Das Gedankengut hinter dem Hassverbrechen von Buffalo findet in den USA weite Verbreitung und hat tiefe Wurzeln. Sie reichen zurück bis in die Zeit des Nationalsozialismus.
Er war offenbar besessen von Hass: In Buffalo im US-Bundesstaat New York hat ein 18-Jähriger am Samstag mindestens zehn Menschen getötet und drei verletzt. Das FBI geht von einem rassistischen Motiv aus. In einem überwiegend von Afroamerikanern besuchten Supermarkt hatte der Mann das Feuer eröffnet. Die Tat übertrug er live im Internet.
Was der Attentäter zuvor in seinem 180-Seiten-Manifest niedergeschrieben hat, könnte aus der Feder von Theodore G. Bilbos stammen. Der zweifache Gouverneur von Mississippi (1916-1920 und 1928-1932), der den Südstaat von 1935 bis 1947 im US-Senat vertrat, hetzte gegen Afroamerikaner, während diese als GIs gegen Hitler kämpften. Bilbo warnte unter anderem vor einer „Durchmischung“ der Gesellschaft durch Ehen zwischen „N****n und Weißen“.
Nach dem Krieg publizierte der Senator ein Buch mit dem Titel „Trennung oder Durchmischung: Sie wählen.“ Darin behauptete er: „Große Zivilisationen sind seit Gedenken von der kaukasischen Rasse erzeugt worden.“ „Mischlinge“ dagegen könnten „nicht nur keine Zivilisation schaffen, sondern sie zerstören auch die bestehende Kultur“. Das „Committee of Catholics for Human Rights“, dem die legendäre katholische Arbeiterführerin Dorothy Day angehörte, mobilisierte für die Abwahl des Demokraten, der einer der schlimmsten Rassisten der USA war. Nach dem Zweiten Weltkrieg brachte es eine breite Koalition gegen den Vertreter der Verschwörungstheorie des „Großen Austausches“ zusammen, die Bilbo in den Ruhestand beförderte.
Doch sein blanker Rassismus findet bis heute Anhänger. Etwa durch das 2001 erschienene Buch „Revolte gegen den Großen Austausch“ von Renaud Camus. Demnach droht die weiße Rasse von Fremden – etwa den Muslimen – durch Einwanderung verdrängt zu werden.
Kämpfer für die Rechte der sogenannten „weißen Rasse“ rund um die Welt berufen sich heute auf diese Verschwörungstheorie und nutzen sie als Rechtfertigung für Terror gegen Minderheiten und Andersdenkende. Der 18-jährige Angreifer von Buffalo steht in einer Reihe mit den Rechtsextremisten, die in Norwegen, Neuseeland, Deutschland und wiederholt den USA im Namen des Widerstands gegen einen imaginären „weißen Genozid“ mordeten. Die Videos des Attentäters auf die beiden Moscheen von Christchurch in Neuseeland 2019 hätten ihm geholfen, „die Probleme mit Einwanderern und Ausländern in unserem weißen Land“ wirklich zu verstehen, heißt es in dem Pamphlet des Angreifers von Buffalo.
Extremismus-Experten weisen darauf hin, dass die „Great Replacement“-Verschwörungstheorie seit Donald Trumps politischem Aufstieg auch bei Republikanern hoffähig geworden ist. Als die Teilnehmer eines rechtsextremen Fackelmarschs durch Charlottesville 2017 „You will not replace us“ skandierten, sah Trump keinen Anlass, sich zu distanzieren. Er erklärte, unter den Demonstranten fänden sich „feine Personen“.
Die Liste der Republikaner, die sich Aspekte der Verschwörungstheorie zu eigen machen, ist lang. So erklärte die dritthöchste Vertreterin der Partei im Repräsentantenhaus, Elise Stefanik, im September, die Demokraten planten einen „permanenten Wahlaufstand“, indem sie illegalen Einwanderern Amnestie gewähren wollten. Dies würde, so Stefanik, „unsere gegenwärtige Wählerschaft ersetzen und eine permanente linke Mehrheit in Washington schaffen“. Im Fernsehen predigt derweil Fox-Moderator Tucker Carlson das Credo der Suprematisten. Die „New York Times“ zählte 400 Zitate, in denen Carlson einen Bevölkerungs-Austausch durch Einwanderung behauptete.
Von dieser Einstellung bis zum Massenmord in dem Supermarkt von Buffalo liegen Welten, aber der Nährboden für Extremismus ist nach Ansicht von Experten bereitet. „Der Glaube veranlasst uns, Nein zu sagen zu den verrotteten Kräften des Rassismus, Nein zu Terror, Nein zu dem tödlichen zum Schweigen bringen von schwarzen und braunen Stimmen“, erklärte demgegenüber der Bischof von El Paso, Mark J. Seitz. Der texanische Bischof weiß, wovon er spricht. Bei dem Anschlag auf einen Walmart in El Paso 2019 rechtfertigte der rechtsextreme Attentäter seine Tat damit, dass Mexikaner die „weiße Rasse“ ersetzen wollten. (KNA/iQ)