Frankreich

Frankreich streitet erneut über Burkinis

Und wieder streitet Frankreich über Kopftuch & Co. Grenoble lässt künftig Burkinis in Schwimmbädern zu – die Menschen sollen tragen, was sie wollen, meint der Bürgermeister. Kritiker sehen einen politischen Islam auf den Vormarsch, es gibt Drohungen.

17
05
2022
Burkini-Verbot in Koblenz, Burkinis (c)shutterstock, bearbeitet by iQ
Burkini-Verbot in Koblenz, Burkinis (c)shutterstock, bearbeitet by iQ

In Frankreich ist erneut ein Streit um Burkinis, die muslimischen Ganzkörperbadeanzüge, losgebrochen. Der Anlass ist lokal: Die Großstadt Grenoble hat am Montagabend nach kontroverser Debatte eine Änderung der Schwimmbadordnung beschlossen. Frauen wird künftig nicht mehr vorgeschrieben, mit wie viel oder wie wenig Stoff sie ins Wasser dürfen. Oben ohne ist vom 1. Juni an ebenso in Ordnung wie Badekleidung, die über Knie und Nacken hinausreicht – wie eben die Burkinis. Manche Kritiker im auf strikte Trennung von Staat und Religion pochenden Frankreich vermuten hinter der Lockerung eine schleichende Islamisierung.

„Mit dem Koran hätten Burkinis nichts zu tun“

Bürgermeister Éric Piolle, der die Änderung initiierte, sieht darin kein großes Ding. Diskriminierung im Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen müsse vermieden werden, es gehe um den sozialen Fortschritt, dass Menschen zum Baden tragen könnten, was sie wollten, betonte Piolle. „Eigentlich ist es uns egal, ob es ein körperbedeckender Badeanzug ist zum Schutz vor der Sonne oder aus religiösen Gründen, das geht uns nichts an“, sagte der Bürgermeister und beklagte „Debatten von extremer Gewalt“.

Sein konservativer Widersacher im Stadtrat, Alain Carignon, wittert eine illegitime Schützenhilfe für einen politischen Islam und rief zu einem Referendum auf. Außerdem lancierten Burkini-Gegnerinnen und -Gegner eine Petition. „Eine Änderung der Baderegeln würde Forderungen eines politischen Islams erfüllen, das heißt einer totalitären und radikalen Ideologie“, heißt es in dem Aufruf. Mit dem Koran hätten Burkinis nichts zu tun, es gehe um die sexistische Ideologie der Unterwerfung der Frau. Eine Ablehnung von Burkinis sei nicht islamfeindlich, vielmehr könnten Sonderansprüche einzelner Gruppen nicht über die Prinzipien der Republik gestellt werden.

Gefahr für Sicherheit und Hygiene

In der neuen Badeordnung wird der Begriff „Badeanzug“ durch den Begriff „Badekleidung“ ersetzt, außerdem entfällt die Festlegung, dass der Badeanzug höchstens von den Knien bis zum Nacken reichen darf. Es bleibt dabei, dass die Badekleidung aus dafür konzipiertem Stoff bestehen und eng anliegen muss. Verboten bleibt Kleidung, die schon vor Betreten des Schwimmbads getragen wurde oder die eine Gefahr für Sicherheit und Hygiene darstellt.

Obwohl die Vokabel Burkini gar nicht vorkommt, erntete der Bürgermeister in der dreieinhalbstündigen Debatte im Stadtrat heftige Kritik. Er sei ein Partner des „politischen Islams“, er setze die Vorstellungen von Salafisten um und trete Frauenrechte mit Füßen, es handele sich um eine Unterwerfung an den Islam, sagten Gegner.

