Bundesgerichtshof

Gesamtes Urteil im NSU-Prozess rechtskräftig

Zehn Ermordete und mehrere Verletzte bei Sprengstoffanschlägen: Die Aufarbeitung der NSU-Terrorserie wird Politik und Justiz wohl noch Jahre beschäftigen. Nun wurde eine wichtige Entscheidung getroffen.

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Behörde weist Beschwerde nach tödlichen Schüssen auf Geflüchteten ab iQ
Symbolbild: Urteil © Shutterstock, bearbeitet by IslamiQ.

Der Mammutprozess um die rechtsextreme Terrorserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) ist rechtskräftig abgeschlossen. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe bestätigte am Mittwoch die Strafe von zweieinhalb Jahren gegen NSU-Unterstützer André E. (Az. 3 StR 441/20). Damit sei das gesamte Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München aus dem Jahr 2018 rechtskräftig, sagte der Vorsitzende Richter.
Der BGH hatte die Revision der Hauptangeklagten Beate Zschäpe im August ohne vorherige Verhandlung verworfen. Damit ist sie rechtskräftig als Mittäterin an der rassistisch motivierten Mordserie zu lebenslanger Haft verurteilt. Das OLG München hatte in ihrem Fall auch die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Die Urteile gegen drei weitere NSU-Helfer sind ebenfalls schon länger rechtskräftig.

NSU-Helfer wollte Freispruch

Die Neonazi-Terrorzelle war über Jahre mordend durch Deutschland gezogen. Ihre Opfer waren neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft sowie eine deutsche Polizistin. Zschäpes Freunde Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt verübten zudem zwei Bombenanschläge mit Dutzenden Verletzten. Sie töteten sich 2011.

Somit war der Fall E. der erste und absehbar einzige, über den der Bundesgerichtshof verhandelt hat. Hintergrund ist, dass hier auch die Bundesanwaltschaft Rechtsmittel einlegte – ihr war das Strafmaß deutlich zu niedrig. Der 42-Jährige selbst forderte einen Freispruch.

Die OLG-Richter hatten es als erwiesen angesehen, dass E. dem NSU-Trio in den Jahren 2009, 2010 und 2011 mehrere Bahncards organisiert hatte, die auf ihn und seine Frau ausgestellt waren – aber Fotos von Böhnhardt und Zschäpe trugen. Zu dieser Zeit soll er davon ausgegangen sein, dass sich Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos mit terroristischen Absichten zusammengeschlossen hatten.

Beide Revisionen abgelehnt

2000 und 2003 hatte E. laut OLG-Urteil Wohnmobile angemietet, die der NSU bei zwei Raubüberfällen und einem Anschlag in Köln benutzte. Außerdem gab er Zschäpe 2007 den Ausweis seiner Frau, damit sie sich bei einer Zeugenvernehmung bei der Polizei mit falschen Personalien vorstellen konnte. Er begleitete sie auch zu dem Termin. Aus Sicht der Münchner Richter ahnte er damals aber noch nichts von den Plänen der Terroristen. Sie sprachen E. daher in diesen Punkten frei.

Am 9. September 2000 wurde Enver Şimşek auf offener Straße angeschossen. Zwei Tage später stirbt er in einem Krankenhaus. Einen rechtsextremen Hintergrund erwägen die Beamten zunächst nicht. Mit dem Tod von Enver Şimşek beginnt die Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU). Erst elf Jahre nach dem Mord, als Fotos des schwer verletzten Şimşek in dem von Beate Zschäpe veröffentlichten Bekennervideo des NSU auftauchen, wird sein Tod aufgeklärt. Bis dahin hatten die Beamten auch in den darauffolgenden NSU-Mordfällen einen rechtsextremen Hintergrund der Verbrechen ausgeschlossen und im Umfeld der Opfer nach den Tätern gesucht.

Was davor und danach geschah, finden Sie hier.

 
Der BGH erkannte jedoch keine Rechtsfehler oder beispielsweise Lücken in der Argumentation des OLG, wie der Vorsitzende Richter sagte. Er verwarf beide Revisionen. Die ausführliche schriftliche Begründung des Urteils soll voraussichtlich im Januar veröffentlicht werden. (dpa, iQ)