erzieherische Faktoren eine große Rolle. Einerseits gibt es Eltern, die ihren Kindern ein Bild einer gefährlichen Welt vermitteln. Andererseits ermutigen andere Eltern ihre Kinder auf dem Spielplatz oder im Schwimmbecken auch einmal etwas auszuprobieren, wovor sie vielleicht Angst haben, jedoch nicht weiter gefährlich ist und sogar Spaß bereiten kann. In der Erziehung ist es wichtig, dass Kinder auch unangenehme und schwierigere Situationen meistern und nicht gleich verzagen. Andererseits sollte man ihre Angsttoleranz nicht überfordern, sondern ihr Lebensalter, ihren Entwicklungsstand und ihre Persönlichkeit berücksichtigen. So ist nicht jeder kleine Fatih ein geborener Mittelstürmer, auch wenn der Vater es gerne hätte.

Gesunde und krankhafte Angst

Eine Angst kann als gesund bezeichnet werden, wenn sie durch eine tatsächliche Bedrohung ausgelöst wird und sich nach Beendigung der auslösenden Situation wieder auflöst. Außerdem sollte die Angst dem Anlass angemessen sein. Ein Auto, das sich uns im Straßenverkehr schnell und ohne zu verlangsamen nähert, löst Angst aus, erfasst und überfahren zu werden. Die Angst lässt jedoch sofort nach, wenn wir merken, dass es abbremst. Angesichts der Möglichkeit, bei einem Unfall schwer verletzt oder gar getötet zu werden, ist auch eine starke Angst angemessen.

Krankhafte Angst dagegen wird durch normale und nicht bedrohliche Situationen verursacht, sie besteht über die Situation hinaus und ist bezüglich des Anlasses unangemessen stark. Sie führt bei Betroffenen dazu, dass sie sich nicht mehr kontrollieren können und „verrückt werden“. Sie meiden Situationen, in denen sie auftreten könnten. So verhält es sich beispielsweise mit der Angst, in einem Aufzug zu fahren oder die Angst als gesunder junger Erwachsener, einen Herzinfarkt zu bekommen. Alle medizinischen Normalbefunde und unauffällige EKGs können die Betreffenden nur kurz beruhigen, dann stellt sich die Angst wieder ein. Der Flug in den Urlaub ist sicherlich der gefährlichste Teil der Reise. Doch dürfe man nicht vergessen, dass Stewardessen und Piloten in der Regel in ihren Betten und nicht bei der Ausübung ihres Berufes sterben. Dennoch leiden viele Menschen unter erheblichen Flugängsten, da helfen keine beruhigenden Worte und Statistiken.

Angststörungen – Frauen sind doppelt so häufig betroffen

Angsterkrankungen zählen zu den häufigsten seelischen Erkrankungen. Ungefähr 10-14 % der Bevölkerung leiden an einer behandlungsbedürftigen Angststörung und knapp 25 % leiden irgendwann einmal im Leben an solch einer Störung. Es gibt viele Faktoren, die zu ihrer Entstehung beitragen. So können frühkindliche Trennungs- und Verlusterfahrungen eine Rolle spielen, aber auch soziale und wirtschaftliche Belastungsfaktoren oder aussichtslos erscheinende Zukunftsperspektiven. Frauen leiden über alle Kulturen hinweg doppelt so häufig an Angststörungen wie Männer, wobei neben biologischen Faktoren insbesondere auch gesellschaftliche Einflüsse, Erziehungsstile und Genderaspekte wie Rollenmuster als mitverursachend diskutiert werden.

Formen der Angststörung

Die Angststörungen werden überwiegend nach den Formen eingeteilt, in denen sie auftreten. So sind Panikstörungen durch ein gehäuftes und plötzliches, scheinbar anlassloses Auftreten auswegloser Bedrohung geprägt, das zu Herzrasen, Atemnotschwindel, Schweißausbrüchen etc. führt und viele Patienten in die Notaufnahmen der Krankenhäuser bringt. Oft entsteht zusätzlich „Angst vor der Angst“ in Erwartung der nächsten Attacke.

