Burkaverbot

Die Schweizer stimmen über Verhüllungsverbot ab

Per Referendum wollen rechtskonservative Schweizer Burka und Nikab in der Öffentlichkeit verbieten. Fast alle Parteien im Parlament sind dagegen; auch der Bundesrat. Und doch ist ein Ja der Bürger eher wahrscheinlich.

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2021
Schweizer Parlament, Schweiz © Shutterstock, bearbeitet by iQ.
Schweizer Parlament, Schweiz © Shutterstock, bearbeitet by iQ.

Es hat eine gleich doppelte Ironie: Quasi zum 50. Jahrestag des Frauenwahlrechts und während das ganze Land pandemiebedingt mit verhülltem Gesicht umherläuft, stimmen die Schweizer am Sonntag über ein Verbot der islamischen Burka respektive des Nikab im öffentlichen Raum ab.

Nominell geht es beim Volksentscheid zwar um Gesichtsverhüllungen und Vermummung insgesamt, also auch um Polit-Randalierer und Stadion-Hooligans. Doch die politischen Debatten richten sich – wie von den Initianten auch beabsichtigt – ausschließlich auf das muslimische Bekleidungs-Statement. So wird tatsächlich meist von der „Burka-Initiative“ statt von der „Verhüllungsverbots-Initiative“ gesprochen.

Das rechtskonservative „Egerkinger Komitee“ will sich nach eigener Darstellung der „Machtansprüche des politischen Islam“ erwehren. So wie 2009, als die SVP-nahe Organisation überraschend ihr Referendum für ein landesweites Minarettverbot durchbrachte. Nun also eine Neuauflage, die auf dem Volkszorn sowie auf entsprechenden kantonalen Verhüllungsverboten im Tessin (2013) und in Sankt Gallen (2018) aufsetzt. Es gelte, islamischen Extremismus zu stoppen und Freiheit und Gleichberechtigung zu verteidigen.

Knapp 40 Frauen tragen einen Nikab

Die Aussichten auf eine erneute Mehrheit stehen den Umfragen zufolge ziemlich gut – auch wenn der größte Teil der Medien und der Parteien in einer Art Aufklärungskampagne seit Monaten soziologische und politische Argumente gegen ein generelles Verbot liefern. Nicht zuletzt dieses: Landesweit tragen Erhebungen des Luzerner Zentrums für Religionsforschung zufolge überhaupt nur weniger als drei Dutzend Frauen einen Nikab. Zumeist seien es Konvertitinnen, die sich bewusst dafür entschieden.

Das Schweizer Parlament und der Religionsrat haben sich ebenso klar gegen die Abstimmungsvorlage positioniert wie die Regierung, der Bundesrat. Ein Randphänomen werde zum Staatsnotstand stilisiert und für Stimmungsmache missbraucht, so der Grundtenor. Und ohnehin fielen Bestimmungen über den öffentlichen Raum in die Zuständigkeit der Kantone.

EuGH: Verhüllungsverbot ist kein Verstoß gegen Menschenrechte

Regierung und Parlament haben einen Gegenvorschlag ausgearbeitet, der – so will es Schweizer Brauch – bei einem Nein beim Referendum quasi automatisch geltendes Recht wird. Dieser Vorschlag beinhaltet, dass bei Identitätskontrollen das Gesicht zu zeigen ist, etwa in Behörden oder im Personenverkehr. Weigerungen führen zu Bußen oder Leistungsentzügen. Flankierende Maßnahmen sollen Frauenrechte stärken.

In mehreren europäischen Ländern gibt es bereits Burka-Verbote: Frankreich, Belgien, Österreich und Dänemark. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg hat darin bislang keinen Verstoß gegen Menschenrecht erkannt. (KNA/iQ)

 

Leserkommentare

Dilaver Çelik sagt:
Die Absurdität von antimuslimischem Rassismus kennt keine Grenzen. Es fängt an mit "Ausländer müssen sich anpassen" und hört bei systematischen Massenmorden auf. Verbote von Gebäuden oder Kleidungsstücken sind lediglich Abstufungen dazwischen. Sich dagegen zur Wehr zu setzen ist völlig legitim und kann niemals kriminalisiert werden. Auch wenn die Rassisten einem etwas anderes einreden wollen - doch genau das macht antimuslimischen Rassismus aus, der auch gerade deshalb aufs schärfste zu verurteilen ist.
03.03.21
17:22
Vera Praunheim sagt:
Die engagierte Menschenrechtsaktivistin Zana Ramadani, Tochter einer muslimischen Einwandererfamilie, erlebte auch Gewalt und Unterdrückung. In ihrem Buch "Die verschleierte Gefahr" schreibt sie über den "Toleranzwahn" westlicher Gesellschaften und warnt davor, den politischen Islam als kulturelle Eigenart zu verharmlosen. Die Islamkritikerin fordert eine offene, schonungslose Auseinandersetzung zur Verteidigung freiheitlich-demokratischer Grundordnungen. Soll Islamkonservatismus mit Verhüllungsmentalität ein leuchtendes, religiöses Leitbild 2021 sein? Sollen islamkonservative Schweizer die Regeln im Lande bestimmen?
05.03.21
1:15
Johannes Disch sagt:
Die Schweizer haben heute abgestimmt. 51% sind für das Verhüllungsverbot. Damit heißt es ab nun: Kein Nikab mehr in der Schweiz in der Öffentlichkeit..
07.03.21
17:15