Italien

Italiens Wahl-Favoritin Meloni und der Rassismus – „Sorge ist real“

Italien steht vor einem Rechtsruck. Im Jahr 2022 hat eine Postfaschistin beste Chancen, Ministerpräsidentin zu werden. Wie denkt diese Giorgia Meloni? Und wie kann es sein, dass diese Frau in Italien so erfolgreich ist?

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08
2022
Symbolbild: Italien, Meloni © metropolico.org auf flickr.
Symbolbild: Italien, Meloni © metropolico.org auf flickr.

Italien steht vor einem Rechtsruck. 100 Jahre nach der Machtergreifung der Faschisten unter Benito Mussolini haben die rechtsextremen Fratelli d’Italia (Brüder Italiens) um Parteichefin Giorgia Meloni im Herbst beste Chancen auf die Regierungsübernahme. Am Wochenende präsentierten sie ihr Wahlkampf-Logo – „ein Symbol, auf das wir stolz sind“, sagte Meloni. In dem Emblem lodert eine Flamme in den Farben grün-weiß-rot – es ist seit Jahrzehnten das Kennzeichen der Postfaschisten in Italien. Meloni war gebeten worden, auf das Feuer zu verzichten, auch Holocaust-Überlebende appellierten an sie. Sie änderte es nicht.

Melonis Ansichten sind populär

Nicht nur das Wappen, sondern auch Aussagen und Ansichten Melonis zeigen, in welche Richtung es gehen könnte in Rom nach dieser Wahl am 25. September. Homophob, migrantenfeindlich und europaskeptisch trat Meloni immer wieder auf. Derzeit schlägt sie zwar etwas moderatere Töne an – Kritiker sehen darin aber nur eine Ablenkung.

In einem Italien, das das Jahrhundertverbrechen des Faschismus nie richtig aufgearbeitet hat, und wo viele heute offen ihre Bewunderung für den „Duce“ Mussolini äußern, sind Melonis Ansichten populär. Laut Umfragen stehen die Fratelli d’Italia (FdI) bei bis zu 25 Prozent.

Meloni bezeichnet sich nicht als Faschistin, die 45-Jährige will über das Thema am liebsten gar nicht reden. Es ist aber brisant, gerade jetzt durch die Enthüllung des FdI-Wahlabzeichens. Die Flamme als Symbol der Rechten gibt es seit 1946. Viele erinnert sie an das Grab Mussolinis, auf dem eine Lampe als ewiges Licht brennt.

Vor der Ruhestätte des „Duce“ in dessen Geburtsort Predappio stehen bis heute Verehrer, Nostalgiker und Interessierte Schlange. Auf dem steinernen Sarg in der Familienkrypta liegen frische Blumen, man kann in ein Gästebuch schreiben, in einer Box werden Spenden gesammelt.

„Die Sorge, dass Faschisten an die Macht kommen, ist real“

„Die Sorge, dass nun Faschisten an die Macht kommen, ist real“, sagt Gianfranco Miro Gori. Er ist Vertreter der Partisanenvereinigung ANPI in Forlì in der Nähe von Predappio in der Region Emilia-Romagna. „In Italien gibt es diese Nostalgie des Faschismus, weil wir anders als die Deutschen jene Epoche nie richtig aufgearbeitet haben“, erklärt der Aktivist der Deutschen Presse-Agentur. „Bei uns musste nie jemand sagen: Ich war Faschist, ich lag falsch, ich trage eine Mitschuld.“

Ein Pendant zu den Nürnberger Prozessen gab es nicht, im Gegenteil: Um schnell vom Kriegs- in einen Friedensalltag überzugehen, wurden die alten Faschisten fast alle in die neue Verwaltung übernommen.

Übrigens, erinnert Gori, seien auch Melonis Verbündete Matteo Salvini und Silvio Berlusconi mitverantwortlich an der fortschreitenden Etablierung des (Post-)Faschismus. Ex-Ministerpräsident Berlusconi von der Partei Forza Italia hatte einmal behauptet, dass Mussolini kein Diktator war und auch Gutes geleistet habe. Lega-Chef Salvini sagte noch im Herbst 2021, dass es gar keine Faschisten mehr gebe.

Rechtspopulistin Meloni bemüht sich um moderatere Töne, seit nach dem Sturz der Regierung von Mario Draghi klar ist, dass am 25. September in Italien gewählt wird. Europa und die Welt müssen sich um Italien keine Sorgen machen, sagte sie vorige Woche in dem Videoclip.

„Ich glaube ihr kein Wort“

„Ich glaube ihr kein Wort“, schimpfte Auschwitz-Überlebende Edith Bruck in einem Interview der Zeitung „La Repubblica“. Melonis Beteuerungen seien nur „Fassade, um Ministerpräsidentin zu werden“. Liliana Segre war ebenfalls im KZ Auschwitz und sitzt heute in Rom als Senatorin auf Lebenszeit im Parlament. Die 91-Jährige appellierte vorige Woche an Meloni, die faschistische Flamme aus dem Fratelli-Emblem zu streichen, um zumindest ein Zeichen zu setzen.

Meloni distanzierte sich in einem Videoclip von der Unterdrückung der Demokratie und den antijüdischen Gesetzen zu Beginn des 20. Jahrhunderts – den Faschismus insgesamt verurteilte sie aber nicht. Was die Rechten bei einem Wahlsieg aus Italien machen, das wird sich zeigen. Eine Ministerpräsidentin Giorgia Meloni macht vielen Angst. (dpa/iQ)

Leserkommentare

evergreen sagt:
Richtig : > Rassismus – „Sorge ist real“ <. Ebenso richtig ist, dass IslamiQ eine Mitverantwortung dafür trägt, dass in Deutschland Sorgen auch vor muslimischem Rassismus größer werden. Generalverdacht ist unzulässig, aber Generalimmunität in jegliche Richtung ebenso. Wenn IslamiQ zu muslimischem Rassismus nicht Stellung bezieht, fördert es Sorgen. Letztes Beispiel : Am 12.8.2022 erfolgt ein schlimmstes Attentat auf Salman Rushdie in New York; Hadi Matar wird verhaftet. IslamiQ berichtet nicht. Das iranische Außenministerium gibt der ganzen Welt bekannt, dass Salman Rushdie für das Attentat selber verantwortlich sei. IslamiQ kommentiert nicht. IslamiQ nimmt auch keinerlei Stellung, dass bekannte liberale Muslime in Deutschland nur unter Polizeischutz ihr Haus verlassen dürfen. Solches Schweigen schafft in der Bevölkerung Misstrauen.
17.08.22
21:22