Die generalisierte Angststörung zeigt einen durchgehenden Angstzustand in unterschiedlicher Intensität mit dem Gefühl dauernder innerer und äußerer Unruhe und ständiger Anspannung. Die Patienten haben in einem gewissen Sinne Angst vor allem und jedem.

Phobische Störungen sind Angstkrankheiten, die auf bestimmte Gegenstände oder Situationen gerichtet sind. Dabei sind sie bezüglich der Auslöser unrealistisch, unvernünftig und führen durch Vermeiden zu Einschränkungen im täglichen Leben. Beispiele wären eine Spinnenfurcht, die Angst vor sozialer Interaktion und damit verbundener Beschämung oder das Vermeiden öffentlicher Orte mit der Furcht vor Situationen der Hilflosigkeit.

Behandelt werden Ängste mit Psychotherapie, zumeist „Kognitiver Verhaltenstherapie“ (KVT), unterstützt von Medikamenten. Durch die Häufigkeit der Angsterkrankungen haben Psychiater und Psychotherapeuten oft mit ihnen zu tun und sind in der Behandlung entsprechend erfahren.

Angst als Prüfung Allahs verstehen

Wenn wir uns daran erinnern, dass Allahs wichtigste Eigenschaft seine Barmherzigkeit ist, die alle Dinge umfasst (Sure An’âm, 6:12; Sure Âraf, 7:156), und wenn er uns im Koran zusichert, keiner Seele mehr aufzuerlegen, als sie zu tragen vermag (Sure Bakara, 2:286), dann ist eigentlich kaum vorstellbar, dass Muslime an Ängsten leiden oder an Angststörungen erkranken können, sich in Psychotherapie begeben und für eine Zeit vielleicht auch Medikamente einnehmen müssen.
Aber trotz dieser Zusagen Allahs gilt: Der Islam und damit auch unsere Beziehung zu Allah existiert nicht im luftleeren Raum, sondern kann es nur auf dem Boden unserer Lebens- und Beziehungserfahrungen geben, und da läuft nicht immer alles so rund, wie es sein sollte.

Ängste und insbesondere krankhafte Angst sollten wir daher als Prüfungen Allahs verstehen und alles Notwendige unternehmen, sie zu bewältigen. Daher dürfen natürlich auch Muslime Ängste empfinden. Sogar unser Prophet, Friede sei mit ihm, war nicht frei davon: die erste Offenbarung, die er in der Höhle im Berg Hira erhielt, erschütterten ihn seelisch so sehr, dass er fürchtete, seinen Verstand zu verlieren und bei seiner Frau Hadîdscha Zuflucht suchte. Gleichzeitig zeigt uns sein Beispiel, wie er diese Angst meisterte, nämlich indem er sich seiner Aufgabe stellte und die damit verbundenen Schwierigkeiten und Belastungen in der Überzeugung bewältigte, von Allah mit dieser Aufgabe betraut worden zu sein.

Leserkommentare

Shamim Anwar sagt:
Assalameleikum…ich bin alleineziend Mutter von Pakistan und ich hab eine Autistische Sohn und Jungendamt Hab Bei Betrug Ihn Wegnommen und Hat Schicked Ihn Nach Eine Alleine Wohnung Mit 4 Pflege Personen und Meine Dohn Dort Ist Auch Sexually Abused und Ich Warten Amtgericht Enscheidung Weil Ich Hab Zwei Mal Anklage Gemacht. Brauche Dringend Hilfe Bei Muslimische Aber Alle Hab Angst Mit Diesen Behörden. ALLAH HILFE MEINE SOHN.MEINE SOHN KANN AUCH NICHT SPRECHEN.
04.02.23
18:24
Emden sagt:
Das Emirat Ostfriesland macht mir Angst. Aber das ist wichtig, damit ich nicht im Gefängnis lande. Wir müssen die Gesetze dieses Landes achten, sonst bekommen wir unnötig Probleme.
07.02.23
21:34