Schweres Geschütz gegen die Burkini-Pläne in Grenoble fuhr bereits im Vorfeld der konservative Regionspräsident Laurent Wauquiez auf. „Ich warne den Bürgermeister: In diesem Fall wird die Region sämtliche Subventionen für die Stadt Grenoble einstellen. Kein Centime der Bewohner von Auvergne-Rhône-Alpes wird die Unterwerfung an den Islamismus finanzieren.“

Präfekt Laurent Prévost hatte bereits am Sonntagabend gerichtliche Schritte angekündigt, sollte es grünes Licht für das Tragen von Burkinis in öffentlichen Bädern in Grenoble geben. Gemäß der Anweisungen, die er von Innenminister Gérald Darmanin erhalten habe, werde er vor das Verwaltungsgericht ziehen, um eine Aussetzung der Regelung zu erwirken.

„Charta der Laizität“

Doch warum wird in Frankreich schon seit langem so verbissen über Kopftuch & Co. gestritten? Die Nachbarn verstehen sich als laizistisches Land, in dem eine strikte Trennung von Staat und Religion herrscht. Der Umgang mit religiösen Symbolen in der Öffentlichkeit sorgt immer wieder für Kontroversen, vor allem im Zusammenhang mit dem Islam. Bereits 1994 trat ein Gesetz in Kraft, das in Schulen nur noch diskrete religiöse Symbole erlaubte. Zehn Jahre später wurden Kopftücher in Schulen vollständig verboten – Kippa und Kreuz nicht. 2010 folgte das Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit, das sogenannte Burka-Verbot.

Um Burkinis gab es bereits im Sommer 2016 einen heftigen Streit in Frankreich. Kommunale Burkini-Verbote, wie etwa an der Côte d’Azur erlassen, erklärte der Staatsrat schließlich für rechtswidrig. Um Burkinis weiterhin von Stränden und aus Bädern zu verbannen, bedienten Kommunen sich danach Vorwänden der Hygiene und der Sicherheit. Die Hauptstadtregion Île-de-France erließ 2017 eine „Charta der Laizität“, die ein Verbot beinhaltete, das 2021 noch einmal bekräftigt wurde. In Grenoble unterdessen probten muslimische Frauen 2019 bereits zweimal mit einem «Swim-In», einem Badbesuch im Burkini, den Aufstand.

Leserkommentare

Vera sagt:
Frankreich streitet über Burkinis, Kopftuch & Co. und in NRW wird über Kübra Gümüsay (33) debattiert und gestritten. In einer Deutschklausur des Zentralabiturs 2022 in NRW wurde statt klassischer Werke von Kafka, Kleist oder Brecht Texte ihres Buches "Sprache und Sein" von 2010 verwendet. Die deutsch-türkische Bloggerin, Autorin und Aktivistin verhüllt sich gerne streng islamisch. Ihr Gesicht ist von Tüchern eingerahmt. Die 'Neue Zürcher Zeitung' schrieb über sie: "Islamismus mit Gendersternchen. Sie pflegt Kontakte zu islamistischen Organisationen, preist rassistische türkische Dichter - und inszeniert sich selber als Stimme der unterdrückten Minderheiten: Kübra Gümüsay ist eine schillernde Figur." Die NZZ thematisiert ihre "Verirrungen" und würde sie gerne kritisch befragen - etwa zum religiösen Hass des alten weissen Poeten Kisakürek (1905-1983), dessen Ziel die Transformation der Türkei in einen islamischen Staat war. Und genau das strebt auch Erdogan an, für den Kübra Gümüsay wiederholt große Sympathie und ihre Solidarität bekundete. NZZ: "Vor allem aber bleibt das Milieu, in dem sich Gümüsay bewegt, trotz aller Distanzierungen genauso islamistisch wie die Denkmuster, die sie verbreitet". Die junge Deutschtürkin hat Toleranz vor allem für fundamentalistische Muslime und Islamisten mit entsprechenden Kontakten. Die Verwendung ihrer Texte im Zentralabitur in NRW ist eine mehr als fragwürdige Literaturauswahl. Es bleibt zu hoffen, daß dies keine Unterstützung für einen Vormarsch des politischen Islam war. Manche sehen darin aber ein Zeichen für eine langsam zunehmende Islamisierung im Lande. Und in Frankreich ist das ja kaum anders.
19.05.22
0:45